Albert Baehny, CEO Geberit AG

von Alexander Saheb


Was hat Sie im vergangenen Geschäftsjahr 2009 am meisten beeindruckt?

Zum einen hat mich das Ausmass und die Intensität des weltweiten wirtschaftlichen Rückgangs beeindruckt. Zum andern hat es mich mit Befriedigung erfüllt, wie erfolgreich Geberit und alle seine Mitarbeitenden der Krise getrotzt haben und wir deshalb ohne Restrukturierungen oder Entlassungen durch das schwierige letzte Jahr gekommen sind.


Wie ist es Ihnen gelungen, trotz eines sichtbar rückläufigen Umsatzes die Mitarbeiterzahl nahezu konstant zu halten?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen waren wir durch vorausschauendes, langfristig orientiertes Denken und Handeln zu keinerlei kurzfristigen Überreaktionen als Folge der Krise gezwungen. Wir haben zudem nicht an unseren Fähigkeiten gezweifelt, auch in schwierigen Zeiten trotz sinkenden Umsätzen hohe operative Margen zu generieren. Die Krise sehen wir als Chance für Geberit, noch stärker zu werden. Geholfen hat uns ebenfalls unser striktes Kostenmanagement. Wichtig war uns aber auch unsere Loyalität mit und unser Commitment zu unseren Mitarbeitenden.


Obwohl alle relevanten Finanzkennzahlen gesunken sind, will der VR die Aktionäre «an der positiven Geschäftsentwicklung teilhaben lassen», heisst es in der Medienmitteilung. Heisst positiv in diesem Fall, dass es nicht noch schlechter gekommen ist?

Trotz sehr schwierigen Rahmenbedingungen waren wir in der Lage, rekordhohe operative Margen zu erzielen. Das Nettoergebnis lag mit rund 400 Millionen Franken zwar unter dem Vorjahreswert, negativ beeinflusst hauptsächlich durch einen einmaligen Sondereffekt. Wir haben aber dennoch fast 350 Millionen Franken freien Cashflow erwirtschaftet und können uns deshalb auch erlauben, einen sehr hohen Dividendenbetrag auszuschütten.


«Nachhaltiges Wirtschaften ist ein wichtiger Pfeiler unseres Erfolgs.»


Liest man Ihren Ausblick aufs laufende Jahr, ist von rückläufiger Bautätigkeit in den meisten wichtigen Märkten die Rede. Das lässt wohl kein Wachstum der Financials erwarten?

Wir nehmen auch im Jahr 2010 keine Änderungen an unseren Prioritäten und unserer Strategie vor. Wir investieren weiterhin in unsere Zukunft in Form von Erfolg versprechenden Produktneueinführungen, Investitionen auf konstant hohem Niveau sowie erhöhten Marketing- und Vertriebsaufwendungen. Konkrete quantitative Umsatzprognosen machen wir zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der unsicheren weltwirtschaftlichen Entwicklung nicht. Ergebnisseitig gehen wir davon aus, dass wir uns im laufenden Geschäftsjahr beim operativen Cashflow (EBITDA) innerhalb der mittelfristigen Zielsetzungen von 23 bis 25% bewegen werden.


Gibt es bestimmte Produkte oder Regionen, die für sie 2010 ein sicherer Hafen sein werden?

In Europa und in Nordamerika wird die Rezession der Bauwirtschaft anhalten. Einige Märkte wie Deutschland, die Schweiz, Frankreich oder Polen werden sich im besten Fall stabil entwickeln. Für Asien sind wir dagegen positiv, was die unmittelbare Zukunft anbetrifft.


Bestätigen die ersten Wochen des Geschäftsjahrs das im Ausblick vermutete Szenario?

Wir veröffentlichen Umsätze und Ergebnisse für das erste Quartal am 29. April 2010. Bis dahin werden wir keine Kommentare über die aktuelle Geschäftsentwicklung abgeben.


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Welche Prioritäten haben Sie in den kommenden Wochen?

Wir setzen uns keine so kurzfristigen Prioritäten. Für das Gesamtjahr 2010 konzentrieren wir uns unter anderem auf die erfolgreiche Einführung unserer neuen Produkte, auf die weitere Internationalisierung unseres Geberit AquaClean-Geschäfts, auf die Optimierung der Logistik- und Produktionsprozesse sowie auf gezielte Massnahmen zur Steigerung des organischen Umsatzwachstums in sämtlichen Märkten.


Geberit weist eine im Industriebereich sehr hohe Eigenkapitalquote und stark gewachsene Cashbestände von fast 300 Mio. Franken aus. Was haben Sie mit der Liquidität vor?

Vorerst werden wir unseren Aktionären trotz sinkenden Ergebnissen eine um 18,5% auf 6,40 Franken substanziell erhöhte Dividende ausschütten. Darüber hinaus sind wir der Ansicht, dass ein finanzielles Polster in schwierigen Zeiten sicher nicht falsch ist. Längerfristig sehen wir eine Kombination von Investitionen in unser organisches Wachstum und einer attraktiven Dividendenpolitik. Zudem gäbe es ? abhängig von verschiedenen externen und internen Faktoren ? auch noch die Möglichkeit von Akquisitionen und Aktienrückkäufen.


«Der Börsenkurs ist für mich keine relevante Steuerungs- oder Zielgrösse.»


Geberit ist laut einem Ranking des WEF das nachhaltigste Schweizer Unternehmen. Viele auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Investoren engagieren sich in Geberit. Gleichzeitig wird im Thema «Nachhaltigkeit» die nächste Bubble der Finanzindustrie vermutet (folgend dem Programm der Fachmesse 2. Säule Anfang Mai). Wie sehen Sie das?

Nachhaltiges Wirtschaften ist ein wichtiger Pfeiler unseres Erfolgs. Wir sind klar der Meinung, dass die Unternehmen heute über Nachhaltigkeit nachdenken und entsprechend handeln müssen. Unsere gute Position im Markt verdanken wir unter anderem auch den permanenten Anstrengungen, nachhaltige Produkte immer effizienter zu produzieren. Für uns heisst nachhaltiges Handeln aber nicht nur, unsere internen Prozesse bezüglich Nachhaltigkeitsaspekten zu optimieren, sondern auch neue Produkte auf den Markt zu bringen, die Massstäbe beim Wassersparen und bei der Wasserqualität setzen.


Die Aktie peilt bereits wieder die Marke von 200 Franken an und nähert sich damit absoluten Höchstständen. Was bedeutet Ihnen der Kurs?

Der Börsenkurs ist für mich keine relevante Steuerungs- oder Zielgrösse. Wir versuchen jeden Tag, unsere strategischen Ziele optimal umzusetzen. Erfolg in Form von steigenden Börsenkursen sollte sich dann längerfristig automatisch einstellen.


Nach einigen Jahren an der Geberit-Spitze und einem ansprechenden Leistungsausweis sind Sie jetzt bereit für ? ?

?weitere Jahre und Erfolge bei Geberit.





Der Gesprächspartner:
Albert M. Baehny (*1952) ist in der französischen Schweiz aufgewachsen und hat nach seiner Schulzeit Biologie studiert mit Abschluss 1978 an der Universität Fribourg. Er begann 1979 seinen Berufsweg in der Forschung der Serono-Hypolab, Genf. Sein weiterer Weg führte ihn über unterschiedliche Marketing- und Vertriebsführungsfunktionen bei Dow Chemicals Europe, Ciba Geigy, Ciba SC, Vantico und Wacker Chemie zur Geberit Gruppe. Seit 2003 ist er Mitglied der Geberit-Konzernleitung, seit 2005 deren Vorsitzender.


Das Unternehmen:
Die Geberit Gruppe ist der europäische Marktleader in der Sanitärtechnik mit globaler Ausrichtung. Seit der Gründung 1874 zählt das Unternehmen zu den Pionieren der Branche und setzt mit umfassenden Systemlösungen immer wieder neue Trends. Geberit ist in 40 Ländern mit Vertretungen aktiv. Der Umsatzschwerpunkt liegt in den europäischen Hauptmärkten mit starken Wachstumsmöglichkeiten in Zentral- und Osteuropa, Grossbritannien, Nordamerika, China und Südostasien. Das Unternehmen besitzt 15 Produktionsstandorte in sieben verschiedenen Ländern. Die Hauptproduktionsstätten befinden sich in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. Das Produktspektrum ist sowohl für Neubauten wie auch für Renovationen und Modernisierungen konzipiert. Es umfasst die Produktbereiche Sanitärsysteme und Rohrleitungssysteme. Im Jahr 2009 erwirtschaftete die Geberit Gruppe 2,2 Milliarden Franken Umsatz. Sie beschäftigt weltweit rund 5’600 Mitarbeitende. Seit 1999 ist das Unternehmen mit Sitz in Rapperswil-Jona an der Schweizer Börse kotiert.

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