Francis Schubert, CEO a.i. Skyguide: «Die Sicherheit hat Priorität, darum wird die Kapazität immer der Personalsituation angepasst.»

von Patrick Gunti


Herr Schubert, skyguide hat 2006 eine neue Rekordzahl von 1,16 Mio Flügen kontrolliert. Trotzdem ging der Umsatz von 353,9 auf 341,1 Mio. Franken zurück und die Betriebsrechnung 2006 weist eine Kostenunterdeckung von 0,3 Mio. Franken auf. Wo liegen die Gründe?

Der Hauptgrund ist, dass wir nach 2005 auch 2006 die Tarife gesenkt haben. Das Verkehrswachstum ist zwar leicht gestiegen, aber proportional weniger als die Tarife gesenkt wurden. Einen Einfluss hatten auch zusätzliche Aufwände nach dem Nein des Bundesamtes für Zivilluftfahrt zur Zusammenführung der oberen Lufträume in Genf.


Das Verkehrswachstum im Luftraum der skyguide beträgt gegenwärtig 2,9 %. Sie müssen mit diesem Wachstum Schritt halten, wobei neben der Sicherheit natürlich die Kosten ein grosses Thema sind. Der 5-Jahres-Businessplan der skyguide stellt dazu fest, dass sich die Kosten der Flugsicherung schneller entwickeln werden als das Verkehrswachstum. Wie begegnet skyguide dieser Herausforderung?

Wir müssen auf verschiedenen Ebenen Massnahmen treffen. Letztlich geht es darum, die Sicherheit zu erhöhen, Kosten zu senken und noch effizienter zu werden. Strukturen und Prozesse müssen hinterfragt und analysiert werden, da sind wir derzeit dran.


Der Wachstumstrend beim Flugverkehrsaufkommen setzte sich auch 2006 fort, skyguide kontrollierte fast 3200 Flüge pro Tag. Mit welchen Massnahmen war es möglich, die Pünktlichkeit konstant zu halten resp. die durch skyguide verursachten Verspätungen an den Flughäfen in Zürich und Genf deutlich zu reduzieren?

Die Luftfahrt ist ein sehr engmaschiges Netzwerk, so dass es schwer ist, einzelne Punkte herauszustreichen, wenn man diese Frage beantworten möchte. Die Effizienz zu verbessern ist ein laufender Prozess, den wir in den letzten Jahren immer stark forciert haben. Wir konnten in den vergangenen Jahren unseren Anteil an den Verspätungen ja kontinuierlich abbauen. Um das zu erreichen haben wir gemeinsame Abläufe mit den Flughäfen und natürlich auch unsere eigenen Prozesse verbessert. Dazu gehört der Einsatz von elektronischen Mitteln wie beispielsweise das streifenlose Kontrollsystem in Genf, eine echte Innovation, die auch die Produktivität gesteigert hat. Und – das muss auch mal gesagt werden – das Know-how und das Engagement unserer Mitarbeitenden.


«Wir haben mit dem Single European Sky-Zertifikat eines der grossen unternehmensstrategischen Ziele erreicht.» (Francis Schubert, CEO a.i. Skyguide)


skyguide hat Ende 2006 vom Bundesamt für Zivilluftfahrt das Single European Sky-Zertifikat erhalten. Was bedeutet dies für skyguide?

Das ist die Voraussetzung um weiter bestehen zu können und unseren Platz im künftigen Single European Sky zu finden. Es können künftig nur zertifizierte Anbieter in der Flugsicherung tätig sein und wir gehören dazu. Der Weg zu diesem europäisch gültigen Zertifikat war sehr kosten-, arbeits-  und zeitintensiv, hat uns aber auch wieder einen grossen Schritt nach vorne gebracht. Wir  haben damit eines der grossen unternehmensstrategischen Ziele erreicht.


2006 wurde auch eine mit Frankreich erarbeitete Studie betreffend der gemeinsamen Bewirtschaftung eines funktionalen Luftraumblocks (Functional Airspace Block FAB) abgeschlossen. Liegen dazu Resultate vor?

Die Resultate liegen seit Sommer vor und waren sehr positiv. Mittlerweile sind wir noch einen Schritt weiter, Die Erfahrungen der ersten Studie mit Frankreich fliessen in das Projekt FAB Europe Central ein, an dem sich die Schweiz, Frankreich, Deutschland und die Benelux-Ländern beteiligen.


Worum handelt es sich bei FAB Europe Central und an welchem Punkt stehen die Gespräche heute?

Dabei prüfen wir mit Frankreich, Deutschland, den Benelux-Ländern und dem Kontrollzentrum Maastricht die Machbarkeit eines gemeinsamen, zentraleuropäischen Luftraumblocks. Das ist ein sehr grosses Projekt mit vielen involvierten Stellen – meines Wissens das grösste in Europa. Erste Studien sind in Arbeit und Resultate sollten 2008 vorliegen.


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Die Einführung des Kontrollzentrums UAC-CH musste verschoben werden. Was ist unter Upper Area Control Center Switzerland und was sind die Gründe für die Verzögerung?

Die oberen Lufträume der Schweiz sind in zwei Sektoren aufgeteilt, die von Genf und Zürich aus kontrolliert werden. Diese wollen wir zusammenlegen und nur noch von Genf aus kontrollieren. Geplant war, diese Zusammenführung im März 2006 zu realisieren, zusammen mit diversen technischen Innovationen. Dazu mussten wir dem Bundesamt für Zivilluftfahrt auch umfangreiche Nachweise erbringen. Die ersten sieben Schritte haben wir erfolgreich absolviert, aber für den letzten Schritt hat das Bazl die Nachweise für nicht genügend erachtet und das Projekt gestoppt. Die Systeme sind in Betrieb, aber der Luftraum ist nach wie vor zweigeteilt. Die Zusammenführung wird nicht vor 2010 erfolgen, dazu fehlen uns bei einem derart komplexen Projekt die Zeitfenster.


«Fluglotsen sind weltweit sehr gesucht. Alleine China benötigt bis 2010 rund 2500 zusätzliche Lotsen. In Europa fehlen rund 1500 Lotsen, bei uns in der Schweiz circa 45.» (Francis Schubert, CEO a.i. Skyguide)


In einem Folgebericht zur Sicherheit der Schweizer Luftfahrt hat das niederländische Nationale Luft- und Raumfahrtlaboratorium NLR festgehalten, dass skyguide nach wie vor einen Unterbestand an Flugverkehrsleiter/Innen aufweist. Wie viele Fluglotsen fehlen dem Unternehmen derzeit?

Gemessen am prognostizierten Verkehrsaufkommen für dieses Jahr sind es rund 45 Personen. Die Zahl kann – je nach Verkehr – variieren. Das führt letztlich dazu, dass wir die Kapazität im oberen Luftraum wohl nicht befriedigen können und Verspätungen die Folge sein werden. Wir tun aber unser bestes – wie im vergangenen Jahr, als die Situation ähnlich war – um dies in Grenzen zu halten. Die Sicherheit hat aber Priorität, darum wird die Kapazität immer der Personalsituation angepasst. Mehr Verkehr als mit dem vorhanden Personal vernünftigerweise zu bewältigen ist, gibt es nicht. Da nehmen wir lieber ein paar Minuten Verspätungen in Kauf und entschuldigen uns bei unseren Kunden.



Der Mangel an Fluglotsen ist ja nicht nur in der Schweiz ein Problem. Wie schwierig ist es, Fluglotsen im Ausland anzuwerben und wie viele Personen befinden sich derzeit bei skyguide in Ausbildung?


Fluglotsen sind weltweit sehr gesucht. Alleine China benötigt bis 2010 rund 2500 zusätzliche Lotsen. In Europa fehlen rund 1500 Lotsen, bei uns in der Schweiz circa 45. Das macht das Werben auf dem Markt nicht einfacher, wenn man im Ausland rekrutieren will. Aber wir haben gute Argumente. Die Schweiz ist ein attraktives Land und die skyguide ein guter Arbeitgeber mit sehr guten sozialen Leistungen. Ausländische Lotsen anzustellen ist ein Weg, aber man muss sich auch bewusst sein, dass diese Leute irgendwann wieder weiterziehen oder nach Hause gehen. Diesen Fall hatten wir letztes Jahr. Es ist nachhaltiger, selber Leute auszubilden und da sind wir dabei uns Gedanken zu machen und neue Ideen zu finden, wie wir das erreichen können. Das geht von einer Zusammenarbeit mit anderen Flugsicherungen bis hin zu neuen Strukturen der Ausbildung selber, wo wir aufgrund von Arbeitsplatzkapazitäten im on-the-job-Training Engpässe haben.


Eine weitere Bedingung für die Flugsicherheit ist die konstante Verbesserung der technischen Infrastruktur. Welches waren hier die Meilensteine im vergangenen Jahr?

Der Meilenstein ragt in das aktuelle Jahr rein. Wir haben mit Mode-S eine neue Radargeneration in Betrieb genommen. Ein Projekt, das wir gemeinsam mit Deutschland und den Niederlanden gemacht haben. Die neue Radargeneration ist die Basis für künftige Technologien, die beispielsweise einen erweiterten und besseren Datenaustausch zwischen Flugzeug und Boden ermöglicht.


2006 stand für skyguide im Zeichen zahlreicher organisatorischer Veränderungen, zuletzt Ende Jahr der Rücktritt von CEO Alain Rossier. Seither führen Sie das Unternehmen ad interim. Wie weit ist die Regelung der Rossier-Nachfolge fortgeschritten und sind Sie selber einer der Kandidaten für eine definitive Ernennung?

Die Nachfolge für Herrn Rossier sollte bis Ende Juni geregelt sein. Das hat der Verwaltungsrat so verlauten lassen. Ich habe das Amt interimistisch übernommen und ja, ich würde den Posten auch definitiv übernehmen. Aber soviel sei verraten – ich bin nicht der einzige Kanditat. Für mich ist das wichtigste, dass der Verwaltungsrat die bestmögliche Lösung für das Unternehmen findet.


Herr Schubert, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Francis Schubert (Jahrgang 1961) ist Flugverkehrsleiter und promovierter Jurist. Er ist seit 1982 im Unternehmen tätig und seit 2001 Mitglied der Geschäftsleitung. Zudem hat er einen Lehrauftrag für Luftrecht am Institute for Air and Space Law der McGill University in Montreal sowie an der John Molson Business School der Concordia University Montreal inne und ist Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Luft- und Raumrecht.


Zum Unternehmen:
Skyguide ist verantwortlich für die Flugsicherung in der Schweiz und in einem Teil des angrenzenden ausländischen Luftraumes. Sie ist eine nicht gewinnorientierte AG im Mehrheitsbesitz des Bundes. Skyguide erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von über 341 Millionen Franken und beschäftigt rund 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 14 Standorten in der Schweiz.

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