migrosmuseum: Gabríela Friðriksdóttir – Inside the Core

Neben der älteren Arbeit «Versations/Tetralógía» wird Gabríela Friðriksdóttir in der Ausstellung die eigens für das migros museum für gegenwartskunst produzierte Rauminstallation «Inside the Core» präsentieren.



Inside the Core ? Film


Aus dem nordischen Saga-Kreis
Gabríela Friðriksdóttirs Videoarbeiten zeichnen sich durch eine versponnene Narrationsstruktur aus, die sich aus dem nordischen Saga-Kreis nährt und mit der rationalen Logik bricht. Ihre Antriebsfelder, geprägt aus dem Forscherdrang nach dem Irrationalen und Rätselhaften, widerspiegeln sich auch auf der Materialebene ihrer Skulpturen. Die ausgeprägte Experimentierfreudigkeit mit ephemeren Arbeitsmaterialien lehnt sich an die Tradition von Dieter Roth an, der einen grossen Einfluss auf die Kunstproduktion Islands ausübt. Schlamm, Heu und Brotteig finden zusammen mit Pelz, Gips und gefundenen Holzstücken.


Religiöses mischt sich mit Neuem
In ihrer Arbeit «Versations/Tetralógía», die erstmals an der Venedig-Biennale 2005 gezeigt wurde, schafft die Künstlerin ein komplexes, in sich geschlossenes Zeichensystem, das nicht nur unterschiedliche Medien miteinander verknüpft, sondern auch verschiedenste kulturelle, religiöse und psychische Landschaften vermischt und neu komponiert. Als Dialektik dient Friðriksdóttir die so genannte Versation, ein rhetorisches Stilmittel, das insbesondere dem isländischen Kulturkreis entwachsen ist und im Unterschied zum Monolog sich dadurch auszeichnet, eine Zuhörerschaft einzufordern, die zwar stumm, hingegen nicht passiv bleibt. Als Navigationssystem durch diese verworrene Landschaft dient das Herzstück der Arbeit, vier Videos, die jeweils nach den Himmelsrichtungen benannt sind. Zahlen sind in Friðriksdóttirs Arbeiten dabei nie zufällig, sondern werden auf ihre zahlenmystische wie auch kulturelle Bedeutung erforscht. So ist die Zahl Vier nicht nur Stellvertreter für die vier Elemente, die vier Jahreszeiten oder die mittelalterliche Zuschreibung zum Irdischen, sondern kommt auch in C. G. Jungs psychoanalytischen Schriften vor: Als Grundpfeiler des menschlichen Bewusstseins kategorisierte Jung Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen und Erinnerungen.


Venus in der Hauptrolle
Für ihre Arbeiten kollaboriert Gabríela Friðriksdóttir oftmals mit Personen aus ihrem engen Umfeld. So wurde die Musik für jedes der vier Videos, basierend auf einer von ihr geschriebenen fragmentarischen Melodie, von Björk Guðmundsdóttir, Borgar þór Magnason, Daniel Ágúst Haraldsson und Jónas Sen komponiert. Gemeinsam mit der Tänzerin Erna Ómarsdóttir, die international für ihren «Zitter-Tanz» bekannt geworden ist, spielt in dem Video «North» ebenfalls Björk Guðmundsdóttir als Dämonen gebärenden Venus die Hauptrolle.


Ein Mädchen und ein Bäcker
Ihr neuer Werkkomplex «Inside the Core», der sich aus einem Film, Zeichnungen und Skulpturen zusammensetzt, kann sowohl als Reflexion als auch als Dominante über die Zahl Acht gelesen werden. Der Film ? in acht Hauptszenen aufgebaut, die jeweils von einer überleitenden Sequenz verbunden werden ? bildet so die in sich geschlossene Form eines Kreises, der eine reduzierte Form der Ziffer Acht darstellt. Die Protagonisten des Films, ein Mädchen und ein Bäcker, Sinnbild des Kreators, verhandeln in jeder Szene ein Element aus dem Materialkosmos Friðriksdóttirs. Während die Zeichnungen als Skizzen für die Arbeit dienen, werden die gezeigten Skulpturen, die als Auswurf aus dem filmischen Herzstück der Arbeit bezeichnet werden könnten, zum persönlichen Periodensystem der Künstlerin. Gabríela Friðriksdóttir untersucht hier ein Dualitätsprinzip, das zwischen Ordnung und Chaos, dem verworrenen Inneren und dem sauberen Äusseren, einer intensiven Leidenschaft und einer schweren Melancholie oszilliert. (mm/mc/th)

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