Hans Schulz, CEO EGL

Radovan Milanovic


Moneycab: EGL hat im ersten Semester des Geschäfts-Jahres 2009/10 wie erwartet einen Gewinneinbruch von 69% auf 38,4 Millionen Franken erlitten. Als Gründe geben Sie unter anderem die bisherige Suche nach einem Käufer für das Kraftwerksprojekt Energy Plus. Wieso passt dieses Projekt nicht mehr in Ihr Portfolio?
 
Hans Schulz: Mit den beiden bereits operativ tätigen Gas-Kombikraftwerken Calenia Energia, Rizziconi Energia, sowie SE Ferrara, wo die Arbeiten zur Inbetriebsetzung abgeschlossen sind, hat die EGL in Italien ihr Kapazitätsziel von rund 2’000 Megawatt erreicht. Aus diesem Grund wurde entschieden, das Projekt Energy Plus nicht selber zu realisieren, sondern zu verkaufen.



«Aufgrund der konjunkturellen Lage haben sich Renditeaussichten von Projekten und Geschäftsideen verändert, was zu einer stärkeren Selektion führte. Weiteres Wachstum wird mit Augenmass und hohem Kostenbewusstsein geprüft und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der EGL erfolgen.» Dr. Hans Schulz, CEO EGL


Wieso ist die Suche nach einem Käufer dieses Projektes so schwierig?


Weil aufgrund behördlicher Auflagen die Baubewilligung zeitlich begrenzt ist und das wirtschaftliche Umfeld zum Verkauf von Anteilen in Gaskraftwerken in Italien zu jenem Zeitpunkt sehr ungünstig war.


Sie wickeln über 90 Prozent Ihrer Geschäfte im europäischen Raum ab. Anderseits berichten Sie, dass das Nettowährungsergebnis nach Fremdwährungsabsicherungen seit dem Halbjahresergebnis um 38 Millionen Franken zugenommen hat. Es steht jetzt bei 65 Millionen Franken. Einerseits nehmen Sie Währungsabsicherungen vor, anderseits steigen die Währungsverluste an. Können Sie uns die Gründe für diese Entwicklung nennen?


Die EGL AG betreibt eine selektive Währungsabsicherung auf ihren Exposures, die durch klare Underlyings, also definierte Menge und Transaktionszeitpunkte, bestimmt sind. Durch aktives Absichern des Transaktionsrisikos minderte die EGL Gruppe bereits den Verlust. Hinzugekommen ist aber die grösste Währungskrise seit der Einführung des Euros. Dies zeigte sich auch im Monat Juni, als der Euro eine bislang beispiellose Abwärtsdynamik hatte: In jenem Monat tauchte er um rund 10 Rappen auf 1.33 Franken (-7%). Seither hat der Euro erneut an Wert verloren.


Beeinflusst die weitere Abschwächung des Euros das laufende Ergebnis weiterhin? Dürfte die Umstellung Ihrer Bilanzwährung von Franken auf den Euro insbesondere im Zuge Ihrer Geschäftsausweitung und die Fokussierung auf den Euro-Raum nicht die Lösung sein?


Der erneute Kurszerfall des Euro belastet das laufende Finanzergebnis zusätzlich. Die EGL Gruppe überprüft deshalb in regelmässigen Abständen auch die Option einer möglichen Bilanzwährungsumstellung.


Das Handelsgeschäft hat einen grossen Einfluss auf Ihr Gesamtresultat. Wie hat sich das Handelsergebnis im ersten Semester 2009/2010 im Vergleich zur Vorjahresperiode verändert? Wie begründen Sie diese Entwicklung?


Im Handelsgeschäft bewährte sich die Hub-Strategie der EGL, also die dezentrale Organisation der Aktivitäten in verschiedenen Handelsregionen Europas. Diese geografische Diversifikation und die Nähe zu Märkten und Kunden sowie ihre Handelskompetenz ermöglichten es der EGL, ihr Handelsergebnis klar zu verbessern. Der Geschäftsbereich Energy Trading & Origination erzielte im ersten Semester 2009/2010 insgesamt ein betriebliches Ergebnis von 208.3 Millionen Franken (Vorjahr: 152.4 Millionen Franken).


Zur Verbesserung der Gewinnsituation gab die EGL bekannt, Massnahmen zur Kostenreduktion eingeleitet zu haben. Zum Beispiel die Anpassung, sowie die zeitliche Verschiebung von Investitionen laufender und künftiger Projekte. Da Ihre ausländischen Konkurrenten mangels liquider Mittel ähnlich reagieren, dürfte sich das Problem künftig ausweitender Kapazitätslücken akzentuieren. Wären nicht antizyklische Massnahmen sinnvoller, insbesondere im Hinblick auf die lange Vorlaufzeit bis Investitionen Erträge im Energiebereich generieren?


Aufgrund der konjunkturellen Lage haben sich Renditeaussichten von Projekten und Geschäftsideen verändert, was zu einer stärkeren Selektion führte. Weiteres Wachstum wird mit Augenmass und hohem Kostenbewusstsein geprüft und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten der EGL erfolgen. Verschiedene Projekte stehen daher in einer internen Konkurrenz zueinander; jene mit dem grössten Potenzial und besten Renditeaussichten werden realisiert.



«Der erneute Kurszerfall des Euro belastet das laufende Finanzergebnis zusätzlich. Die EGL Gruppe überprüft deshalb in regelmässigen Abständen auch die Option einer möglichen Bilanzwährungsumstellung.»


Die drei Geschäftsbereiche der EGL umfassen den Energiehandel, die Assets und das Erdgasgeschäft. Welches sind Ihre aktuellen Präferenzen und in welchem Geschäftsbereich sehen Sie die grössten Chancen?


Die Kernkompetenz der EGL ist der internationale Energiehandel über die Grenzen von Märkten und Commodities hinweg. Der Handel wird durch eigene Assets und das Erdgasgeschäft unterstützt und optimiert. So verfügt die EGL über Kraftwerkskapazitäten, langfristige Bezugsverträge für Strom und Erdgas, Stromtransportinfrastruktur sowie Speicherkapazitäten für Erdgas. Ihr Erdgas-Portfolio nutzt sie unter anderem zur Versorgung Ihrer eigenen Gas-Kombikraftwerke. Dieser integrale Ansatz macht die EGL zu einem der führenden Unternehmen im Energiehandel, beim Handel mit standardisierten Produkten sowie bei der Entwicklung von strukturierten Produkten und innovativen Dienstleistungen für Kunden.


Ihre Expansionsprojekte sehen den Ausbau des Handelsgeschäftes in Grossbritannien, der Aktivitäten mit strukturierten Produkten und Dienstleistungen in Zentraleuropa, die Intensivierung des Geschäftes in Südosteuropa sowie die Weiterentwicklung der Trans Adriatic Pipeline vor. Wie hoch sind diese Investitionen?


Die EGL veröffentlicht dazu keine Zahlen.



«Als Energiehändlerin mit eigenen Assets sind wir in den liberalisierten Grosshandelsmärkten Europas tätig und leisten damit einen Betrag, um das gesellschaftliche und volkswirtschaftlich Bedürfnis nach einer sicheren und wettbewerbsfähigen Energieversorgung zu transparenten Preisen zu befriedigen.»


Obwohl Sie ein relativ tiefes Eigen- und Fremdkapitalverhältnis von 31,9% aufweisen, planen Sie weitere Kapitalaufnahmen oder eine Ausweitung der Nettoverschuldung, die sich in den letzten vier Jahren von 359,4 Millionen Franken auf 1.003 Millionen Franken fast verdreifacht hat?


Die EGL prüft regelmässig den Kapitalmarkt.


Die EGL hat ein stark steigendes Gearing welches bereits 49,3% beträgt. Hohes Gearing bedeutet höheres Risiko. Wie sehen Ihre Kontrollmechanismen aus?


Das Gearing, beziehungsweise die Eigenkapitalquote, konnte auf einem komfortablen Niveau gehalten werden. Die Schutzmechanismen der EGL, wie etwa restriktive Richtlinien für das Eingehen von Kredit- und Marktrisiken, haben sich bewährt. Selbstverständlich erfolgen laufend Anpassungen und Verbesserungen der Kontrollmechanismen.


Im immer komplexer werdenden globalen Energiegeschäft, dem Kostendruck und dem anderseits hohen Finanzbedarf internationaler Projekte wären Fusionen ein Lösungsansatz. Aus strategischen nationalen Interessen kommen diese in der Energiebranche sehr selten vor. Oder dürften bereits bestehende Kapazitätslücken im Energiebereich zu opportunistischen Zusammenschlüssen führen?


Fusionen im Energiesektor sind keine Seltenheit mehr. In diesem Sektor kommt es immer wieder zu Fusionen, sowohl auf lokaler wie auch internationaler Ebene. Erst kürzlich fusionierten GDF Suez Energy International mit dem britischen Mitbewerber International Power. Der neue Konzern heisst nun International Power.


In der Zwischenzeit sind die Preise für Primärenergieträger wie Erdgas und Kohle sowie für CO2-Zertifikate gefallen und haben auch die Strompreise unter Druck gesetzt. Die tieferen Strompreise sind jedoch nicht bei den Konsumenten angekommen. Wieso das?


Die EGL bedient keine Endkonsumenten. Als Energiehändlerin mit eigenen Assets sind wir in den liberalisierten Grosshandelsmärkten Europas tätig und leisten damit einen Betrag, um das gesellschaftliche und volkswirtschaftlich Bedürfnis nach einer sicheren und wettbewerbsfähigen Energieversorgung zu transparenten Preisen zu befriedigen. Dank unserem Zugriff auf die internationalen Energiemärkte können sich unsere Kunden beispielsweise gegen Produktionsausfälle oder Preisschwankungen absichern.


Ende Juli gaben Sie bekannt, dass Sie für das laufende Geschäftsjahr 2009/10 ein «negatives Unternehmensergebnis im unteren zweistelligen Millionenbereich» erwarten. Auf diese Meldung hin reagierten die EGL Aktien nur marginal. Da die Börse vorausschauend reagiert, ist das Resultat bereits eskomptiert und die Anleger konzentrieren sich auf die Zeit nach 2010. Auch Sie sehen ab 2011 den Turnaround. Was macht Sie so sicher?


Die aktuellen Massnahmen zur Kostensenkung und Ertragsoptimierung werden im neuen Geschäftsjahr 2010/11 greifen. Somit legt die EGL den Grundstein für eine weiterhin solide Ertragslage bei tieferer Kostenbasis. Eine Abschätzung der Marktsituation im nächsten Jahr und die Entwicklung der für uns wichtigen Spreads bleiben im Augenblick schwierig.


Im Zuge der Gewinnerosion bei der EGL in den vergangenen zwei Jahren haben die EGL Aktien erheblich an Wert verloren und notieren um den Buchwert, einem 2010/11 erwarteten P/E von rund 18, weisen aktuell eine Rendite von 2.3% auf und zeigen tiefe Umsätze. Da die Axpo bereits 91% der EGL besitzt, dürfte sich die Dekotierung der EGL abzeichnen?


Das ist eine Frage, die Sie der Axpo Holding, unserem Mehrheitsaktionären, stellen müssen.





Der Interviewpartner:
Herr Dr. Hans Schulz ist seit Oktober 2007 CEO der EGL. Er stiess bereits im Oktober 2006 zur Axpo Gruppe und leitete damals die Divisionen Netze sowie Handel und Vertrieb der Axpo Tochtergesellschaft NOK (heute Axpo AG). Er verfügt über langjährige Führungserfahrung in der Industrie. Seit 1987 war er in der zur Oerlikon-Gruppe gehörenden Division Balzers tätig. Die letzten zehn Jahre leitete er diese Division mit weltweit 2.400 Mitarbeitern. Hans Schulz ist Dr. Ing. Werkstoffkunde und Dipl. Wirtschaftsingenieur.


Das Unternehmen:
Die EGL ist ein europäisches Energiehandelsunternehmen mit eigenen Assets. Sie ist eines der führenden Unternehmen im Eigenhandel, beim Absatz standardisierter Produkte sowie bei der Entwicklung von strukturierten Produkten und innovativen Dienstleistungen für Kunden. Die EGL ist an allen wichtigen europäischen Energiebörsen akkreditiert und an der SIX Swiss Exchange kotiert. Ihr Hauptsitz befindet sich in Dietikon/Zürich (Schweiz). Darüber hinaus ist sie mit ihren mehr als 20 Tochtergesellschaften in grossen Teilen Europas lokal präsent.

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