US-Regierung rudert zurück

US-Regierung rudert zurück

Terrorabwehr-Berater John Brennan hatte sich wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt.

Washington – Die US-Regierung musste zurückrudern. Osama bin Laden war unbewaffnet, als ihn ein US-Sonderkommando erschoss, und er benutzte auch seine Ehefrau nicht als menschlichen Schutzschild. Die Korrektur ist peinlich, zumal sich Terrorabwehr-Berater John Brennan aus dem Weissen Haus so weit aus dem Fenster gelehnt hatte. «Er (Bin Laden) lieferte sich mit denen, die hineinkamen, ein Feuergefecht», sagte er am Montag ohne Wenn und Aber. Und geradezu spöttisch liess er sich darüber aus, dass der Massenmörder sich feige hinter einer Frau versteckt habe.

Dennoch: Mehr als ein kleiner «Schönheitsfehler» in all der Begeisterung und dem Selbstlob über eine perfekte Geheimoperation gegen Amerikas Staatsfeind Nummer Eins scheint das für die Amerikaner jedenfalls bis jetzt nicht zu sein. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich der Jubel über die Aktion und der Rückenwind für US-Präsident Barack Obama durch die neuen Enthüllungen spürbar abschwächen würde.

«License to kill»-Diskussion nur am Rande
Zwar berichteten die US-Medien am Mittwoch gross darüber, dass die Regierung frühere Angaben zurücknehmen musste. Aber eine Diskussion darüber, ob die Navy SEALs überhaupt den Versuch unternahmen oder unternehmen sollten, Bin Laden lebend zu fassen, fand eher am Rande statt, die Frage über die Legalität einer gezielten «License to kill» geriet nie in den Vordergrund. Und die Medien geben da anscheinend die Stimmung in der Bevölkerung wider. Nach einer USA Today/Gallup-Umfrage finden nur 33 Prozent, dass es für die USA besser gewesen wäre, Bin Laden lebend zu fassen, 60 Prozent halten seine Tötung für die beste Lösung. Und 93 Prozent stehen voll und ganz hinter der Aktion, die mit dem Tod des Terroristenführers endete.

«Fog of War»-Verteidigung
Wenn Kritik an den ersten falschen Darstellungen aufkommt, dann eher daran, dass die Regierung in derart wichtigen Punkten entweder die Fakten nicht kannte oder nicht genügend checkte, bevor sie damit an die Öffentlichkeit ging. Das Weisse Haus verteidigt sich mit dem «Fog of War», damit, dass es bei Kriegsgeschehen häufig zunächst Verwirrung über die unmittelbaren Abläufe gibt. Es habe eine «grosse Hast» gegeben, die Öffentlichkeit so schnell wie möglich mit Details über die Operation zu versorgen. Erst nach und nach, als immer mehr Mitglieder des Spezialkommandos befragt worden seien, sei die Faktenlage klar geworden. Und schliesslich, so sagt Sprecher Jay Carney, habe man die falschen Angaben ja auch freiwillig korrigiert, als die Qualität der Informationen besser geworden sei.

Nicht darauf aus den Wissensdurst zu stillen
Aber Tatsache ist es natürlich auch, dass das Weisse Haus nicht nur darauf aus war, den Wissensdurst der Öffentlichkeit zu befriedigen. Es war schlicht auch heiss darauf, die Erfolgsstory so rasch und wie möglich an den Mann und die Frau zu bringen, und zwar möglichst plastisch – schliesslich war es wirklich eine riskante und präzise durchgeführte Operation. Und dabei wurde denn anfangs wohl auch etwas übertrieben, wie etwa die «Washington Post» es anklingen lässt. Sie spricht von einem «unangenehmen» Augenblick für die Obama-Regierung in ansonsten so überwältigend guten Tagen. Und die Republikaner, die sonst kein schlechtes Haar in dieser Suppe finden können, greifen das denn auch dankbar auf. «Ich glaube, wir können Probleme bekommen, wenn Leute das hier für politische oder Propagandavorteile ausschlachten wollen», sagt der Kongressabgeordnete Mike Rogers von der konservativen Partei.

Redseliger CIA-Chef
Aber ihm wird wohl kaum jemand zuhören, die Amerikaner saugen weiterhin dankbar jedes Detail über «Geronimos» Vernichtung auf. Und die CIA ist sichtlich überglücklich, dass sie so massgeblich an diesem gelungenen Coup beteiligt war. Noch nie in der Geschichte der USA hat es einen derart redseligen CIA-Chef gegeben wie jetzt Leon Panetta, der anscheinend derzeit kein Interviewanfrage grosser US-Medien abschlagen mag. Experten in Sachen Regeln bei Kampfeinsätzen stärken der US-Regierung mittlerweile einstimmig den Rücken. Bei einer Operation mit einem «Ziel» so gefährlich wie Bin Laden hätten die SEALs jedes Recht gehabt, beim Sturm des Zimmers mit dem Terroristenchef auch nur bei der kleinsten Bewegung zu feuern. «Wenn er sich ergeben oder bewusstlos am Boden gelegen hätte, dann würde das (die Tötung) ernste Fragen aufwerfen», zitiert die «New York Times» John Bellinger III, Rechtsberater im Weissen Haus. «Aber hier handelt es sich um einen extrem gefährlichen Kerl. Wen er jemandem im Flur zunickt oder zum Bücherregal rennt oder du glaubst, dass er eine Selbstmordattentat-Weste trägt, stehst du auf festem Grund, wenn du ihn tötest.» (awp/mc/gh)

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