Kunsthaus Zürich: «Bilderwahl» Richard Hamilton

Anhand von 32 Gemälden, Grafiken, Fotos und Drucken stellt Gastkurator Etienne Lullin einen überraschenden Zusammenhang zwischen der Pop-Art und der Kunst des 17. Jahrhunderts her. Filme und Designmöbel, die dem 1922 in London geborenen Vater der englischen Pop-Art als Modell für seine «Interior»- Collagen dienten, sind ebenfalls Teil der Ausstellung.


Richard Hamilton, der Vater der britischen Pop-Art
In den 1950er Jahren war Hamilton Mitglied der Independent Group, die sich am Institute of Contemporary Arts in London regelmässig traf. 1956 kreierte er mit der kleinen Collage «Just what is it that makes today’s homes so different, so appealing?» eine Ikone der Pop-Art. Hamilton pflegte Kontakt mit den amerikanischen Pop-Künstlern Roy Lichtenstein, Andy Warhol und Jasper Johns. Sein Vorbild und engster Künstlerfreund war neben dem Schweizer Dieter Roth der Erfinder des Readymade, Marcel Duchamp.Hamilton bezeichnet sich, trotz seiner Bildsprache, in der er populäre Elemente mit der hohen Kunst verbindet, nicht als Pop-Künstler. Er sieht sich vielmehr als einen «old-fashioned artist», dessen Anliegen es ist, berührende und dauerhafte Bilder zu schaffen. Es ist deshalb nicht weiter erstaunlich, wenn Hamilton von sich behauptet, dass seine Liebe zur Kunst von den Museen stammt.


Collage aus Filmstill, Bleistift und Spiegel
Die Collage «Interior I» ist ein Schlüsselwerk in Hamiltons Ouvre. Es vereint verschiedenste Überlegungen und Bildkonzepte, die es als Ausgangspunkt für eine Ausstellung wie geschaffen machen. Dominiert wird das Werk von einer Figur in der Bildmitte, der Schauspielerin Patricia Knight aus dem Kriminalfilm «Shockproof» (1948, Regie Douglas Sirk), die Hamilton aus einer Werbeaufnahme für den Film mittels des Siebdruckverfahrens in das beinahe fertige Bild kopierte. Diese Fotografie war Hamiltons Inspirationsquelle für sein Tafelbild. Ihn beeindruckte die Dramaturgie der Aufnahme, die szenische Anordnung und die eigentümliche Lichtführung. Patricia Knight schaut in ihrem New-Look-Mantel knapp an der Kamera vorbei. Sie scheint ertappt worden zu sein und sich an ihre Handtasche zu klammern. Hinter ihr ist ein echter Spiegel in den Bildgrund eingelassen, in dem sich der Betrachter als Voyeur erkennen kann. Alle Fluchtlinien laufen auf die Schauspielerin zu. Im Bildvordergrund steht ein Schreibtisch auf den ein echter Bleistift und Holzimitat aufgeklebt sind. Im Hintergrund erkennt man eine Heiligendarstellung des Quattrocento und als Bild-im-Bild, «Interior I» in der Entstehungsphase. Wie oft bei Hamilton wechseln sich gegenständliche mit abstrakten Elementen ab und kunsthistorische Zitate finden sich ins Werk einfügt.


Gegenüberstellung mit Kunst des 17. Jahrhunderts
Das «Bildnis eines jungen Herren im Interieur» (1668) von Gerard Terborch ist beinahe 300 Jahre vor «Interior I» von Richard Hamilton entstanden. Die Gegenüberstellung der beiden Bilder verblüfft und veranschaulicht Hamiltons Überzeugung, die er mit Duchamp teilt, dass die Zeit die Künstler beurteilt und nicht seine Zeitgenossen. Hamilton stellte selber einige Collagen und Drucke her, bevor er mit dem Tafelbild begann. Sie werden in der Ausstellung gezeigt und veranschaulichen, dass die Gattung des Interieurs in Hamiltons Werk einen wichtigen Stellenwert einnimmt, zu der er in seiner Laufbahn immer wieder zurückkehrt. Das Bild «Interior I» ist, ähnlich wie das Bildnis von Terborch, eine Epiphanie, eine Verdichtung von Gedanken, die uns unmittelbar ein Bewusstsein von der Bedeutung des Lebens gibt. Das Sammlerehepaar Erna und Curt Burgauer erwarb «Interior I» kurz nach seiner Entstehung und überliess es dem Kunsthaus Zürich als Dauerleihgabe. (kh/mc/th)





Allgemeine Infos
Offen Di-Do 10-21 Uhr, Fr-So 10-17 Uhr. Feiertagsregelungen 31.12. 05, 10 –
15 Uhr, 24. und 25.12. geschlossen, 26.12. und 1./2. Januar 10 – 17 Uhr.

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