«Sissi» bohrt sich zum Weltrekord für die Schweiz

Punkt 14.17 Uhr frass sich die gigantische Tunnelbohrmaschine «Sissi» von Süden her durch die letzten 1,5 Meter Fels. Unter dem tosenden Beifall der Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur reichten die eigentlichen Helden des Durchschlags ? die Mineure ? eine Figur ihrer Schutzpatronin Heilige Barbara durch das frisch geschlagene Loch.


Drei Österreicher klettern als erste durch die Wand
Anschliessend kletterten die drei österreichischen Mineure Hubert Bär, Harald Bachmann und Johann Gössnitzer zu den Klängen des Triumphmarsches aus Verdis Aida von der Faido-Seite her als erste durch die Lücke. Die Feierlichkeiten zum Durchstich hatten schon vor dem Durchschlag mit einer optisch-akustischen Installation, inszeniert von Regisseur Volker Hesse begonnen. Danach folgten Reden und die Segnung des Tunnels. Dabei wurde auch den acht Mineuren gedacht, die im Verlauf der bisherigen Bauarbeiten am Gotthard ihr Leben verloren hatten.


Leuenberger: » Der Berg ist gross – wir sind klein»  
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Der Berg ist gross – wir sind klein. Gestern wollten wir den Berg versetzen – heute durchbohren wir ihn und schaffen den längsten Tunnel der Welt», sagte der scheidende Verkehrsminister Moritz Leuenberger vor dem Durschschlag. «Mit diesem Tunnel bauen wir mit an den Infrastrukturen Europas und beweisen so, dass wir unseren Kontinent mitgestalten und zwar nachhaltig, indem wir die Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene vorantreiben helfen,» ergänzte Leuenberger, der Ende Oktober als Bundesrat zurücktritt. Für den UVEK-Vorsteher ist der Gotthard-Basistunnel ein krönender Abschluss seiner rund 15 Jahre als Verkehrsminister. Zu den weiteren Gästen gehörten unter anderem Leuenbergers Vorgänger, Alt Bundesrat Adolf Ogi sowie Michael Reiterer, der EU-Botschafter in der Schweiz, und SBB-Chef Andreas Meyer.


«Kleines Land steht ziemlich gross da»
Für Renzo Simoni, Vorsitzender der Geschäftsleitung der AlpTransit Gotthard AG, steht das «kleine Land» damit «ziemlich gross» da. Mit dem 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel besitze die Schweiz neben dem höchstgelegenen europäischen Bahnhof auf dem Jungfraujoch einen weiteren Weltrekord, sagte Simoni am Freitagvormittag vor den Medien in Sedrun.


«Freudentag»
Der Hauptdurchschlag im längsten Eisenbahntunnel der Welt sei ein «Freudentag» für die Schweiz und für Europa, sagte Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Der Gotthard sei «einmal mehr bezwungen» worden. Er erinnerte daran, dass die Freude durch die Todesfälle von acht Mineuren getrübt werde. Diese waren bei den Bauarbeiten ums Leben gekommen. Der heutige Erfolg gehöre aber den Mineuren, Betonbauern, Elektrikern, Mechanikern, Maschinisten und Lokfahrern, sagte Luzi Gruber, Leiter Konzernbereich Industrial Construction bei Implenia. Insgesamt hätten über 2000 Mitarbeitende aus zahlreichen Ländern beinahe seit zehn Jahren rund um die Uhr am «gigantischen Jahrhundertprojekt» gearbeitet.


Herzstück der neuen Flachbahn
Der Gotthard-Basistunnel ist das künftige Herzstück der neuen Flachbahn durch die Alpen. Durch die neue Streckenführung, die nie mehr als 550 Meter über Meereshöhe liegt, verkürzt sich die Reisezeit zwischen Zürich und Mailand um eineinhalb Stunden. Möglich wurde das Jahrhundert-Bauwerk, nachdem das Schweizer Stimmvolk in den 1990er-Jahren Konzept und Finanzierung der NEAT (Neue Eisenbahn-Alpentransversale) gutgeheissen hatte.


Inbetriebnahme 2017 geplant
In Betrieb genommen werden soll der Gotthard-Basistunnel nach dem Einbau aller bahntechnischen Anlagen Ende 2017. Allerdings war von AlpTransit zu erfahren, dass dies unter Umständen schon ein Jahr früher als geplant geschehen könnte. Für den Tunnel wurden insgesamt rund 24 Millionen Tonnen Fels ausgehoben, was dem fünffachen Volumen der Cheops-Pyramide in Ägypten entspricht. Die Kosten für die Gotthard-Röhre belaufen sich auf etwa 9,74 Milliarden Franken. Die Kosten für die gesamte NEAT könnten ? inklusive Teuerung, Mehrwertsteuer und Zinsen auf Baukredite ? 24 Milliarden Franken erreichen.


Gewaltige Herausforerung
Die vielfältige Geologie der Alpen sorgte im Verlauf der Bauarbeiten für grosse Probleme. Wegen der Piora-Mulde mit ihrem zuckerförmigen Dolomitgestein  drohe dem Projekt beinahe das Aus, bis Ingenieure mit ihren Sondierungen auf Tunnelniveau doch noch auf geeignetere Gesteinslagen stiessen. Probleme mit brüchigem Fels im Norden von Sedrun konnten dank neuer Minenbau-Techniken gelöst werden. (mc/awp/ps)

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