Jim O‘Neill, Goldman Sachs Asset Management

Jim O‘Neill, Goldman Sachs Asset Management

Jim O‘Neill, Verwaltungsratsvorsitzender von Goldman Sachs Asset Management und Partner der Investmentbank

Von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch.

payoff im Gespräch mit Jim O‘Neil, Verwaltungsratsvorsitzender bei Goldman Sachs Asset Management und Begründer der Abkürzung «BRIC» und «Next11», exklusiv über China, die Aussichten der Emerging Markets, den Ölpreis und die Entstehungsgeschichte seiner Wortschöpfung.

payoff: Jim, waren Sie von den jüngsten BIP-Zahlen der Chinesen – ein Wachstum von «nur» 7,8% – überrascht?

Jim O’Neil:Überhaupt nicht. China musste ein sehr schwieriges Jahr hinter sich bringen, hat aber die Herausforderungen sehr gut gemeistert. Wenn China ein Fussball-Team wäre, würde ich deren Trikot tragen. Es ist absolut bemerkenswert, wie die Chinesen mit wirtschaftlichen Herausforderungen umgehen und sie letztlich meistern. Dass jeder Ökonom und Anleger seine Augen auf China richtet, zeigt nur, wie wichtig die Chinesen inzwischen für die Welt geworden sind. Ich würde meinen, es ist heute das wichtigste Land auf der Welt.

Das wichtigste Land für was genau – Billigprodukte, Konsum, Rohstoffe?

Die Zeit für reine Billigprodukte, die dann nach Europa oder in die USA verschifft werden, läuft in China von Monat zu Monat ab. Nein, die neue chinesische Regierung hat gerade damit gestartet, den Binnenkonsum mehr denn je als bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu etablieren. Ich schaue mir regelmässig die monatlichen Einzelhandelsumsätze gegenüber der Industrieproduktion an. Dort lässt sich ablesen, dass seit einigen Monaten der Konsum als Nachfrage-Element tatsächlich in Erscheinung tritt.

Sind jetzt knapp 8% Wachstum ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die chinesische Wirtschaft?

Es ist wichtig, dass die Anleger von dem Gedanken wegkommen, nur bei 10% Wachstum geht es China und seiner Wirtschaft gut – das ist Quatsch! Das Wachstum wird in den nächsten Jahren zwischen 7% und 8% betragen, vielleicht auch mal etwas mehr oder leicht weniger. Aber unter dem Strich ist entscheidend, dass China erfolgreich von der reinen Exportwirtschaft hin zu einer Konsum- und  Industrieveredelungsgesellschaft migriert. Die ersten Anzeichen dafür kann man, wie gesagt, gut ablesen.

«In Emerging Markets zahlt sich einzig und allein Langfristigkeit aus.»
Jim O’Neill, Coldman Sachs Asset Management

Mit Blick auf Emerging Markets allgemein: In welchen Branchen lohnt es sich zu investieren?

Der Anleger muss sich vorab zunehmend entscheiden, ob er das Thema Emerging Markets über lokale Player oder globale Firmen spielen möchte. Egal wie man sich entscheidet, in jedem Fall würde ich mir den Konsumsektor ansehen – das ist aus Anlegersicht die  Geschichte des Jahrzehnts. Hier ist also die Wahl zwischen lokal gelisteten Anbietern in den jeweiligen Ländern, aber auch sehr gut vernetzten Spielern, wie zum Beispiel Nestlé.

Nestlé wäre also immer noch ein kaufenswerter Tipp?

Absolut. Ich war im Herbst letzten Jahres auf einem Treffen mit dem Nestlé-Management, und es war sehr beeindruckend, wie gut vernetzt dieses Unternehmen in den Emerging Markets unterwegs ist.

Sind chinesische Aktien – zumindest solche, die man als westlicher Anleger erwerben kann – noch günstig bewertet?

Auf jeden Fall – chinesische Aktien sind derzeit überwiegend schon fast billig.

Was raten Sie Anlegern, die jetzt breit diversifiziert in Emerging Markets investieren möchten?

Da gibt es eine ziemlich einfache Antwort: Goldman Sachs hat letztes Jahr drei neue GIVI-Indizes und entsprechende Aktienfonds lanciert. Damit kann man bequem am Thema partizipieren.

Folgt auch noch ein Tracker-Zertifikat?

Vielleicht, gut möglich. Da müssten wir bei den betreffenden Kollegen nachfragen.

Welcher Emerging Market ist Ihr Favorit für 2013?

Ich halte den türkischen Aktienmarkt, trotz der jüngsten Rally, immer noch für günstig bewertet. Und bewerten heisst bei mir nach dem CAPE, sprich dem «cyclically adjusted price earnings ratio». Daneben erscheint mir Nigeria auch ein sehr spannender Markt. Dieser  afrikanische Staat könnte in 30 Jahren eine Bevölkerungsdimension gleich gross wie heute die USA haben. Das ist extrem interessant und die Aktienbewertungen sind entsprechend tief.

«Ölpreis keine übermässige Veränderung nach oben.»

Wo treibt der Rohstoffhunger Chinas und der Emerging Markets den Ölpreis 2013 hin?

Nachdem insbesondere Peking das Wachstum in geordnete Bahnen lenkt, sehe ich beim Ölpreis keine übermässige Veränderung nach oben. Auch die Thematik mit dem Shale Gas in den USA hält die Preise wahrscheinlich eher zwischen 90 und 100 US-Dollar pro Barrel.

Was ist Ihre Quintessenz für Anleger, die in den aufstrebenden Märkten ihr Geld investieren?

Investieren Sie stets einen kleinen oder besser gesagt überschaubaren Betrag und schauen Sie nicht gerade jeden Tag nach dem Geld. In Emerging Markets zahlt sich einzig und allein Langfristigkeit aus.

«Der Begriff BRIC entstand letztlich in einem Londoner Pub.»

Als letzte Frage: Wie kamen Sie eigentlich auf den Begriff BRIC und Next11?

Sie haben mich ja vorher schon auf das Thema Manchester United und meine grosse Fan-Leidenschaft angesprochen. Es lag also auf der Hand, dass das heranwachsende Team von vielversprechenden Volkswirtschaften aus elf Ländern bestehen sollte. Bei BRIC kann ich nur so viel sagen: Der Begriff entstand letztlich in einem Londoner Pub.

Herzlichen Dank für das Interview.

Der Gesprächspartner:

ist seit September 2010 Verwaltungsratsvorsitzender von Goldman Sachs Asset Management und Partner der Investmentbank. Er ist  eit 1995 in Diensten von Goldman Sachs, u.a. als Head of Global Economics, Commodities und Strategy Research. Er wurde weltweit  bekannt durch Begründung der Abkürzung «BRIC» – die vier Staaten mit dem künftig stärksten Wirtschaftswachstum weltweit. Ebenso entstammt der Begriff der «Next11» aus seiner Feder. Er startete seine Bankkarriere bei der Marine Midland Bank, damals eine Tochter der Bank of America, und arbeitete später lange Zeit für die Schweizerische Bankgesellschaft (heute UBS). Gebürtig aus Manchester, beteiligte er sich 2005 an einem privaten Investorenpool, der Manchester United übernehmen wollte. Zuvor amtete er als Non-Executive-Director bei ManU. Ein Masterabschluss und ein Doktortitel der University of Surrey runden sein akademisches Profil ab. Er ist Treuhänder der Londoner Charity SHINE und Vorsitzender des Greater Manchester Local Enterprise Partnership Advisory Board.

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