Maurice Pedergnana, CEO der SECA: «Im Venture Capital-Bereich wird bei jedem 4. Kapitaleinsatz rund das Siebenfache oder mehr erzielt, umgekehrt aber auch in 30% der Fälle gar nichts»

Maurice Pedergnana, CEO der SECA: «Im Venture Capital-Bereich wird bei jedem 4. Kapitaleinsatz rund das Siebenfache oder mehr erzielt, umgekehrt aber auch in 30% der Fälle gar nichts»

Von Alexander Saheb


Moneycab: Wie gross ist die Private Equity-Industrie in der Schweiz und wer sind die wichtigsten Player?


Maurice Pedergnana: Grösse ist relativ! In der Schweiz gibt es viele weltweit bedeutungsvolle Marktteilnehmer im Fund-of-Fund-Business wie z.B. LGT, Capital Dynamics, Adveq, Horizon21, Partners Group und Unigestion. Ungefähr 15 % beträgt da der weltweite Marktanteil aller Schweizer Player. Im Segment der General Partner, die Direktinvestments in einzelne Unternehmen tätigen, gibt es leider nur wenige, da beträgt der Marktanteil knapp 1 %. Am grössten sind dabei die Buyout-Häuser wie beispielsweise Capivs Equity Partners oder Zurmont Madison Management. Der Schweizer Markt ist aber auch von ausländischen Private Equity-Playern geprägt, die in Firmen wie Pilatus Flugzeugwerke, Bally, Gate Gourmet und andere investieren.


Gab es 2006 einige besonders Highlights für die Branche?


Die Highlights für mich sind immer jene Fälle, in denen hochintelligente Menschen ihre Routinearbeitsplätze in Konzernen beziehungsweise in etablierten Strukturen aufgeben, um zu wahren Unternehmerinnen und Unternehmern in unserer äusserst kreativen, global gewordenen Netzwerk-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zu werden. Die Spinoff-Kulturen rund um die universitären Institutionen im Raum Lausanne und Zürich sind nicht nur erfreulich, sondern geradezu ansteckend.



«Manche grosse US-Finanzinvestoren kommen mit einer vielfältigen Kultur nur schon einer kleinen Schweiz mit vier Sprachen – ohne Englisch – kaum zurecht.» Maurice Pedergnana, CEO der SECA


Mit EndoArt ist kürzlich ein vor 8 Jahren gegründeter Spinoff der ETH Lausanne für eine dreistellige Millionenzahl an Allergan veräussert worden. Im Bio & Life Sciences verfügen wir über aussergewöhnliche Success Stories wie Actelion oder Speedel. Bei einigen Buyouts aus dem vergangenen Jahr sehe ich zudem das Potenzial, mittels Smart Money und Unternehmertum noch einiges auf dem globalen Markt zu erreichen.


Ausserdem wäre noch der IPO von Burckhardt Compression zu nennen: ein höchst erfolgreiches Engagement von Zurmont zu einem Zeitpunkt, als manche Schweizer Banken dem traditionsreichen Unternehmen nicht einmal mehr Kredite gegen hohe Sicherheiten geben wollten; teils waren Kredite damals von einer portugiesischen Bank gewährt worden. Dann aber auch der Trade sale von SR Technics: ebenfalls ein Private Equity-Engagement, als die Schweizer Banken jedem flugnahen Unternehmen eine schlechte Zukunft prophezeit hatten.

Mich erfreuen aber auch die vielen Start-ups und Ventures, die boomen: Zattoo und Kyte.tv im TV-Geschäft, Spinelab, Suriasis, 4-Antibody, Xigen und Nitec, die teils bis zu 30 Mio. in der Frühphasenfinanzierung erhalten haben. 


Jüngst haben Sie in einem Interview mit dem deutschen Venture-Capital-Magazin gesagt, dass Schweizer PrivateEquity-Investoren teilweise anders vorgehen als die Grossen der Branche wie KKR, Texas Pacific oder Carlyle. Was wird da konkret anders gemacht und bleiben nicht Profitpotenziale ungenutzt?


«Ignorance means being proud of arrogance.» Das habe ich von Peter Drucker gelernt und trifft auf manche grosse US-Finanzinvestoren zu. Die kommen mit einer vielfältigen Kultur nur schon einer kleinen Schweiz mit vier Sprachen – ohne Englisch – kaum zurecht. Schweizer sind vielleicht weniger arrogant; ich erlebe umgekehrt manche hiesige Private Equity-Investoren zwar als risikoaverser, dafür nachhaltiger im Handeln, interessierter und wissbegieriger im Verhalten, flexibler bei der unternehmerischen Lösungssuche. Längerfristig lässt sich damit für alle mehr erreichen, davon bin ich überzeugt. Zugegeben, mit dem Lasso-Stil lässt sich hie und da auch ein Goldesel einfangen. Aber wir müssen unbedingt darauf achten, dass die Kollateralschäden amerikanischer Private Equity-Häuser nicht auf Schweizer Investoren übergreifen. Es gibt zahlreiche Praktiken im amerikanischen PE-Geschäft, die in ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit kontraproduktiv sind. Ich glaube, wir haben einige ganz exzellente Schweizer VC- und Buyout-Häuser, bei denen wir über Jahre hinweg beobachten können, dass sie sich in ihrem Handeln erheblich von den ganz Grossen wie KKR, Blackstone, Carlyle oder Texas Pacific Group unterscheiden.



«Im Grunde genommen handelt es sich bei den Private Equity-Investoren um «legale» Insider»


Wenn sich PE-Investoren in eine Firma einkaufen, wie aktiv nehmen sie dann Einfluss auf die Unternehmensleitung?


Sehr aktiv. Es geht ja um Smart Money, die Kombination von Finanzierung und unternehmerischer Kompetenz. Da werden Managemententscheide geprägt von einer konsequenten Ausrichtung, wie es manch ein Unternehmen noch nie erlebt hat. Das beinhaltet aber auch Expertisen, der Beizug von Dritten, das Abwägen von allen realen Handlungsoptionen. Im Grunde genommen handelt es sich bei den Private Equity-Investoren um «legale» Insider.


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Mit welchen Returns ziehen sich PE-Investoren durchschnittlich aus den Firmen zurück?


Ganz unterschiedlich. Diversifikation ist entscheidend, und deshalb empfiehlt sich oftmals eine Investition in Fund-of-Funds-Konstruktionen. Im Venture Capital-Bereich wird bei jedem 4. Kapitaleinsatz rund das Siebenfache oder mehr erzielt, umgekehrt aber auch in 30 % der Fälle gar nichts. Daraus wird netto bereits eine interessante Rendite erzielt. Die IRRs (Net Internal Return Rate nach Abzug aller Gebühren) für die Investoren liegen im Venture Capital Bereich bei einer grossen Streuung bei rund  24%, im Buyout Bereich – mit geringerer Streuung – bei rund 13% und im Mezzanine Bereich bei 9% – über längere Zeiträume hinweg.



«In Private Equity dagegen ist man in der Regel für 5 bis 10 Jahre investiert.»


Welches Interesse zeigen Pensionskassen an PE-Anlagen? Sind die Risiken dieser Anlageklasse nicht zu gross für auf Sicherheit ausgerichtete Pensionsgelder?


Private Equity ist definitionsgemäss eine langfristige Anlageklasse. Die durchschnittliche Haltedauer einer Credit Suisse-Aktie liegt gerade noch bei einem halben Jahr. In Private Equity dagegen ist man in der Regel für 5 bis 10 Jahre investiert. Welcher Investor ist nun spekulativ?


Pensionskassen sollten von ihrem Naturell aus eine langfristige Perspektive einnehmen und konsequent in Private Equity investieren. Jene, die dies wie die Pensionskasse der Stadt Zürich getan haben, können für ihre Versicherten auch höhere Renditen erzielen und damit Mehrleistungen ermöglichen. Das zeigen auch zahlreiche Beispiele aus dem Ausland. Der Pictet BVG-Benchmark-Index legt den Private Equity-Anteil auf 5,0% fest. Mehr als 99% der Schweizer Pensionskassen liegen deutlich unter diesem Benchmark. Diese mangelnde Professionalität muss nachdenklich stimmen.


Gibt es für Kleinanleger überhaupt Möglichkeiten sich an PE-Fonds zu beteiligen?


Mittlerweile gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Eine gute Bank sollte ihre Kundinnen und Kunden darüber aufklären können – ansonsten ist es höchste Zeit, die Bank zu wechseln. Interessant sind auch die liquiden Indizes auf kotierten Private Equity-Vehikeln wie LPX und Standard&Poor’s Listed Private Equity Index, zu denen es einfache Anlageprodukte und güngstige ETFs auch für Kleinanleger gibt.


Welche Ziele stehen für die SECA als Branchenorganisation für 2007 ganz vorn auf der Agenda?


Wir verfügen über intakte Rahmenbedingungen, an denen wir allerdings weiter Verbesserungen vornehmen müssen. Die dringenden Anpassungen bei der Unternehmensbesteuerung zur indirekten Teilliquidation und zur Transponierung sind auf Bundesebene seit dem 1.1.2007 in Kraft. Diese Rechtssicherheit kommt namentlich den KMU zu Gute. Auch das Kollektivanlagegesetz hat mit der Swiss Limited Partnership ein interessantes Gefäss zur Verfügung gestellt. Im Konkreten gilt es noch einzelne Hürden zu lösen.&
 
Für manche Mitglieder gehen viele Rahmenbedingungen zu wenig weit. Sie wollen ein (steuer-)rechtliches Eldorado errichten. Was der Volkswirtschaft nützen könnte, wäre ganz bestimmt, wenn das bestehende Risikokapitalgesetz abgelöst und durch vorteilhafte rechtssichere Rahmenbedingungen ersetzt würde. Es geht darum, wie die – heute mangelhafte – Unterstützung von Jungunternehmen in frühen Phasen verbessert werden kann.


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Andere Mitglieder wiederum bemühen sich, insbesondere die Rahmenbedingungen für General Partner zu verbessern. Sie streben eine wettbewerbsorientierte Regulierungsarbitrage mit Standorten wie London, Luxemburg, Irland und den Kanalinseln an. Die Bandbreite der Anliegen unserer Mitglieder ist gross und die politischen Rahmenbedingungen sind nur das eine.


Viel wichtiger scheint mir die generelle Pflege einer Unternehmerkultur. Die Freude am Lernen, an Innovationen und am wirtschaftlichen Erfolg und am gesellschaftlichen Zusammenhalt ist stets ein zentrales Element einer anpassungsfähigen Gemeinschaft gewesen. 



«Eine Studie aus England zeigt, dass Private Equity-finanzierte Unternehmen fast fünfmal so rasch wachsen wie die börsenkapitalisierten im FTSE 100»


Die zahlreichen, innovativen Unternehmen, die vor enormen Wachstumsoptionen stehen, sollten sich vorurteilsfrei mit Private Equity auseinandersetzen – und zwar mit den weissen, nicht mit den schwarzen Schafen. Häufig ist jedoch zu beobachten, dass einer lieber die wirtschaftlichen Opportunitäten vorbeiziehen lässt, um nicht Teile des Unternehmens oder gar die Unternehmenskontrolle abgeben zu müssen. Aber wollen Sie lieber zu 100 % einem Unternehmen vorstehen, das heute zwar einen guten Umsatz erzielt, aber keineswegs gewiss ist, wo es in 10 Jahren steht, oder wollen sie mit Boost Money letztlich vielleicht noch 10 % von einem weltweit führenden Konzern besitzen? Diskutieren Sie doch mal mit Andy Rihs von Phonak (einer Firma, die vor 15 Jahren durch Private Equity «wachgeküsst» wurde)!


Warum werden PE-Transaktionen vor allem in Deutschland oft so negativ wahrgenommen und welche Kritik ist aus Ihrer Sicht allenfalls berechtigt?


In Deutschland spricht man leider oft zu Unrecht von Heuschrecken, welche in ein Unternehmen springen, es aussaugen und danach wieder rausspringen. So können die Private Equity Häuser gewiss nicht gesehen werden, denn was sie in die Unternehmen einbringen, ist eine nachhaltige wertorientierte Führung.


Eine Studie aus England zeigt, dass Private Equity-finanzierte Unternehmen fast fünfmal so rasch wachsen wie die börsenkapitalisierten im FTSE 100. Ähnliches liesse sich zur Entwicklung von Umsätzen sowie Forschung+Entwicklungs-Aufwendungen aussagen. Interessant ist auch, dass die Private Equity-Industrie systemimmanent über einen Home Bias verfügt. Deshalb generiert die Industrie in der vertrauten Umgebung wesentlich mehr Investitionen im In- als im Ausland.


Wenn sich der Blick nun auf die kleinere Venture Capital Industrie richtet, in welchen Sektoren sind diese Firmen vor allem aktiv?


Da gibt es eine Vielzahl von Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen; Venture Capital fliesst auch in die traditionellen Branchen wie Uhrenindustrie, Metall- und Maschinenindustrie. Häufig sind dort grundlegende Prozessinnovationen Auslöser für eine Finanzierung von Innovationen und innovativen KMU. Dazu kommen selbstverständlich High-Tech, Medtech, Biotech, Life Sciences. Wo die Schweizer KMU eine historisch einmalige Opportunität haben, ist der Cleantech-Bereich. Da gibt es einige Unternehmen, welche die Möglichkeit haben, zu boomen. Als der erste Private Equity Investor bei Phonak eingestiegen ist, machte die Firma knapp 50 Mio. Umsatz, heute ist sie mit 4 Mrd. CHF kapitalisiert und ist weltweit führend. Solche Unternehmen bringen unser Land voran.




Der Gesprächspartner:
Maurice Pedergnana ist Geschäftsführer der SECA Swiss Private Equity & Corporate Finance Association (www.seca.ch) und Verfasser des wöchentlichen SECA eNewsletters für Brancheninsider. Der 42jährige, promovierte Ökonom (Dr.oec.HSG) hat an der Fachhochschule Zentralschweiz zudem eine Professur für Banking + Finance inne und ist stv. Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (www.hsw.fhz.ch/ifz ). Zudem ist er Mitbegründer und Verwaltungsrat einer Start-up-Unternehmung.


Das «Unternehmen»:
Die SECA Swiss Private Equity & Corporate Finance Association repräsentiert die schweizerischen Firmen die in Private Equity, Venture Capital und Corporate Finance aktiv sind. Die SECA hat das Ziel, die Private Equity- und Corporate Finance-Aktivitäten gegenüber den massgebenden Zielgruppen und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Zudem werden der Austausch von Ideen und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern und deren Kundschaft gefördert. Die Förderung der beruflichen Fortbildung sowie die Entwicklung von ethischen Verhaltensregeln und deren Umsetzung sind weitere Aufgabengebiete.

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