Wiedergewählter Napolitano soll Italien aus der Krise führen

Wiedergewählter Napolitano soll Italien aus der Krise führen

Giorgio Napolitano. 

Rom – Der italienische Staatschef Giorgio Napolitano (87) ist mit einer satten Mehrheit wiedergewählt worden und kann gestärkt die schwere Regierungskrise in Rom angehen. Erst in der sechsten Runde der Präsidentenwahl am Samstag in Rom angetreten, schaffte Napolitano auf Anhieb die überzeugende Mehrheit von 738 Stimmen der 1007 Parlamentarier. Die absolute Mehrheit von 504 Stimmen hätte ihm gereicht. Nach zwei gescheiterten Kandidaten in den ersten Runden hatte sich das Staatsoberhaupt bereiterklärt, erneut anzutreten.

An diesem Montag wird Napolitano vereidigt. Danach ist mit ersten Konsultationen für eine Regierungsbildung zu rechnen. Italiens erster Staatschef mit einer zweiten Amtszeit wurde mit einem langem Applaus gefeiert. Gegenkandidat Stefano Rodotà von der Protestbewegung «Fünf Sterne» Beppe Grillos kam auf 217 Stimmen. Alle grossen Parteien ausser der populistischen Bewegung M5S hatten Zustimmung zu Napolitanos Wiederwahl signalisiert und ihn zu diesem Schritt gedrängt. Auch der an einer grossen Koalition interessierte Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi setzt damit auf Napolitano. «Ich habe nicht gewonnen», meinte er zu Einschätzungen seiner politischen Gegner, die Wiederwahl Napolitanos sei positiv für das rechte Lager.

«Staatsstreich»
Grillo nannte die Wahl einen Staatsstreich und forderte Millionen Anhänger zum «Marsch auf Rom» auf. Tausende seiner Anhänger hatten an den vergangenen Wahltagen vor dem Parlament demonstriert und wollten auch am Sonntag zu einer Protestkundgebung zusammenkommen. Nach heftiger Kritik schwächte er seinen Vorwurf am Sonntag vor Medien und Anhängern zu einem «ausgebufften kleinen Putsch» ab. Er prophezeite, dass eine jetzt absehbare Regierung nicht funktionieren werde: «Sie sind dabei, uns ein Jahr Zeit zu stehlen», rief er aus.

Giuliano Amato als Ministerpräsident
Vor der Wahl Napolitanos hatte es fünf ergebnislose Runden gegeben, die Kandidaten Franco Marini und Romano Prodi fielen klar durch. Das Parlament wird seit den Wahlen Ende Februar durch ein Patt gelähmt. Dies aufzulösen, ist jetzt Napolitanos dringendste Aufgabe. Weil das Ende seiner ersten siebenjährigen Amtszeit bevorstand, konnte er den Parteien bisher nicht mehr damit drohen, notfalls das Parlament für Neuwahlen in diesem Sommer aufzulösen. Angenommen wird, dass Napolitano, der Neuwahlen bisher immer ablehnte, nun eine breite Regierungskoalition anstrebt, die ein bis zwei Jahre halten sollte. Als Ministerpräsident wird der linke Ex-Regierungschef Giuliano Amato (74) gehandelt, der als Präsidentschaftskandidat im Gespräch war.

Bersani zurückgetreten
Der Chef der von der Spaltung bedrohten linken Demokratischen Partei (PD), Pier Luigi Bersani, trat zusammen mit der PD-Leitung zurück. Er zog damit die Konsequenzen aus der Tatsache, dass etwa 100 linke Parlamentarier Prodi beim vierten Wahlgang am Freitag die Stimme verweigert hatten. «Jeder Vierte unter uns hat Verrat geübt», erklärte der gescheiterte Parteichef in Rom. Bersani hatte mit Prodi und Marini Kandidaten ins Rennen geschickt, die beide durchfielen. Bersanis Rücktritt war erwartet worden. Es gebe Bestrebungen, die linke Partei zu zerstören, sagte er. «Ich kann nicht hinnehmen, dass meine Partei dabei ist, eine Lösung zu verhindern, das ist zu viel.» Der Linken stand es nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen Ende Februar zu, Kandidaten für das höchste Staatsamt vorzuschlagen. Der Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi (38), könnte bei einem vorgezogenen PD-Kongress neuer Parteichef werden. Offen ist, welche Rolle die zerstrittene Partei bei der Regierungsbildung spielen wird.

Napolitano fordert Verantwortungsbewusstsein auch von den politischen Kräften
Er könne sich nach den Krisengesprächen mit den Parteien beider Seiten der Verantwortung für die Einheit und den Zusammenhalt der Nation nicht entziehen, hatte Napolitano seinen Schritt kurz vor der Wahl begründet. Er forderte dieses Verantwortungsbewusstsein auch von den politischen Kräften. In den vergangenen Monaten hatte er mehrfach eine erneute Kandidatur abgelehnt und auf sein hohes Alter verwiesen.

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck gratulierte Napolitano und wünschte ihm eine immer glückliche Hand bei der Bewältigung der schwierigen Aufgaben. «Deutschland will Ihnen dabei ein guter und stets hilfreicher Partner sein», so Gauck, der mit Napolitano die Idee eines geeinten Europas als Richtschnur politischen Handels teilt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) gratulierten ebenfalls. (awp/mc/ps)

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