Martin Hotz und Marco Fuhrer, Fuhrer & Hotz

Martin Hotz und Marco Fuhrer, Fuhrer & Hotz

Martin Hotz (l.) und Marco Fuhrer, Partner Fuhrer & Hotz. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab: Sie haben zusammen mit der Credit Suisse den jährlichen Retail Outlook erstellt. Lassen Sie uns aber zuerst einen Blick zurück werfen: Trotz gestiegener Kaufkraft und guter Konsumentenstimmung hat der Detailhandel 2013 ein eher harziges Jahr durchlebt. Wo sehen Sie die Gründe?

Martin Hotz: In der Tat ist die Konsumentenstimmung seit dem letzten Tiefpunkt Ende 2011 langsam und mit zwischenzeitlichen Rückschlägen angestiegen und notierte Ende 2013 wieder knapp über dem langjährigen Durchschnitt. Die Umsätze haben sich derweil im vergangenen Jahr unterschiedlich entwickelt. Zu unterscheiden gilt es zum einen zwischen dem Geschäft mit Lebensmitteln und demjenigen im Bereich Non-Food. Dies zeigt sich auch bei der Erreichung der gesetzten Ziele auf Unternehmensebene, d.h. bei Handel und Konsumgüter-Industrie. In Segmenten wie beispielsweise Bekleidung, Schuhe, Sportartikel, Möbel, Heimelektronik usw. wurden auch im Mehrjahresvergleich die Vorgaben so oft wie nie zuvor verfehlt. Wesentliche Einflussfaktoren sind hier abgesehen vom Wetter vor allem der nach wie vor anhaltende Preiskampf, der zuweilen zu einem Preiszerfall führt. Und zum zweiten spielt hier auch der zunehmende Wettbewerbsdruck eine Rolle, der von Online- und Internet-Anbietern ausgeht. Und nicht zuletzt auch der so genannte Einkaufstourismus, wenngleich dieser inzwischen seinen Höhepunkt erreicht hat.

Welches waren 2013 die Gewinner-, welches die Verliererbranchen?

Martin Hotz: Am vergleichsweise positivsten entwickelt hat sich nach heutigem Kenntnisstand und auf Basis von Schätzungen (die definitiven Zahlen liegen im Moment noch nicht vor) der Lebensmittelbereich mit einem nominalen Umsatzwachstum von 2%. Und auch Artikel in den Bereichen Gesundheit, Schönheit und Körperpflege wurden trotz Preisrückgängen um rund 3% mehr verkauft. Der Uhren- und Schmuckdetailhandel konnte derweil vom ungebremsten Touristenboom der ausgabefreudigen Gäste aus Asien profitieren.

Derweil befindet sich der Bekleidungs- und Schuhdetailhandel zum dritten Jahr in Folge auf der Verliererseite. Und auch das wie bereits erwähnt stark unter der Digitalisierung leidende Geschäft mit Tonträgern und Büchern hat sich mit einem Rückgang um 6% fortgesetzt beziehungsweise sogar akzentuiert. Diese Entwicklung wiederum hinterlässt markante Spuren bei der Flächenplanung der Retailer in der Schweiz. Noch nie seit Anbeginn unserer Messungen war der Anteil der Händler, die mit ihrem heutigen Filialnetz zufrieden sind, so tief wie aktuell. Und auch der Umstand, dass jeder neunte von uns befragte Top-Entscheider aus dem Detailhandel zu Protokoll gibt, seine Verkaufsfläche mit Blick auf das bestehende (Über-)Angebot und die eigene m2-Produktivität reduzieren zu wollen, entspricht einem Novum. Die jahrelange Expansionsflut im Schweizer Detailhandel scheint also – zumindest für den Moment – gestoppt zu sein. Nichtsdestotrotz wird über die kommenden Jahre aufgrund von Neu- und Umbauten unter dem Strich mehr Retailfläche hinzukommen, aber mit einem im Vergleich zu den Vorjahren reduzierten Tempo.

«Noch nie seit Anbeginn unserer Messungen war der Anteil der Händler, die mit ihrem heutigen Filialnetz zufrieden sind, so tief wie aktuell.»
Martin Hotz

Im Lebensmittel-Detailhandel scheint der Markt gesättigt. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Riesen Migros und Coop einerseits und der Discounter Aldi und Lidl andererseits?

Martin Hotz: Eines ist klar: Aldi und Lidl haben den Wettbewerb intensiviert und sorgen für eine gewisse Dynamik im Markt. All diejenigen, die den beiden Deutschen Hard-Discountern in Bezug auf ihre Geschäftsaktivitäten in der Schweiz keinen Kredit gegeben haben, wurden und werden eines besseren belehrt. Heute, also rund acht bzw. fünf Jahre nach dem Eintritt von Aldi und Lidl, kaufen gemäss Nielsen 64% aller in der Schweiz wohnhaften Konsumentinnen und Konsumenten mindestens einmal pro Jahr bei einem dieser Anbieter ein. Und viele von ihnen tun dies auch regelmässig. Selbst Branchenkenner haben den beiden Unternehmen im Vorfeld nicht zugetraut, dass sie fähig und willens sind, sich derart gut auf den Schweizer Konsumenten mit seinen Vorlieben und seinem Einkaufsverhalten einzustellen. – Trotz sukzessivem Filialausbau und über die Jahre gestiegener Erreichbarkeit darf man diese beiden Discounter aber nicht oder zumindest nicht direkt mit den beiden Grossverteilern Migros und Coop vergleichen. Nicht nur wegen der Grössenverhältnisse, sondern auch und vor allem wegen der unterschiedlichen Geschäftsmodelle. Beide sind mit ihren Supermarkt-Formaten gut aufgestellt und verfügen über einen schweizweit einzigartig grossen „Fanclub“.

Sie haben es angesprochen – erneut gehörte der Bekleidungs- und Schuhdetailhandel zu den Verlierern. Trotzdem drängen immer mehr Anbieter und Marken auf den Markt. Was macht den Schweizer Markt für die verschiedenen Labels so attraktiv?

Martin Hotz: Es wäre vermessen, im Zusammenhang mit der Schweiz von einer „Insel der Glückseeligen“ zu sprechen. Dennoch ist unser Land für Anbieter nach wie vor ein interessantes Pflaster. Mit Ihrer Frage sprechen Sie einen sehr wesentlichen Punkt an, der nicht unkritisch ist. In der Tat stellen wir insbesondere an Top-Standorten fest, dass gerade alteingesessene, spezialisierte und oftmals Inhaber-geführte Geschäfte zunehmend von internationalen Anbietern verdrängt werden, weil sie hierzulande mit Firmen-eigenen Monolabel- oder Flagship-Stores präsent sein möchten. Dies wiederum birgt gerade mit Blick auf attraktive Innenstädte eine gewisse Gefahr der Monotonisierung mit sich. Und hier vermag auch der Umstand nur bedingt zu trösten, dass diese Entwicklung ebenfalls an so genannten 1a-Lagen im Ausland zu verzeichnen ist.

Wann kommt es zu einer Konsolidierung, oder ist diese bereits im Gange?

Martin Hotz: Wir sprechen nicht erst seit diesem Jahr von einem Ausscheidungsrennen, welches im Gang ist. Dennoch stellen wir fest, dass der Transformationsdruck zunimmt. Dies geht auch aus unseren Interviews mit führenden Handelsvertretern klar hervor. Durch den anhaltenden Rückgang der Flächenproduktivität werden stationäre Händler früher oder später gezwungen, ihre Absatzstrategie zu überdenken und/oder neue Rollen für ihre Verkaufspunkte auszuprobieren. Gerade im Non-Food-Bereich lautet das Schlüsselwort Multichannel-Retailing. Es bedeutet, dass Händler ihre Kunden sowohl in den Geschäften als auch über das Internet ansprechen, bedienen und zufriedenstellen möchten. Und wer bezüglich der Kombination von On- und Offline nicht wach ist/wird, der wird sich mittelfristig nicht halten können. Oder anders ausgedrückt: Jeder Händler muss sich der ‚digitalen Herausforderung‘ stellen. Egal ob schnell oder langsam!

«Gerade im Non-Food-Bereich lautet das Schlüsselwort Multichannel-Retailing.»

Für 2014 sind die von Ihnen für den Retail Outlook befragten Entscheidungsträger im Detailhandel zuversichtlich. Was wird im laufenden Jahr anders sein als 2013?

Marco Fuhrer: Nach den Schicksals- und Lehrjahren 2011/2012 ist eine Mehrheit der Schweizer Händler und Hersteller über die Bücher gegangen. Die sich in einem noch nie dagewesenen Tempo verändernden Rahmenbedingungen haben viele Entscheidungsträger animiert ihr Unternehmen für die Zukunft fit zu trimmen. Und diese Fitnessprogramme, welche oft auch eine Steigerung der Produktivität zum Ziel hatten, haben im Jahr 2013 erste Erfolge gebracht. Viele haben sich im abgelaufenen Jahr gut auf die sogenannte ‚neue Realität’ eingestellt. Auf diesen Erfolgen möchte man aufbauen und den Rückenwind mitnehmen ins neue Kalenderjahr. Zudem bleiben auch die Rahmenbedingungen weiterhin positiv und der Einkaufstourismus dürfte auf hohem Niveau verharren und damit nicht für zusätzliche Abflüsse ins angrenzende Ausland sorgen.

Welche Faktoren spielten eine Rolle, dass der Schweizer Detailhandel gegenüber dem Ausland an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat?

Marco Fuhrer: Hier spielen diverse Faktoren eine Rolle, welche sich aktuell alle positiv für den Schweizer Detailhandel entwickeln. Ein erster ganz wichtiger Faktor ist die Entwicklung der Konsumentenpreise in der Schweiz wie auch im angrenzenden Ausland. Während die Konsumentenpreise hierzulande, vor allem auch im Bereich Non-Food, über die vergangenen Jahre stetig und teilweise deutlich gesunken sind, haben sie sich ausserhalb der Schweiz genau in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Dadurch hat sich das Schweizer Preisniveau Schritt für Schritt an dasjenige der Nachbarländer angeglichen. Ein zweiter zentraler Faktor ist der Wechselkurs Schweizer Franken vs. Euro. Seit der Festsetzung der Kursuntergrenze von CHF 1.20 im Jahr 2011 ist der Wechselkurs leicht angestiegen bzw. der Schweizer Franken leicht schwächer geworden. Auch dies steigert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit.

Ein dritter Einflussfaktor ist zudem die im Detailhandel gesteigerte Produktivität, welche den Händlern die Möglichkeit gibt, die Konsumentenpreise teilweise deutlich zu senken. Auch wenn man bezüglich Preis kompetitiver geworden ist so gibt es auf Basis einer Warenkorbanalyse je nach Bereich teilweise noch erhebliche Differenzen. 2013 war das Preisniveau von Lebensmitteln (ohne alkoholische Getränke) in der Schweiz schätzungsweise noch 37% höher als der Durchschnitt der umliegenden Euro-Länder.

«Denn wenn auch immer alle vom Preis sprechen, so müssen wir feststellen, dass die Konsumenten die tatsächlichen Preise, auch von häufig eingekauften Produkten/Artikeln wie beispielsweise Brot, gar nicht kennen.»

Wie wirkt sich dies auf den Einkaufstourismus aus?

Marco Fuhrer: Wie bereits erwähnt gehen wir davon aus, dass der Einkaufstourismus auf einem hohen Niveau verharren wird. Denn wenn auch immer alle vom Preis sprechen, so müssen wir feststellen, dass die Konsumenten die tatsächlichen Preise, auch von häufig eingekauften Produkten/Artikeln wie beispielsweise Brot, gar nicht kennen. Die grosse Mehrheit der Shopper in der Schweiz orientiert sich an – teilweise veralteten bzw. überholten – Preisimages. So haben beispielsweise nur gerade 15% der von Nielsen Schweiz befragten Konsumenten anfangs 2013 die Meinung vertreten, dass die Preise für Lebensmittel im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind, während die Detailhändler und ihre Lieferantenpartner im gleichen Zeitraum mehrere Millionen Schweizer Franken in tiefere (Lebensmittel-)Preise investiert haben. Es wird vor diesem Hintergrund mehrere Jahre brauchen bis die Schweizer Einkaufstouristen bemerkt haben, dass sich der Einkauf ennet der Grenze je länger desto weniger lohnt. Diese neue Gewohnheit verschwindet nicht über Nacht.

Man spricht viel vom mündigeren Kunden, der sich zum Beispiel zuerst im Internet über ein Produkt informiert und es erst dann im Geschäft kauft – oder eben online bestellt. Welche Ansprüche haben denn die Konsumenten heute?

Marco Fuhrer: Konsumenten verhalten sich total ‚menschlich’. Sie suchen Topprodukte zu Toppreisen. Während es früher bzw. vor der digitalen Revolution nur bedingt möglich war Produkte bezüglich Qualität, Preis etc. im In- geschweige denn im Ausland miteinander zu vergleichen, so kann heute jeder Besitzer eines Smartphones oder Tablets sogar im Laden selbst alle nur erdenklichen Vergleiche vornehmen. Diese Mündigkeit führt dazu, dass viele Konsumenten kritischer und anspruchsvoller geworden sind bzw. werden. Nichtsdestotrotz suchen noch immer viele Shopper nach dem optimalen Preis-Leistungsverhältnis und nicht nur nach dem möglichst tiefen Preis. In der Schweiz besteht nach wie vor ein überdurchschnittliches Qualitätsdenken. Wer also Topprodukte mit Topdienstleistungen anbieten kann und dies erste noch zu einem guten Preis, der wird sich auch in Zukunft zu den Gewinnern zählen dürfen.

«In der Schweiz besteht nach wie vor ein überdurchschnittliches Qualitätsdenken.»

Was bedeutet das für die Anbieter?

Marco Fuhrer: Die kommenden Jahre werden zeigen, wer sich gut auf die Ansprüche und Bedürfnisse der Konsumenten eingestellt hat und wer nicht. Denn wir gehen davon aus, dass sich das bereits erwähnte Ausscheidungsrennen weiter akzentuieren wird. Wer kein gutes Preis-Leistungsverhältnis anbieten kann wird Mühe bekommen. Es geht also wie eben dargestellt nicht nur um den Preis, auch wenn dieser ständig im Fokus ist. Viele legen auch grössten Wert auf gute Beratung und hilfreiche Dienstleistungen und sind sogar bereit hierfür etwas zu bezahlen. Damit steigen auch die Anforderungen an die Angestellten auf allen Stufen im Schweizer Detailhandel. Es genügt heute nicht mehr, dass das Verkaufspersonal primär für die Verkaufsbereitschaft auf der Fläche eingesetzt wird. Die Kunden suchen viel mehr nach kompetenten Gesprächspartnern bzw. Beratern. Denn durch die teilweise sehr detaillierte Einkaufsvorbereitung beispielsweise im Internet sind die Konsumenten heute viel besser informiert als noch vor wenigen Jahren und wichtige Kaufentscheide (z.B. Marke) sind teilweise bereits vor dem Betreten des Ladens gefällt worden. Wer hier also nicht auf Augenhöhe mitdiskutieren bzw. beraten kann wird Mühe bekommen. Es braucht also zwingend gut ausgebildete Fachkräfte.

«Die Anforderungen an die Mitarbeitenden nehmen laufend zu, sowohl qualitativ als auch punkto Flexibilität.»

Die Branche hat aber Mühe, Fachkräfte für sich zu gewinnen. Weshalb?

Martin Hotz: Der Detailhandel ist mit 320’000 Beschäftigten, rund 8% davon Lernende, die drittgrösste Arbeitgeberbranche und der grösste Lehrlingsausbilder der Schweiz. Die Mitarbeitenden sind für den Erfolg in dieser kundenbezogenen und arbeitsintensiven Branche absolut zentral. Die Anforderungen an die Mitarbeitenden nehmen laufend zu, sowohl qualitativ als auch punkto Flexibilität. Für Stellensuchende ist diese Branche allerdings leider oft nur zweite Wahl oder sogar eine reine Notlösung. Aus unserer Befragung geht hervor, dass heute schon rund ein Drittel aller Unternehmen die gestiegenen Anforderungen Mitarbeiter-seitig nicht oder nicht mehr entsprechend abdecken kann. Bei der Rekrutierung von Fachkräften mit Berufslehre beispielsweise bekunden 13% der Unternehmen im Handel heute schon Mühe. Wenn man zusätzlich bedenkt welche Herausforderungen der demografische Wandel für die Arbeitswelt mit sich bringt, dann ist klar, dass sich der Fachkräftemangel beziehungsweise der „War for Talents“ weiter zuspitzen und die Branche nachhaltig beschäftigen wird.

Welche Lösungs-Ansätze sollten die Händler in Betracht ziehen?

Martin Hotz: Das oberste Ziel für die Unternehmen besteht auch nach Auffassung der interviewten Unternehmensvertreter im Auf- und Ausbau der eigenen Attraktivität als Arbeitgeber und dem damit verbundenen ‚Employer Branding‘. Hier ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich die Arbeitgeber beispielsweise im Internet gegenüber potenziellen Ausbildungs- und Stellensuchenden möglichst attraktiv präsentieren und positionieren. Des Weiteren sind Massnahmen im Bereich der Mitarbeiterentwicklung gefragt, d.h. also im Bereich Aus- und Weiterbildung. Kurzum geht es um die Unternehmensführung und -kultur. Beispiele aus dem internationalen Retail-Umfeld machen deutlich, dass ein exzellenter Mitarbeiter mit und dank entsprechender Leidenschaft drei gute Mitarbeiter ersetzen kann. Und auch das geschickte Zusammenstellen von altersgemischten Teams dürfte vor dem beschriebenen Hintergrund in Zukunft an Bedeutung zunehmen. – Übergeordnet, d.h. firmenübergreifend, tut die Branche gut daran, sich im Kampf um Talente als Ganzes zu positionieren und ihre (Attraktivitäts-)Vorteile entsprechend zu kommunizieren. So wie dies andere Branchen wie beispielsweise der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM (mit der Kampagne „Der Schreiner – Ihr Macher“) bereits mit Erfolg praktizieren.

«Die Einwanderung von geschätzten 80‘000 Personen ist aktuell abgesehen von der Stabilität im Schweizer Arbeitsmarkt eine oder sogar die wichtigste Stütze für die Branche.»

Der Online-Handel weist beeindruckende Wachstumsraten auf. In welchen Handelsbereichen wird sich der Anteil der Online-Ausgaben weiter erhöhen, wo wird eher eine Stagnation zu verzeichnen sein?

Marco Fuhrer: Alle Bereiche müssen sich auf höhere Anteile einstellen. Um den Online-Franken im eigenen Unternehmen halten zu können setzen daher viele Händler auf Multi- oder Cross-Channeling. Man möchte also in der On- und Offlinewelt präsent sein und so dem Konsumenten in der von ihm gewünschten Welt begegnen. Selbstverständlich sind nicht alle Bereiche im selben Ausmass von dieser Entwicklung betroffen. Während die Anteile im Food noch sehr bescheiden sind – wenn auch teilweise zweistellig wachsend – so liegen diese bei den Büchern/Medien auf einem bereits heute sehr hohen Niveau. Die Wachstumsraten werden sehr stark von den Anbietern selbst beeinflusst. Einerseits werden die Möglichkeiten, sich Produkte im Internet zu bestellen Jahr für Jahr vielfältiger und Kunden-freundlicher, andererseits ist der stationäre Handel aber auch sehr daran interessiert, dass er in seinen Verkaufspunkten die persönliche Interaktion mit den Kunden aufrechterhalten kann. Ob die On- oder die Offlinehändler dieses Seilziehen mittelfristig für sich entscheiden können wird sich zeigen. Sicher ist, dass kurzfristig der Onlinehandel stärker zulegen wird.

Letzte Frage: Der Detailhandel hat in den letzten Jahren stark von der Zuwanderung in die Schweiz profitiert. Was würde es für den Handel bedeuten, wenn die verschiedenen politischen Initiativen zur Einschränkung der Einwanderung erfolgreich wären?

Marco Fuhrer: Die Einwanderung von geschätzten 80‘000 Personen ist aktuell abgesehen von der Stabilität im Schweizer Arbeitsmarkt eine oder sogar die wichtigste Stütze für die Branche. Vor dem Hintergrund der Preiserosion in den vergangenen Jahren wäre die nominale Umsatzentwicklung ohne diese zusätzliche Nachfrage deutlich schlechter ausgefallen. Und auch so sprechen wir von stagnierenden Umsätzen. Mit anderen Worten: Der Schweizer Detailhandel wäre ohne die zusätzlichen, bisher meist überdurchschnittlich konsumierenden Personen schon länger am schrumpfen. Und dies hätte nicht nur für den Detailhandel und dessen Lieferantenpartner gravierende Folgen, sondern auch für die gesamte Schweizer Volkswirtschaft.

Herr Hotz, Herr Fuhrer – herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person:

Martin Hotz trat nach einer kaufmännischen Grundausbildung und einem Studium als Betriebsökonom HWV vor über 20 Jahren in die Beratung ein. 1996 absolvierte er den Lehrgang „System-Marketing“ am Forschungsinstitut für Absatz und Handel an der Hochschule St. Gallen. Hotz, Partner und Mitinhaber von Fuhrer & Hotz – Excellence in Retailing, ist zudem Mitbegründer und -inhaber des Schweiz. Marketing-Forums, einer Aus- und Weiterbildungsplattform für Handel und Industrie. Zu den Schwerpunkten von Martin Hotz gehören unter anderem die Shopper-/ Verhaltensforschung am POS („Aus Shoppern Käufer machen“) sowie Mikro-Marketing-Projekte. Er ist Verfasser von zahlreichen Studien und Publikationen in Marketing- und Vertriebsthemen innerhalb des Detailhandels und Co-Autor der jährlich erscheinenden Dokumentation „Retail Outlook“ der Credit Suisse.

Marco Fuhrer ist studierter Betriebsökonom FH und hat sich in den vergangenen 15 Jahren als Marketingkoordinator bei den Globus-Warenhäusern, als Marketingberater bei Nielsen Schweiz sowie als Trade Marketing Manager und Mitglieder der Geschäftsleitung von Barilla Schweiz ein umfangreiches nationales und internationales Know-how angeeignet. Mit diesem Background begleitet und berät er seit dem Jahr 2006 als Partner und Mitinhaber von Fuhrer & Hotz – Excellence in Retailing namhafte Detail- und Grosshändler sowie deren Lieferantenpartner schwerpunktmässig im Bereich Trade Marketing (POS-Marketing / Category Management) und Customer Journey Optimierung (Verhaltensforschung am POS). Zudem ist Marco Fuhrer Verfasser diverser Studien und Fachberichte und Dozent an einer Hochschule.

Fuhrer & Hotz – Excellence in Retailing

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert