Reinhard Jung, Professor für Business Engineering, Universität St. Gallen

von Patrick Gunti


Professor Jung, Führungskräfte müssen mit ständigen Veränderungsprozessen eines dynamischen Umfeldes fertig werden. Wie lässt sich diese Herausforderung am besten bewältigen?


Am besten ist es, wenn den Führungskräften ein effektiver Werkzeugkasten für diese Herausforderung zur Verfügung steht. Darunter sind Methoden zu verstehen, mit denen die Transformation erfolgreich gestaltet wird.


Was ist unter Transformation zu verstehen?


Transformation ist der Prozess, der eine Organisation in einen neuen Zustand überführt. Natürlich mit dem Ziel, dass sie in diesem neuen Zustand zumindest mittelfristig erfolgreich am Markt agieren kann.


In den letzten zwei Jahren schien die Veränderung die einzige Konstante im Wirtschaftssystem zu sein. Wie ist es Ihrer Meinung nach Schweizer Unternehmen gelungen, Veränderungspotenziale frühzeitig zu erkennen?


Das lässt sich nicht pauschal für alle Unternehmen beantworten. Grundsätzlich halte ich es aber für eine Stärke der Schweizer Unternehmen, neue Geschäftsfelder und Nischen zu erkennen und zu besetzen. Die Veränderung als Konstante wird meines Erachtens in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen, denn z.B. aus Asien erwartet uns erheblicher Druck auf angestammte Geschäftsfelder.


Stellen Sie ein Umdenken bzw. einen Trend in den Chefetagen von Schweizer Unternehmen fest, Unternehmen neu auszurichten?


Das lässt sich wissenschaftlich nur schwierig belegen. Generell ist es in manchen Branchen deutlich schwieriger, ein Unternehmen neu auszurichten, da nachhaltig erfolgversprechende Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder recht «weit» vom Status Quo entfernt sein können. Beispielsweise ist die Transformation eines Industrieunternehmens in Richtung Service-Dienstleister eine immense Herausforderung, nicht nur für die Chefetage, sondern für alle Mitarbeitenden.



«Die wichtigste Strategie ist die Beobachtung von Transformationstreibern und deren Bewertung hinsichtlich des bestehenden Geschäftsmodells.» Reinhard Jung, Professor für Business Engineering


Von aussen betrachtet betreffen die Veränderungen vor allem die Grösse eines Unternehmens. Mithilfe von Entlassungen wurde versucht, die Kosten in den Griff zu bekommen. Wie hat sich die Extremsituation Ihrer Meinung nach sonst noch in den Unternehmen bemerkbar gemacht?


Entlassungen in der Krise sind kurzfristige Massnahmen zur Rettung des Unternehmens und somit reaktiv. Richtig verstandene Transformation bedeutet hingegen, proaktiv nach neuen Geschäftsfeldern und  modellen zu suchen. Das Fundament für den mittelfristigen Erfolg eines Unternehmens sollte also bereits vor einer Krisensituation durch entsprechende strategische Initiativen gelegt werden.


Wie haben sich die Anforderungen einerseits an die Mitarbeiter, andererseits an die Geschäftsleitung verändert?


Die Geschäftsleitung muss zumindest teilweise mit Transformationsmanagern besetzt sein. Die Mitarbeitenden müssen sich meines Erachtens darauf einstellen, dass berufsbegleitende Weiterbildung in Zukunft immer selbstverständlicher wird. Sich transformierende Unternehmen benötigen auch Mitarbeitende mit sich entwickelnden Qualifikationen.


Nun ist Veränderungsmanagement ja nicht Krisenmanagement, Geschäftsmodelle und Unternehmen müssen sich in guten Zeiten entwickeln. Welche Strategien empfehlen Sie und wie kann ein Business Engineer bei der Umsetzung helfen?


Die wichtigste Strategie ist die Beobachtung von Transformationstreibern und deren Bewertung hinsichtlich des bestehenden Geschäftsmodells. Wenn sich beispielsweise die Bedürfnisse der Kunden verändern, muss diese Entwicklung bewertet und gegebenenfalls ein Transformationsprozess eingeleitet werden. Der Business Engineer wird genau dafür ausgebildet. Er erkennt die Notwendigkeit der Transformation und ist in der Lage, den Transformationsprozess zu planen und zu führen.


$$PAGE$$


Oftmals sind Veränderungsprojekte nicht erfolgreich. Was sind in diesen Fällen die Hauptgründe?


Es gibt zwei Hauptgründe, die häufig zu beobachten sind. Der eine ist, dass die Mitarbeitenden nicht richtig eingebunden werden. Wenn ignoriert wird, dass Transformationsprojekte eine emotionale Komponente haben, scheitern die Projekte. Der andere Hauptgrund: Transformationsprojekte werden nicht auf allen betroffenen Gestaltungsebenen geplant und durchgeführt. Die Transformation greift nur dann erfolgreich, wenn Strategie, Prozesse und Organisation, Produktions- und IT-Systeme sowie die unternehmenskulturellen Gegebenheiten in einer konsistenten Weise verändert werden.


Was bedarf es also, damit Veränderungsprojekte erfolgreich sind und was ist bei der Umsetzung besonders zu beachten?


Es bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung und Vorgehensweise sowie einer Berücksichtigung emotionaler Aspekte und der Unternehmenskultur.


Für Unternehmen ab welcher Grösse macht die Rekrutierung eines Business Engineers Sinn?


Da ein Business Engineer Führungserfahrung und eine ganzheitliche Ausbildung besitzt, kann er – mit mehreren Rollen betraut – auch in kleinen Unternehmen eingesetzt werden. In der Rolle als dedizierter Transformationsexperte ist ein Business Engineer in mittleren und grösseren Unternehmen einsetzbar.



«Wir arbeiten in unserem Lehrgang mit der sogenannten Business Engineering Map, die aus dem St. Galler Management-Modell abgeleitet wurde.»


Die Uni St. Gallen bietet seit über 10 Jahren den Executive Master of Business Engineering-Lehrgang an. Wie funktioniert das St. Galler Management-Modell und wie unterscheidet es sich von anderen Studiengängen in Europa?


Wir arbeiten in unserem Lehrgang mit der sogenannten Business Engineering Map, die aus dem St. Galler Management-Modell abgeleitet wurde. Die Grundüberlegung besteht darin, die Komplexität der einzelnen Gestaltungsbereiche eines Unternehmens sichtbar zu machen. Damit vermitteln wir den Studierenden die Kompetenzen, die für eine ganzheitliche Planung und Durchführung von Transformationsprojekten erforderlich sind.


Welchen Stellenwert besitzen Werte wie der Schutz der Umwelt oder Geschäftsethik im St. Galler Management-Modell?


Beides ist im St. Galler Management-Modell explizit verankert. Ökologie und Umwelt werden als eine der relevanten Umweltsphären eines Unternehmens betrachtet. Die Geschäftsethik gehört zu den sogenannten Interaktionsthemen, d.h. Perspektiven, die sich aus der gemeinsamen Betrachtung von Anspruchsgruppen und Unternehmen ergeben.


An welche Personen richtet sich der Studiengang?


Unser Lehrgang richtet sich an Personen mit Berufs- und Führungserfahrung, die bereits über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügen und in Transformationsprojekten tätig werden wollen.


Professor Jung, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Reinhard Jung schloss sein Studium der BWL an der Universität Dortmund als Diplom-Kaufmann ab und promovierte 1998 an der Universität Münster zum Dr. rer. pol. Seine akademische Laufbahn begann er zunächst als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Münster, danach 2000/2001 an der HSG alsNachwuchsdozent. Es folgten eine 5jährige Assistenzprofessur in Bern, dann 2 Jahre Universitätsprofessur an der Universität Duisburg-Essen. Seit April 2009 ist er Professor für Business Engineering an der Universität St. Gallen und Akademischer Direktor des Executive Master of Business Engineering (EMBE).


Zum Studiengang:
Der Executive Master of Business Engineering verbindet Methoden und Modelle aus dem Ingenieurswesen mit klassischem Managementwissen zu einem ganzheitlichen Ansatz. Der Studienfokus liegt auf dem Thema Veränderungsmanagement. Das berufsbegleitende Präsenzstudium erstreckt sich über 100 Studientage in zumeist zweiwöchigen Modulen. Ein vierwöchiges Modul findet an der Santa Clara University in Kalifornien (USA) statt, ein einwöchiges Modul an der Jiao Tong University in Shanghai (China). Die Absolventen erhalten einen Executive MBA der Universität St. Gallen.





Executive Master of Business Engineering – Den Wandel gestalten


Der Executive Master of Business Engineering verbindet Methoden und Modelle aus dem Ingenieurwesen mit klassischem Managementwissen zu einem ganzheitlichen Ansatz. Ein starker Studienfokus liegt auf dem Thema Veränderungsmanagement.


Info-Veranstaltung für Studieninteressierte


Am Dienstag, 8. Juni 2010, 18.30 Uhr, im Hotel Radisson Blu, Zürich-Flughafen. Prof. Dr. Reinhard Jung (Akademischer Direktor) und Dr. Jochen Müller (Studienleiter) stellen die Grundelemente des Business Engineering, das Studienprogramm und den Zulassungsprozess vor.


Executive Master of Business Engineering in Kürze


? Studienabschluss: Executive MBA HSG
? berufsbegleitendes Studium für Führungskräfte mit mindestens fünfjähriger praktischer Erfahrung
? insgesamt 100 Präsenztage in meist zweiwöchigen Modulen
? ein vierwöchiges Studienmodul an der Santa Clara University in Kalifornien 
? eine Studienwoche an der Jiao Tong University, Shanghai, China
? Studienbeginn jährlich im Februar, Anmeldung zum Studium: laufend möglich
? Studiengebühren: CHF 65’000

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert