Bern warnt vor illegalen Steuerdaten – Berlin uneins

«Das ist alles sehr spekulativ.» Zugleich sandte die Bundespräsidentin klare Signale in Richtung Berlin: «Generell halten wir es für ziemlich schwierig, wenn ein Rechtsstaat illegale Daten verwendet.» In die gleiche Kerbe schlug Leuthards Regierungskollege Ueli Maurer. Sein Vertrauen in Deutschland würde erschüttert, wenn sich der deutsche Staat dafür hergeben würde, «für geklaute Daten zu bezahlen», sagte der Verteidigungsminister am Rande des WEF in Davos. Leuthard und Maurer reagierten auf Berichte, wonach dem deutschen Fiskus eine CD mit den Daten von 1500 Deutschen angeboten wurde, die ihr Geld womöglich schwarz in der Schweiz angelegt haben. Für die Daten verlangt der Mann 2,5 Mio EUR. Dafür könnte sich der Staat zusätzliche Einnahmen von 100 Mio EUR sichern.


Steuerverfahren Sache der Bundesländer
Berliner Kreise haben die Geschichte im Grundsatz bestätigt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war selber noch nicht mit der Geschichte beschäftigt. Er wäre für den Kauf der Daten auch gar nicht zuständig, denn Steuerverfahren sind Sache der Bundesländer. In wichtigen Fällen kann der Bund aber einbezogen werden. So oder so ist der Datenkauf heiss umstritten. Die oppositionelle SPD drängt die Regierung zum Deal: «Niemand würde verstehen, wenn Schäuble sich weigert, die Straftäter zu überführen», sagte eine Parteisprecherin. So sah es einst auch der SPD-Finanzminister Peer Steinbrück, der vor zwei Jahren den Kauf gestohlener Liechtenstein-Daten absegnete.


Diebe nicht belohnen
Die jetzige Bundesregierung hat aber mehr Skrupel. CDU-Politiker warnten davor, «Diebe zu belohnen». Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte in Davos, er habe «persönlich ein Problem damit, wenn man für etwas, das auf rechtlich fragwürdigem Wege in jemandes Besitz gelangt ist, Geld ausgibt». Unterstützung erhielt er vom Bundesdatenschutzbeauftragten: Er zweifle an der Rechtmässigkeit eines solchen Geschäfts, sagte Peter Schaar. Zudem wäre es «völlig inakzeptabel, wenn sich Rechtsstaaten untereinander einen Wettlauf um illegale Daten liefern würden.»


Kontraproduktive Ausiwrkungen auf DBA-Verhandlungen
DBADerselben Meinung ist die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg). Sollte es sich tatsächlich um einen Datendiebstahl handeln, dürfe sich die deutsche Regierung nicht zum Hehler von Diebesgut machen, mahnte SBVg-Sprecher Thomas Sutter. Vielmehr seien die Daten dem Eigentümer zurückzugeben und der Dieb strafrechtlich zu verfolgen. Die Bankiers erinnern auch an die laufenden Verhandlungen beider Länder um ein neues Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Sollte die Schweiz unter Druck gesetzt werden, könnte dies für die weiteren DBA-Verhandlungen «kontraproduktiv» sein. Wegen eines Datenstreits hatte Bern bereits das DBA mit Frankreich auf Eis gelegt.


«Unsere Freundschaft hält vieles aus»
Doch so weit soll es diesmal nicht kommen – deutsche Minister versuchten den Ball am Wochenende flach zu halten. «Unsere Freundschaft hält vieles aus», sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle in Davos. «Wir sind so gut befreundet, dass man solche Dinge überwinden kann», beteuerte auch sein Kollege Guttenberg. Der deutsche Fiskus könnte von der Geschichte so oder so profitieren. Die Ermittler hoffen, dass deutsche Steuersünder mit Schweizer Konti nun nervös werden, sich selbst anzeigen und die hinterzogenen Steuern nachzahlen. Dieses Muster hat im Fall der USA bereits gut geklappt.


FTD: Daten-CD stammt von britischer HSBC-Bank
Die CD mit Schweizer Kontodaten mutmasslicher deutscher Steuerflüchtlinge stammt nach Informationen der «Financial Times Deutschland (FTD – Montagsausgabe) von der britischen Grossbank HSBC. Dabei soll es sich um jene Daten handeln, die ein Informatikspezialist der HSBC Private Bank in Genf bereits im vergangenen August den französischen Behörden angeboten hatte.


Die französischen Fahnder sprachen seinerzeit von 130’000 Datensätzen von Kunden aus aller Welt. Die HSBC erklärte dagegen, es seien «weniger als zehn Kunden» betroffen. Den Informationen zufolge will der Informatiker den deutschen Behörden nun Daten von 1’300 deutschen Kunden verkaufen – für 2,5 Mio EUR. Der Fiskus könnte mit Einnahmen von den Steuersündern in Höhe von 100 Mio EUR rechnen. (awp/mc/ps/01) 

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