Schweizer Wirtschaft behauptet sich in widrigem Umfeld

Schweizer Wirtschaft behauptet sich in widrigem Umfeld

Bern – Das Winterhalbjahr 2011/12 ist für die Schweizer Wirtschaft besser als erwartet gelaufen. Deswegen erhöht die KOF die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts in diesem Jahr auf 1.2%. Dies entspricht einer Steigerung um 0.4 Prozentpunkte gegenüber der letzten Prognose. Die Unsicherheiten bezüglich des weiteren Konjunkturverlaufs sind hoch, so dass für die nächste Zeit mit eher tiefen Wachstumsraten gerechnet werden muss. Die Arbeitslosigkeit bleibt mit 3.1% in diesem Jahr niedrig.

Die vier grössten Volkswirtschaften der Welt, die USA, China, Japan und Deutschland, entwickelten sich in den vergangenen Monaten recht passabel. Die Situation rund um die europäische Schuldenkrise hat sich hingegen nicht verbessert. Die Unsicherheit über die Zukunft der Europäischen Währungsunion ist – trotz des Wahlausgangs in Griechenland – immer noch hoch. Die KOF erwartet, dass sich viele Unternehmen mit Investitionsentscheidungen bis zu einer Klärung der Situation in Griechenland und Spanien zurückhalten werden, woraus im Euroraum und in der EU insgesamt ein Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) im 2. Quartal 2012 – nach einer Stagnation im 1. Quartal 2012 – resultieren dürfte.

Schweizer Konjunktur: schwächere Entwicklung erwartet
Ähnlich der Situation in Deutschland hat sich auch die Konjunktur in der Schweiz zu Jahresbeginn relativ gut entwickelt. Einen grossen Anteil daran habe sicherlich die Politik der Schweizerischen Nationalbank (SNB), deren Intervention am Devisenmarkt die Wirtschaft stabilisierte, so die KOF. Die positive Entwicklung war und ist auch auf dem Arbeitsmarkt ersichtlich. So dürfte die vollzeitäquivalente Beschäftigung dieses Jahr um 1.1% zunehmen, 2013 dann um 0.4%. Wenig Bewegung ist bei der offiziellen Arbeitslosenquote zu erwarten. Sie steigt von 3.1% in diesem Jahr auf 3.2% im Jahr 2013.

Privatkonsum stützt
Einer der Gründe für das gute 1. Quartal 2012 war die positive Entwicklung des privaten Konsums. Das Wachstum des privaten Konsums nahm zum Jahreswechsel 2011/2012 wieder an Fahrt auf. Die positive Reallohnentwicklung, die anhaltende Einwanderung sowie der robuste Arbeitsmarkt stützten den Konsum. Der private Konsum dürfte 2012 um 2% zunehmen, 2013 um 1.8%. Der öffentliche Konsum wird im Zuge der aktuellen konjunkturellen Abschwächung und aufgrund geschwundener Haushaltsüberschüsse in diesem und im kommenden Jahr wieder verhältnismässig schwach zunehmen (0.7%).

Das Wachstum der Bau- und der Ausrüstungsinvestitionen verlangsamt sich dieses Jahr. Darauf lässt beim Bau die rückläufige Zahl der Baubewilligungen im zweiten Halbjahr 2011 und Anfang 2012 schliessen. Die Bewilligungslücke wird sich in der zweiten Hälfte 2012 und Anfang 2013 in den Bauinvestitionen zeigen, die in diesem Jahr um 1.9% zunehmen und im nächsten Jahr um 1.5%.

Exportentwicklung unsicher
Im 1. Quartal 2012 führte die schwache Nachfrage aus den europäischen Ländern und den Nichtindustrieländern zu sinkenden Warenexporten von 1.8%. Insgesamt erwartet die KOF für das laufende Jahr aufgrund der rezessiven Lage vieler europäischer Länder und des anhaltend starken Frankens ein Wachstum der Warenexporte von lediglich 2.3%. Dieses beschleunigt sich 2013 leicht auf 3.5%.

Weniger Touristen in der Schweiz
Der Ölpreisanstieg liess den Transithandel und damit die Ausfuhren der übrigen Dienstleistungen kräftig wachsen, so dass die Dienstleistungsexporte trotz des starken Rückgangs bei den Tourismusexporten im 1. Quartal 2012 um 10.8% zunahmen. Im Jahresverlauf überwiegt die negative Entwicklung der Tourismusexporte, das heisst die Anzahl der ausländischen Touristen in der Schweiz dürfte sinken. In den kommenden Monaten werden die Dienstleistungsexporte erst abnehmen und sich dann wieder etwas erholen. Die KOF erwartet für 2012 einen Rückgang von 1.7% und für 2013 eine leichte Zunahme von 2.5%.

Importe überflügeln Exporte
Die Wareneinfuhren stiegen im 1. Quartal 2012 um 8.1%. Ausschlaggebend dafür war die Zunahme bei den Einfuhren von chemischen Erzeugnissen. Noch stärker als die Warenimporte wuchsen die Dienstleistungsimporte (13.1%). Die Warenimporte beschleunigen sich im Jahresverlauf und erhöhen sich in diesem Jahr um 4.4%. 2013 nimmt das Wachstum der Warenimporte weiter auf 5.1% zu. Die Einfuhren steigen entsprechend stärker als die Ausfuhren, womit der Überschuss der Handelsbilanz etwas abgebaut wird.

Risikofaktoren für den Aufschwung
Werden sich jetzt die Unsicherheiten über den Weg Griechenlands schrittweise beseitigen, dürfte sich die Investitionsbereitschaft in Europa wieder beleben und die Lage an den Finanzmärkten allmählich beruhigen, schreibt die KOF weiter. Dies sei selbst für den Fall zu erwarten, dass eine neue griechische Regierung den Sparkurs aufkündigt, die Troika daraufhin die Hilfszahlungen einstellt und Griechenland den Staatsbankrott erklären müsste.

Zwar wären die Konsequenzen für Griechenland schwerwiegend und auch Griechenlands Gläubiger hätten unter dem Ausfall (zumindest eines Teils) ihrer Forderungen zu leiden. Insgesamt dürfte sich der Wegfall dieses bedeutenden Unsicherheitsfaktors indes beruhigend auf die Weltwirtschaft auswirken. Die KOF geht nach wie vor nicht davon aus, dass ein möglicher Staatsbankrott Griechenlands samt dem Ausscheiden des Landes aus der Währungsunion letztere zerfallen liesse, da es Institutionen gibt, die dies verhindern können – und notfalls auch verhindern würden. (KOF/mc/pg)

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