Alois Bischofberger, Chefökonomen der Credit Suisse Group: «Die Wachstumsunterschiede zwischen den USA und der EU werden zunächst noch gross bleiben»

Alois Bischofberger, Chefökonomen der Credit Suisse Group: «Die Wachstumsunterschiede zwischen den USA und der EU werden zunächst noch gross bleiben»

Von Andreas Thomann, emagazine

Andreas Thomann: Herr Bischofberger, nach einem erfreulichen 2004, wo die Schweizer Wirtschaft ein Wachstum von 2,1 Prozent verzeichnete, wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) in diesem Jahr wohl nur um 1,4 Prozent zulegen. Was bringt das kommende Jahr?

Alois Bischofberger: Wir erwarten ein Wachstum von 1,7 Prozent des BIP, also eine Beschleunigung gegenüber dem laufenden Jahr. Zudem wird die Konjunktur breiter abgestützt sein.

«Die amerikanische Leistungsbilanz verzeichnet schon seit Jahren ein sehr hohes Defizit, dessen Finanzierung mit der Zeit zu Problemen führen könnte. Wir haben auf der andern Seite relativ wenig Wachstum in der Europäischen Währungsunion (EWU). Damit bleibt die Weltwirtschaft abhängig von der Konjunktur in den Vereinigten Staaten.» Alois Bischofberger, Chefökonom der Credit Suisse Group


Wie gross ist die Hoffnung, dass Sie zu pessimistisch sind mit Ihrer Prognose?

Hoffen darf man immer. Ich glaube jedoch nicht, dass wir viel höhere Wachstumsraten erreichen werden. Denn es gilt diverse Risiken zu berücksichtigen. Risiken, die beispielsweise vom Ölpreis ausgehen, dessen Entwicklung schwer voraussehbar ist. Dazu kommen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft.

An welche Ungleichgewichte denken Sie konkret?

Die amerikanische Leistungsbilanz verzeichnet schon seit Jahren ein sehr hohes Defizit, dessen Finanzierung mit der Zeit zu Problemen führen könnte. Wir haben auf der andern Seite relativ wenig Wachstum in der Europäischen Währungsunion (EWU). Damit bleibt die Weltwirtschaft abhängig von der Konjunktur in den Vereinigten Staaten. Die Wachstumskräfte sind also immer noch sehr einseitig verteilt.


Die Exporte waren in den letzten Jahren oftmals der einzige Wachstumsmotor der Schweiz. Wird das auch 2006 nicht anders sein?

Die Exporte werden eine treibende Kraft der Konjunktur bleiben. Sie waren 2004 sehr stark, aber auch im laufenden und im kommenden Jahr werden die Zuwachsraten beachtlich sein. Die Dynamik gründet vor allem auf stark zunehmende Exporte in aufstrebende Volkswirtschaften ? etwa in die OPEC-Länder, die vom hohen Ölpreis profitieren, in osteuropäische Schwellenländer und in die stark wachsenden angelsächsischen Volkswirtschaften.


Welche Exportbranchen werden vor allem profitieren?

Es sind vor allem Branchen mit hoher Wertschöpfungsintensität, wie Pharma, Chemie, Präzisionsinstrumente, optische Geräte, Teile der Maschinenindustrie, Telekommunikation. Auch der Ausländertourismus legt zu.


Was erwarten Sie für die übrigen Komponenten des Bruttoinlandprodukts?

Wir gehen davon aus, dass der private Konsum eine solide Stütze der Konjunktur bleiben wird. Wir rechnen ferner damit, dass die Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen zunehmen werden, weil die Kapazitätsauslastung steigt, die Ertragslage gut ist, die Zinsen immer noch tief sind und ein Bedarf an Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen besteht. Und wir rechnen mit einer Konsolidierung bei den Bauinvestitionen.


Deutschland ? unser wichtigster Absatzmarkt ? hat ähnliche Wachstumsprobleme wie wir. Könnte der Ausgang der jüngsten Parlamentswahlen neue Impulse bringen?

Das wäre wünschenswert, doch die Vorzeichen stehen nicht günstig. Ich erwarte, dass effektive Reformen nur zögerlich durchgeführt werden und dass sehr viele Kompromisse eingegangen werden, so dass die Liberalisierung der Märkte nicht so rasch voranschreitet, wie das wünschbar wäre.


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Wenn nicht Deutschland, wer in Westeuropa könnte denn die Rolle einer Wachstumslokomotive in Westeuropa übernehmen?

Es ist ja nicht nur Deutschland, das ein geringes Wachstum aufweist, sondern auch Italien ? die drittgrösste Volkswirtschaft in der EWU. Es sind vor allem einige kleinere europäische Volkswirtschaften, die überdurchschnittlich wachsen. Aber die treibenden Kräfte müssten natürlich die grossen Volkswirtschaften sein.  Dagegen gewinnt Japan erfreulicherweise an Dynamik: Die vergangenen Wahlen haben die Reformbereitschaft unterstrichen. Somit dürfte Japan im globalen Wachstum eine grössere Rolle spielen als in den vergangenen Jahren.


Und wie sind die Perspektiven für den übrigen asiatischen Raum?

Sie sind gut. Die beiden bevölkerungsreichsten Volkswirtschaften Asiens ? China und Indien ? werden nach wie vor überdurchschnittliche Wachstumsraten erzielen. Einige kleinere aufstrebende Volkswirtschaften in der Region dürften auch gut abschneiden. Asien wird, wie schon in den vorangegangenen Jahren, einen erheblichen Anteil zum weltwirtschaftlichen Wachstum leisten. Unter den aufstrebenden Regionen sollten wir Osteuropa nicht vergessen, das an Dynamik gewinnt und die auch einen erfreulichen Wachstumsbeitrag leisten wird.


Die USA erwiesen sich in den letzten Jahren stets als Wachstumslokomotive für die Weltwirtschaft. Werden sie diese Rolle auch weiterhin inne haben?

Ich denke schon. Wir müssen damit rechnen, dass die Wachstumsunterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Wahrungsunion zunächst noch gross bleiben.


Wie stark wird sich der Hurrikan Katrina als Dämpfer für die amerikanische Konjunktur auswirken?

Der Einfluss von Katrina wird vor allem im zweiten Halbjahr 2005 ? also jetzt ? spürbar sein, in Form von Produktionsunterbrüchen und einer Abschwächung des privaten Konsums. Aber im nächsten Jahr, wenn der Wiederaufbau beginnt, wenn die Infrastrukturen wieder in Stand gestellt werden, wenn aufgestauter Konsumbedarf gedeckt wird, dürfte sich die Konjunktur wieder beschleunigen. Wir rechnen damit, dass die gegenwärtige Wachstumsschwäche im kommenden Jahr kompensiert, wenn nicht sogar überkompensiert wird.


Bleibt noch der Ölpreis als grosse Unbekannte. Muss man sich auf weitere Steigerungen gefasst machen?

Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis mittelfristig nicht auf diesem hohen Niveau verharren wird. Ob er vorübergehend nochmals ansteigt, ist schwer vorauszusagen. Aber wir denken doch, dass er im nächsten Jahr eher im Bereich von 55-60 Dollar je Fass liegen wird als auf einem Niveau von 70 Dollar je Fass oder sogar darüber. Eine gewisse Entspannung ist also zu erwarten, doch wir werden nicht mehr die früheren Preise von 20 ?30 Dollar je Fass erreichen.









Dieser Artikel wurde Moneycab
freundlicherweise von der
Redaktion Emagazine zur Verfügung gestellt

www.emagazine.ch

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