Alois Vinzens, CEO Graubündner Kantonalbank

von Patrick Gunti


Herr Vinzens, die Graubündner Kantonalbank GKB hat 2008 einen Reingewinn von 183,3 Mio. Fr. (+14,1 %) und einen um knapp 10 % tieferen Bruttogewinn von 197,1 Mio. Franken erreicht. Die Dividende soll um 3 auf 32 Franken erhöht werden, die Ausschüttungen an den Kanton steigen von 66 auf 72,6 Mio. Franken. Wie werten Sie das Resultat?


Insgesamt bewerten wir das Ergebnis 2008 mit gut – in einzelnen Komponenten sogar mit sehr gut. In einem schwierigen Umfeld haben wir unsere strategischen Zielsetzungen bezüglich Rentabilität, Produktivität und Nettowachstum erreicht oder übertroffen. 


Die Finanzkrise war und ist das beherrschende Thema. Wie würden Sie das Umfeld beschreiben, in dem sich die GKB im vergangenen Jahr bewegt hat?


Die grosse Verunsicherung bei den Kundinnen und Kunden aufgrund einer noch nie da gewesenen Vertrauenskrise in die Finanzsysteme hat auch uns gefordert. Auf der einen Seite konnte die Graubündner Kantonalbank von ihrem defensiven und transparenten Geschäftsmodell profitieren und neue Kundschaft gewinnen. Auf der anderen Seite machte sich auch bei uns die sich verschlechternde Marktentwicklung bemerkbar und stellte grosse Anforderungen an das Riskmanagement – insbesondere in der Bewirtschaftung der hohen Liquidität.


Der Netto-Neugeldzufluss der GKB hat sich innerhalb eines Jahres fast verfünffacht. Der Geldabfluss bei den Grossbanken einerseits und der Zufluss bei den Kantonal­banken andererseits war erwartet worden, hat Sie das Ausmass aber nicht dennoch überrascht?


Das Ausmass hat uns überrascht – und zeigt eindrücklich das Bedürfnis der Kundinnen und Kunden nach Sicherheit und Transparenz.nbsp;


Nach Aussagen von CFO Andreas Lötscher rechnet die GKB im laufenden Jahr mit Nettoneugeldern von 300 Mio. Franken. Ist das nicht eine sehr defensive Schätzung?


Wir müssen realistischerweise damit rechnen, dass ein Teil der Zuflüsse im letzten Jahr – insbesondere bei den institutionellen Kunden – nicht nachhaltig ist. Mit der Schätzung von CHF 300 Mio. berücksichtigen wir diesen potenziellen Abfluss und liegen damit im Rahmen des Vorjahres. 


«Wir müssen realistischerweise damit rechnen, dass ein Teil der Zuflüsse im letzten Jahr – insbesondere bei den institutionellen Kunden – nicht nachhaltig ist.»


Das Wachstum des Kundenvermögens betrug trotz Börsenbaisse 6,2 %. Wie ist der Zufluss an neuen Kundenvermögen verteilt?


Der Netto-Neugeldzuwachs von CHF 1.7 Mrd. verteilt sich mit CHF 837 Mio. auf Privatkunden, mit CHF 368 Mio. auf Geschäftskunden und mit CHF 688 Mio. auf institutionelle Kundschaft  und externe Vermögensverwalter. 

Die Kundenausleihungen nahmen ebenfalls deutlich und über dem langjährigen Mittel zu. Wie entwickelte sich die Kreditvergabe an Geschäftskunden?


Die Kundenausleihungen weisen mit 5.2% einen ausserordentlichen Zuwachs aus. In der Vergangenheit betrug der Zuwachs jeweils rund 3%. Während die Kredite an Privatkunden im Jahresvergleich keine grossen Veränderungen erfuhren, ist das Kreditvolumen an Geschäftskunden mit CHF 392 Millionen um über CHF 200 Millionen stärker angestiegen als im Jahr 2007. Wir haben der Wirtschaft einen beachtlichen Teil der zugeflossenen Liquidität wieder in Form von Krediten zur Verfügung gestellt.


Die Wirtschaftskrise schlägt immer stärker durch  und lässt kaum eine Branche und kaum eine Region unberührt. Wie stellt sich für Sie die Situation im Kanton Graubünden dar?


Auch Graubünden wird sich den wirtschaftlichen Entwicklungen nicht entziehen können. Wir rechnen im Verlaufe des Jahres mit einer deutlichen Verlangsamung. Konjunktursensitive exportorientierte Betriebe sind bereits stark betroffen. Der Tourismus ist zwar gut ins neue Jahr gestartet, wir erwarten aber auch hier eine Verlangsamung im Verlaufe des Jahres. Die Graubündner Kantonalbank konnte den Anteil an gefährdeten Positionen auf ein Minimum senken und geht damit gut gerüstet in den erwarteten Konjunkturabschwung.


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Das Zinsengeschäft konnte auf hohem Niveau  nochmals um 3 Mio. auf 252,8 Mio. Franken gesteigert werden. Welches waren die Erfolgsfaktoren?


Das erfreuliche Wachstum bei den Kundenausleihungen und Kundengeldern sowie das Bilanzstruktur-Management beeinflussten den Erfolg aus dem Zinsengeschäft positiv. Als Folge davon konnte das Zinsergebnis nochmals gesteigert werden.


Der GKB-Partizipationsschein hat sich 2008 mit einem Minus von 2,5 % wesentlich besser als der gesamtschweizerische Markt geschlagen und weist im Vergleich der Kantonalbanken eine durchschnittliche Performance auf. Wie werten Sie diese Entwicklung und welchen Gewinn erwarten Sie 2009 nach den 73,30 Franken je PS im letzten Jahr?


Das Ergebnis der Graubündner Kantonalbank ist durch Stabilität und Kontinuität geprägt. Die begrenzten Kursphantasien im Aufwärtstrend wirken natürlich umgekehrt positiv auch in einer Baisse. Die starke Eigenkapitalausstattung der GKB hat sicher auch zur PS-Entwicklung positiv beigetragen. 2009 wird sich der Druck auf die Zinsmarge intensivieren. Die Kreditrisiken dürften im Rahmen der wirtschaftlichen Verlangsamung zunehmen. Wir erwarten für das Jahr 2009 den Gewinn je PS bei zirka CHF 70,00.


Welche Erwartungen hegen Sie für das laufende Geschäftsjahr? Wo setzen Sie die Schwerpunkte und wie sicher sind Prognosen in diesen schwierigen Zeiten?


Das traditionelle Bankgeschäft wird von verschiedenen Finanzinstituten neu entdeckt. Wir gehen deshalb von einem härteren Wettbewerb bei den guten Risiken aus. Also setzen wir weiterhin einen starken Schwerpunkt in der Beratung,  um mit unserem Best-Service-Ansatz nun bewusst auch das neu gewonnene Kundenvermögen langfristig an die Bank zu binden. Im aktuellen Umfeld sind verlässliche, stichhaltige Prognosen kaum möglich, was auch entsprechende Herausforderungen an die strategische Führung der Bank stellt. Deshalb denken wir in der Planung vermehrt noch in Szenarien und Optionen.


Aus der Finanzkrise ist längst eine globale Wirtschaftskrise geworden. Wie überrascht sind Sie vom Ausmass und den Folgen der Finanzkrise?


Die weltweite Vernetzung – mit den daraus entstandenen Abhängigkeiten und der zunehmenden Komplexität – und die Gefahr von Marktübertreibungen sind schon lange ein Thema. Das Ausmass der Entwicklungen,  der unerwartete Dominoeffekt und vor allem das Tempo haben uns alle überrascht.


«Die Nationalbank hat in einer schwierigen Zeit in Zusammenarbeit mit dem Bund und der FINMA das getan, was sie tun musste, um die Stabilität unseres Finanzplatzes sicher zu stellen.»


Wie beurteilen sie die Unterstützung der Schweizer Nationalbank für die UBS?


Die Nationalbank hat in einer schwierigen Zeit in Zusammenarbeit mit dem Bund und der FINMA das getan, was sie tun musste, um die Stabilität unseres Finanzplatzes sicher zu stellen. Die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen werden wir umfassend  erst in einigen Jahren beurteilen können. Kurzfristig betrachtet war die Intervention sicher richtig.


Im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Monate  werden Rufe nach mehr Regulierung der Finanzindustrie laut. Wie ist Ihre Meinung dazu?


Die Finanzindustrie ist bereits heute stark reguliert. Finanzkrisen können nicht mit einer Flut von Regeln aus der Welt geschaffen werden. Im Gegenteil: Die Finanzkrise zeigt sogar auf, dass die Gefahr besteht, dass Regulierungen zu falscher Sicherheit führen können. Was wir in den Unternehmungen in Zukunft primär brauchen, ist eine Kultur und Ethik, welche sich an nachhaltigen Werten orientiert – zum Wohle aller Anspruchsgruppen – von Kundinnen und Kunden, Investoren, Mitarbeitenden und der Öffentlichkeit.


Herr Vinzens, herzlichen Dank für das Interview.





Zur Person:


Alois Vinzens, 1959
Lic. oec. HSG
Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO); Leiter Geschäftseinheit Corporate Center


Ausbildung, berufliche Tätigkeit:
– Eidg. dipl. Wirtschaftsprüfer
– von 1997 bis 2001 Mitglied der Geschäftsleitung
– 2001 Harvard Business School, AMP
– 2001/2002 Swiss Re New York
– seit 01.02.2003 CEO


Zum Unternehmen:


Die 1870 gegründete Graubündner Kantonalbank bietet alles, was eine moderne Universalbank ausmacht – für Privatpersonen, die Wirtschaft und die öffentliche Hand. Mit einer umfassenden Dienstleistungspalette, attraktiven Arbeitsplätzen, einem fortschrittlichen Weiterbildungsangebot und einem ausgewogenen Value Management trägt sie den Bedürfnissen von Kunden, Mitarbeitenden, Investoren, Eigentümern und Öffentlichkeit Rechnung. Dabei fordert der grosse, weit verzweigte und mehrsprachige Kanton Graubünden
flexible, innovative und umfassende Lösungen und Dienstleistungen an 74 Standorten. Das stellt hohe Ansprüche punkto Professionalität und verlangt einen freundlichen und kompetenten Service. Massgeschneidert und kundennah vor Ort – ob im Hauptsitz in Chur, oder in den neun verschiedenen Regionen. In weltbekannten Ferienorten wie St. Moritz und Davos, genauso wie in kleinen, malerischen Gemeinden, die Graubünden attraktiv machen. Die GKB verfügt zudem über strategische Beteiligungen an der Privatbank Bellerive
und an der Private Client Bank (Family Office) in Zürich. Im Verbund mit diesen beiden Partnern und mit dem eigenen Private Banking erfüllt die Graubündner Kantonalbank auch die Bedürfnisse einer anspruchsvollen Kundschaft nach Private Banking-Dienstleistungen auf hohem Niveau.

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