BenQ Mobile wird zerschlagen – letzter Interessent abgesprungen

«Der letzte Interessent hat abgewunken, es gibt keine realistische Chance mehr, dass man das Unternehmen als Ganzes verkaufen kann», sagte eine Sprecherin von Insolvenzverwalter Martin Prager am Samstag der dpa in München. Die Gläubiger wurden bereits darüber informiert, dass sich auch die allerletzten Hoffnungen auf die Rettung von grösseren Teilen des Unternehmens zerschlagen haben. Mit der bevorstehenden Abwicklung gehen fast alle Arbeitsplätze verloren. Die meisten Beschäftigten der ehemaligen Siemens-Handysparte sind bereits in Auffanggesellschaften gewechselt oder haben sich einen neuen Job gesucht.


Interessenten scheuten vor einer Übernahme
Das Insolvenzverfahren war zum Jahreswechsel offiziell eröffnet worden, drei Monate nachdem der taiwanesische BenQ-Konzern seiner deutschen Tochter den Geldhahn zugedreht hatte. Insolvenzverwalter Prager führte Verhandlungen mit Dutzenden von Interessenten. Alle scheuten am Ende aber vor einer Übernahme des Handy-Geschäfts zurück, an dem schon der Siemens-Konzern gescheitert war.


Kritik an Insolvenzverwalter Prager
Arbeitnehmervertreter bedauerten das endgültige Aus für BenQ Mobile. Das Risiko zur Fortführung des Geschäfts sei berechenbar gewesen, erklärte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer. «Aber Politiker, die zwar viel versprochen, aber wenig gehalten haben, Banken mit geringer Risikobereitschaft und ein konservativ und vorsichtig agierender Insolvenzverwalter waren nicht in der Lage, das Unternehmen zu retten.» Auch aus Kreisen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gab es laut einem Zeitungsbericht Kritik an Prager. Die «Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung» (NRZ) zitierte aus Kreisen der NRW-Landesregierung, Prager hätte in den Verhandlungen mit möglichen Investoren «früher zuschlagen müssen». Er habe aber zu viel herausholen wollen.


Fast 3000 Arbeitsplätze verloren
Nun sind fast alle der ehemals mehr als 3000 Arbeitsplätze des Unternehmens in der Zentrale in München sowie in den Betriebsstätten in Kamp-Lintfort und Bocholt in Nordrhein-Westfalen verloren. Derzeit sind in München noch einige Beschäftigte beispielsweise mit der Bearbeitung von Forderungen und der Erstellung von Zeugnissen beschäftigt. Die Handy-Produktion in Kamp-Lintfort war dagegen bereits vor einigen Wochen stillgelegt worden.


Schwere Fehler des Siemens-Managements
Die IG Metall erklärte, die Hauptursache für das endgültige Aus seien schwere Fehler des Siemens-Managements in früheren Jahren. Deutschlands grösster Elektrokonzern habe in seiner Handysparte wichtige Entwicklungen verschlafen. «Innovative neue Handys waren bis zur Marktreife entwickelt, sind aber durch falsche und zu langsame Entscheidungen des Managements nie oder viel zu spät in Serie gegangen.» Von diesen Fehlentscheidungen habe sich die Sparte auch nach dem Verkauf an BenQ nicht mehr erholt. Siemens verwies darauf, dass der Konzern die Beschäftigungsgesellschaften in Bayern und NRW finanziell unterstütze und vielen BenQ-Mobile-Beschäftigten einen neuen Job bei Siemens verschafft habe.


BenQ Corp. drehte Geldhahn zu
Der taiwanesische Elektronikkonzern BenQ Corp. hatte die frühere Siemens-Handysparte 2005 einschliesslich einer Mitgift von mehreren hundert Millionen Euro übernommen. Nach Umsatzrückgängen und weiteren Marktanteilsverlusten drehte die neue Mutter der Tochter aber rund ein Jahr später den Geldhahn zu. Ende September vergangenen Jahres meldete BenQ Mobile Insolvenz an. Die Pleite löste auch massive Proteste gegen Siemens in der Öffentlichkeit und bei den Beschäftigten aus. Zuletzt seien nur noch einige wenige Interessenten übrig gewesen, sagte die Sprecherin Pragers, nannte aber weder Namen noch Details. Es sei bereits absehbar gewesen, dass es keine Aussichten mehr auf eine Rettung des Unternehmens gebe. Bayerns IG-Metall-Chef Neugebauer klagte: «In unverantwortlicher Art und Weise wurden den Beschäftigten durch Äusserungen von angeblichen potenziellen Investoren in der Öffentlichkeit immer wieder Hoffnungen auf den Erhalt von Arbeitsplätzen gemacht, ehe sich diese Glücksritter einer nach dem anderen sang- und klanglos aus dem Staub gemacht haben.»


Mangel an Risikobereitschaft bei Investoren und Banken
Franz Tölle von der IG-Metall NRW sagte: «Wir bedauern den Mangel an Risikobereitschaft bei den Investoren und Banken. Er führt dazu, dass eine hochkomplexe, mit hohen Potenzialen versehene Technologie für Deutschland verloren geht.


BenQ Mobile in seinen Einzelteilen verwerten
Die «Süddeutsche Zeitung» (Samstag) berichtete, der Insolvenzverwalter wolle BenQ Mobile nun in seinen Einzelteilen verwerten, nachdem er dafür vom Gläubigerausschuss bei einer schriftlichen Abstimmung die erforderliche Mehrheit bekommen habe. Der Insolvenzverwalter werde nun alles veräussern, von den Werkshallen bis zu den Schreibtischen. Laut Insolvenzgutachten stünden einem geschätzten Vermögen von 310 Millionen Euro Verbindlichkeiten von 883 Millionen Euro gegenüber. (awp/mc/ab)

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