Meret Schneider: meretPlanted Chicken und andere komische Vögel

Es hat medial hohe Wellen geschlagen und wurde von der Fleisch-Fraktion und allen, die beim Anblick einer Tofuwurst Schnappatmung kriegen, als grossen Siegeszug gefeiert: Das Bundesgerichtsurteil im Fall des Schweizer KMU Planted.
Planted, ein ehemaliges Start Up aus Kemptthal, das sich mittlerweile aufgrund des Erfolgs seiner Produkte KMU nennen darf, produziert pflanzliche Alternativen zu Pouletgeschnetzeltem, Spiessen und Steaks. Diese erfreuen sich derart grosser Beliebtheit, dass Sternekoch Tim Raue und Schwingerkönig Christian Stucki dafür werben und man in der legendären Kronenhalle in Zürich das nicht minder berühmte Zürcher Geschnetzelte mit Rösti auch als vegane Alternative mit Planted-Geschnetzeltem erhält. Der Proof of concept ist also erbracht: Die Alternative zu Geschnetzeltem aller Art bewährt sich in Alltag und Spitzenküche und Planted kann mittlerweile bereits in relevantem Ausmass exportieren – eigentlich ein Grund zu gratulieren!
Nicht aber für den Bund, der tatsächlich nichts Besseres zu tun hat, als Klage einzureichen gegen die Bezeichnung “Chicken”, die notabene klein unter der grossen Aufschrift “Planted” zu lesen ist. Ein Dorn im Auge von Proviande und dem Eidgenössischen Departement des Innern, das die Klage bis vor Bundesgericht weiterzog mit der Begründung, es handle sich um “Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten.” Die Behörden hatten moniert, dass die Bezeichnung trotz des Hinweises «auf Erbsenproteinbasis» und der Kennzeichnung «100 % pflanzenbasiert» irreführend sei – eine Einschätzung, die nun das Bundesgericht in letzter Instanz bestätigt hat. In einer öffentlichen Beratung hat das Bundesgericht entschieden, dass die Verwendung von Tierbezeichnungen für vegane Produkte auf der Basis von Erbsenproteinen nicht zulässig ist. Die Konsumenten würden damit über den Inhalt des Produkts getäuscht, wie die Mehrheit des Richtergremiums befand.
Es ist nicht nur der gesunde Menschenverstand, der ob dieser Argumentation den Kopf schüttelt, es ist auch ein Urteil der durchexerzierten Kleingeistigkeit, wie sie nur einem sehr pedantischen Erbsenzähler oder eben einer sehr einflussreichen Lobby entspringen kann. Unabhängig davon, ob man nun vegane Ersatzprodukte für sinnvoll erachtet oder nicht, kann doch niemand allen Ernstes behaupten, das gross mit “Planted” und unten klein mit “Chicken” beschriftete Produkt, gekennzeichnet mit einem leuchtenden Vegan-Label, würde mit dem fleischlichen Pendant verwechselt. Eine Irreführung der Konsumierenden liegt hier so wenig vor wie bei den “Steaks” und “Würsten”, die weiterhin diese Namen tragen dürfen. Die Antwort auf die berechtigte Frage, warum überhaupt eine Bezeichnung wie “Chicken” gewählt wurde, ist so einleuchtend wie banal: Wer mit dem Produkt nicht vertraut ist, weiss so genau, wie es zuzubereiten und einzusetzen ist – nämlich als Alternative zu Pouletfleisch. Abgesehen davon, dass es sich auch optisch stark von Poulet unterscheidet und mit Sicherheit nicht verwechselt werden dürfte, bietet die Vehemenz, mit der die Klage weitergezogen wurde, doch Anlass zu einem kritischen Blick auf die Motivation. Die genannte Irreführung der Konsumierenden steht nämlich in anderen Fällen gar nicht so weit oben auf der Agenda des EDI. So dürfen beispielsweise die beliebten “Smacks” Kellogs Frühstückscerealien mit «Knuspriger Weizen mit Vitaminen und Eisen” beworben werden, wodurch ein gesundheitlicher Mehrwert suggeriert wird – dies trotz einem beeindruckenden Zuckergehalt von 34 g pro 100 g. Irreführung der Konsumierenden? Offenbar nicht relevant genug, und es gäbe unzählige Beispiele anzufügen.
Es bleibt also nur zu vermuten, dass dem Bestreben, tierische Bezeichnungen für pflanzliche Alternativen zu verbieten, einzig die Motivation zu Grunde liegt, diesen den Markteintritt und die Etablierung zu erschweren. Fleischkäse ist schliesslich auch kein Käse, Teewurst enthält keinen Tee und das Salatblatt im Fleischsalat sucht manvergeblich. Für diese These spricht auch, dass sich der Kommunikationschef des Verbands der Schweizer Fleischwirtschaft, Philippe Haeberli, gegenüber dem SRF mehr als positiv über das Urteil äussert: «Wir haben mit Freude und Genugtuung von diesem Urteil Kenntnis genommen. Und wir finden es auch richtig, dass jetzt Klarheit herrscht und die Produkte wirklich so bezeichnet werden, wie sie der Konsument auch konsumieren und kaufen will.»
Weiter meint Haeberli: «Wir haben ein Interesse, dass das umbenannt wird, weil wir finden, dass es falsch ist. Wir sind aber nicht aktiv am Lobbying beteiligt.»
Was “nicht aktiv am Lobbying beteiligt” in diesem Kontext heissen mag, bleibt zu hinterfragen, aber mal ehrlich: Genugtuung? Echt jetzt? Es verschafft Genugtuung wie nach einem Siegeszug (wogegen eigentlich?), dass ein Schweizer KMU nun mit Mehrkosten konfrontiert ist, weil es sämtliche Produktbezeichnungen auf Verpackungen ändern muss? Ich wähle selten drastische Worte, aber ein bisschen armseelig ist das schon. Wenigstens hat dieser Bundesgerichtsentscheid massgeblich zur Bekanntheit von Planted beigetragen – im Prinzip eine Marketingaktion mit gepfefferten Nebenkosten, ein kleiner Lichtblick für das Unternehmen.
Und ein weiterer Lichtblick in nächster Nähe ist tatsächlich die Schweizer Käserei Züger, die zeigt, dass es auch anders geht. Statt Symbolgefechte um Bezeichnungen auszutragen, nutzt die Käserei, die primär Milchprodukte produziert, ihr Know-How und damit das Potenzial pflanzlicher Alternativen einfach für sich. So gibt es bei Züger nun auch Mozavella, Mascarvone, Cottage Drops (Alternative zu Cottage Cheese) und weitere Alternativen aus Soja aus der EU und biologischer Landwirtschaft. In weiser Voraussicht hat Züger bereits unverwechselbare Bezeichnungen gewählt, um allfällige Miesmacher*innen und andere komische Vögel von Klagen abzuhalten. Mit der Zeit gehen heisst eben, Innovation zu nutzen, sich neue Kundensegmente zu erschliessen und qualitativ hochwertige Produkte herzustellen, die nachgefragt werden. Und wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
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