Meret Schneider: US-Gruyère und wie Emmi die Schweizer Bauern konkurriert

Meret Schneider: US-Gruyère und wie Emmi die Schweizer Bauern konkurriert
Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: zVg)

Ein Gruyère AOP, ein Luzerner Rahmkäse oder die beliebten Joghurts PUR mit nur drei Zutaten – auf allen prangt das Emmi Symbol als Emblem, das wir mit Schweizer Milch und traditioneller Käserei verbinden. So ist auch auf der Website zu lesen: Vertrauen, Nähe zum Ursprung und Qualitätsbewusstsein prägen die langjährige Partnerschaft mit unseren Milchbauern. Mit Liebe und Leidenschaft kümmern sie sich täglich um ihre Kühe und sind stolz auf die innovativen Produkte, die wir aus ihrer Milch machen. Rund 280 davon sind stolze Emmi Bauernbotschafter. Gemeinsamen schaffen wir sozialen Mehrwert und machen nachhaltige Milchwirtschaft zur Norm.

Emmi stand auch für mich lange Zeit für traditionelle Schweizer Molkerei mit der Tendenz, auch Innovationen gegenüber offen zu sein, wie die neuen veganen Joghurts und Milchsorten beweisen – eine Kombination, die mich stets überzeugt hat. Stutzen liess mich jedoch eine Medienmitteilung der Emmi Group vom November 2023, in der angekündigt wurde, dass weitere Investitionen in die USA fliessen sollten. Interessanterweise erzielt Emmi nämlich seit einigen Jahren mehr Umsatz im Ausland als im Inland. Besonders gewachsen ist das Unternehmen mit der Division Americas. Im ersten Halbjahr 2023 erzielte Emmi dort 848 Millionen Franken Umsatz. Zum Vergleich: In der Division Schweiz waren es 857 Millionen. Für Emmi ist die USA nach eigenen Angaben der wichtigste Auslandsmarkt, wobei sich der Bedarf nach Verarbeitungs- und Vertriebskapazitäten sogar noch erhöht hat. Deshalb hat Emmi in Stoughton (Wisconsin) auf einer Fläche von über 14’600 Quadratmetern einen Neubau realisiert, um Käse laut Mitteilung ressourcenschonend zu verarbeiten. Mit dem neuen Verarbeitungszentrum will Emmi seine Position am US-Käse-Spezialitätenmarkt ausbauen. Nicht zuletzt soll der Neubau auch den Schweizer Bauern zu Gute kommen. “Der Standort schafft auch zusätzliche Absatzmöglichkeiten für importierten Schweizer Käse”, schreibt Emmi.

So weit so gut, ein internationaler Konzern, der expandiert und Absatzmöglichkeiten bestmöglich nutzt, ist weder ein Novum noch ein Stein des Anstosses und wenn dies sogar eine Exportchance für die Schweizer Bauern darstellt, umso besser. Letzter Satz jedoch liess mich innehalten: Warum sollte ein Standort, der in den USA Käse produziert und vertreibt und dadurch einen Teil der Nachfrage deckt, eine Chance für importierten Käse bieten? Ist es nicht viel mehr eine Konkurrenz für traditionell hergestellten Schweizer Käse, wenn vor Ort vom gleichen Konzern wesentlich günstiger sehr ähnliche Käseprodukte auf den Markt geworfen werden? Insbesondere, da “Gruyère” als Marke beispielsweise in den USA nicht geschützt ist und sich auf dem Markt wesentlich günstigere Produkte unter Namen wie “Wisconsin Gruyère” oder “Cheddar Gruyère” finden?

Gemäss einer Gerichtsakte verzichtet Emmi zwar darauf, Käse aus Wisconsin als Gruyère zu verkaufen, die Abmachung gilt aber nicht für artverwandte Eigenmarken, also für Gruyère-Käse, den Supermärkte von Emmi beziehen und dann mit eigener Etikette in den Handel bringen. So verkauft die Supermarkt-Kette Wegmans nicht nur Le Gruyère AOP aus der Schweiz, sondern auch das billigere Imitat aus Wisconsin. Tatsächlich stammen alle Gruyère-Käse im Angebot von der Emmi-Gruppe, auch wenn auf der amerikanischen Kopie der Name des Herstellers nicht erwähnt wird. Die Emmi-Sprecherin Simone Burgener hat dieses Arrangement auf Anfrage der Luzerner Zeitung bestätigt: “Im Auftrag von Handelspartnern produzieren wir, wie andere Hersteller auch, vor Ort artverwandte Käse, deren Vermarktung inklusive Auslobung nicht in unserer Verantwortung liegen”, meint Burgener. Damit wird ein für allemal deutlich, dass die Aussage, mit dem neuen Standort eine Chance für den Schweizer Export zu bieten, zumindest angezweifelt werden darf. Vielmehr werden dort in grösserem Ausmass günstigere Gruyère-Alternativen produziert, die den Absatz von Gruyère AOP sogar direkt konkurrieren, da die “artverwandten Käse” an Detailhändler geliefert werden, die sie dann unter beliebigem Namen vermarkten. Dass sich ein gewinnorientierter Grosskonzern wie ein solcher verhält – nun ja, gerade Breaking News sind das nicht. Dass dieses Marktverhalten jedoch als Chance für die Schweizer Produzentinnnen und Produzenten verkauft wird und man damit Profit auf Kosten der eigenen “Bauernbotschafter”, erwirtschaftet, die sich auf der Website zu Emmi bekennen, ist an Bigotterie kaum zu überbieten. Als Bauernbotschafterin würde ich mich ganz schön hintergangen fühlen und zumindest den angekündigten höheren Absatz konsequent einfordern. Als Konsumentin hingegen bleibt nur zu konstatieren, was in den allermeisten bäuerlichen Branchenzweigen gilt: Direktvermarktung nutzen und direkt beim Bauern oder der lokalen Käserei einkaufen. Damit hat man mit Sicherheit keinen Einfluss auf das Marktverhalten einer Emmi Gruppe, aber auf jeden Fall einen Einfluss auf die Zahlen und Zukunftschancen des Bauern vor Ort, und das ist doch schon einmal etwas.


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