Andreas Pohl, GL-Vorsitzender Lidl Schweiz GmbH

von Radovan Milanovic


Mitte März hat Lidl 13 Filialen in der Schweiz eröffnet. Was ist Ihre Bilanz der ersten 100 Tage? Denn das ideale Timing eines Markteintritts für einen Lebensmittel-Discounter ist die Rezession. Wie stellen Sie sich dazu?


Wir können sagen, dass wir sehr zufrieden mit dem Kundenzuspruch der ersten Monate sind. Das Eröffnungsdatum 19.03.2009 wurde in unserer internen Planung bereits seit längerem festgesetzt, unabhängig von den gegenwärtigen wirtschaftlichen Gegebenheiten.


Im Vorfeld der Aufnahme Ihrer Geschäftstätigkeiten in der Schweiz, d.h. bereits im Dezember 2008, haben Sie sich an die Wettbewerbskommission, die Weko, gewandt, da Coop die Markenhersteller unter Druck setzte, Sie nicht zu beliefern. Hat sich das Problem in der Zwischenzeit gelöst? Die Weko hat offen gelassen, ob sie gegen Coop und Migros diesbezügliche Verfahren einzuleiten. Wurde ein entsprechendes Verfahren eingeleitet?


Wir haben uns im Dezember 2008 im Interesse unserer Lieferanten an die Weko gewandt, zu allfälligen Verfahren der Weko können wir uns derzeit nicht äussern.


Sind Sie nun frei bei der Wahl Ihrer Produzenten und Zulieferer? Was sind die Gründe, wieso Sie Produkte wie Zweifel Chips, Feldschlösschen, Lindt ?nicht mit an Bord nehmen?


Wir haben unser Sortiment mit 1800 Artikeln festgelegt und pflegen eine gute und faire Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten. Unser Sortiment kommt bei unseren Kundinnen und Kunden sehr gut an. Es gibt also keinen akuten Handlungsbedarf. Trotzdem wollen wir attraktiv bleiben und prüfen immer wieder die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden. Wir haben zunehmend Anfragen von Schweizer Lieferanten. Wir werden jede Anfrage prüfen.


Mit Lieferanten wie Nestlé, Traitafina, Emmi, Max Havelaar und Hug haben Sie im Gegenzug vereinbart, dass diese Firmen auch Lidl Deutschland beliefern können. Ist dies bereits der Fall? Wie ist die Akzeptanz deutscher Kunden auf hochpreisige Produkte bei einem Lebensmitteldiscounter wie Lidl?


Das ist sicher ein interessanter Aspekt für unsere Lieferanten. Wichtige Voraussetzung ist aber eine kontinuierliche und faire Zusammenarbeit in der Schweiz. Teilweise gab es bereits vor der Eröffnung von Lidl Schweiz eine Zusammenarbeit. Wir werden weiteren Möglichkeiten prüfen.


«?dass fast sämtliche unsere Produkte spezifische Schweizer Ausstattungen und Deklarationen benötigen. Daher müssen diese Verpackungen speziell für die Schweiz hergestellen?»


Ein erster Preisvergleich von 50 Produkten mit Ihrem Schweizer Konkurrenten Aldi durch den K-Tipp zeigt, dass Ihr Warenkorb 2,3% günstiger ist, als Aldis. Anderseits ist der gleiche Warenkorb in der Schweiz bei Ihnen 29,8%, bei Aldi Schweiz 28,3% teurer als der identische in Deutschland. Wie begründen Sie diesen Preisunterschied?


Wir möchten darauf hinweisen, dass die Schweiz mit den bestehenden Gegebenheiten und Gesetzen (Zölle, Handelshemmnisse etc.) eine Besonderheit darstellt. Ein Beispiel ist, dass fast sämtliche unsere Produkte spezifische Schweizer Ausstattungen und Deklarationen benötigen. Daher müssen diese Verpackungen speziell für die Schweiz hergestellt und gedruckt werden. Dies gilt auch für Produkte im Near-Food Bereich. Dies führt unter anderem zu den angesprochenen Preisunterschieden.


Der schweizerische Gewerbeverband geht davon aus, dass der Detailhandel in 2009 mit einem gesättigten Markt, Überkapazitäten und einem Strukturwandel konfrontiert sein wird.  Trotzdem sind Sie äusserst optimistisch, was den Schweizer Markt betrifft. Anderseits tut sich Lidl in Skandinavien schwer und hat sich 2008 gar aus Norwegen zurückgezogen. Was sind die Gründe für den Rückzug?&


Zu Entscheidungen anderer Landesgesellschaften können wir uns als Lidl Schweiz nicht äussern.


Der Eintritt von Aldi in den Schweizerischen Lebensmittelhandel hat die Konsumenten polarisiert. Die einen standen dem Discounter reserviert gegenüber, die anderen freuten sich mit dem Argument, dass Coop und Migros gezwungen wurde, die künstlich hoch gehaltenen Lebensmittelpreise zu senken. In der Zwischenzeit ist der Discounter akzeptiert und weist seit seiner Eröffnung vor drei Jahren 1 Milliarde Franken Umsatz oder 2,5% des Schweizerischen Detailhandelsumsatzes aus. Wo wollen Sie in drei Jahren stehen?


Wir machen generell keine Aussagen zu Geschäftszielen. Wir wollen ein Nahversorger für die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz sein. Mit unserem sehr guten Preis- Leistungsverhältnis können wir überall in der Schweiz punkten.


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Lidl will bis Ende 2009 ihr Filialnetz von jetzt 13 verdoppeln. Bei einem geplanten schweizerischen Filialnetz dürften es jedoch mehr Filialen sein. Im Vergleich dazu: Aldi verfügt knapp 100 und Denner 900 Standorte. Führt der explosionsartige Anstieg gleichartiger Ladengeschäfte nicht zu einem ruinösen Verdrängungswettkampf?


Wir haben den Schweizer Markt eingehend studiert und sind der Meinung, dass es durchaus Potenzial für einen weiteren Lebensmittelanbieter gibt.


Inwiefern konkurrenzieren Sie sich in der Schweiz mit dem deutschen Lebensmittel Discounter Aldi?


Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu unseren Mitbewerbern grundsätzlich nicht äussern.


Eine Untersuchung durch das Beratungsunternehmen Furher & Hotz geht davon aus, dass die Schweiz hoffnungslos overstored sei. Denn auf jeden Einwohner des Landes entfallen 1,6 m2 Detailhandelsfläche, der höchste Wert in ganz Europa. Im EU-Schnitt liegt die Zahl bei 1,1 m2. Vor diesem Hintergrund bestehe ganz offensichtlich kein Nachholbedarf bei Verkaufsflächen. Im Gegenteil, der Markt sei gesättigt und, dass jeder Neubau à priori risikobehaftet sei. Können Sie diese Aussagen bestätigen?


Wir haben den Schweizer Markt eingehend analysiert. Es gibt Platz. Wichtig ist doch eine Vielfalt unter den Anbietern. Diese ging in der Schweiz in den letzten Jahren verloren. Nun kehrt diese Vielfalt zurück.


Im Schweizerischen Detailhandel dürfte Migros rund 45%, Coop rund 33% und Aldi rund 2,5% an Marktanteilen halten. Zu Lasten welcher Gruppe dürften Sie Marktanteile gewinnen? Wie wollen Sie Neukunden gewinnen?


Wir wollen unsere Kunden mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen. Marken-Qualität muss nicht teuer sein. Das bestätigen uns viele Kundinnen und Kunden, die bereits heute zu uns einkaufen kommen. Da Sie bei uns immer das beste Preis-Leistungsverhältnis erhalten, werden weitere Kunden Lidl ausprobieren und überzeugt werden.


«Unser Sortiment kommt bei unseren Kundinnen und Kunden sehr gut an. Es gibt also keinen akuten Handlungsbedarf. Trotzdem wollen wir attraktiv bleiben und prüfen immer wieder die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden.»


In Deutschland betreibt Lidl einen Internet Shop und vertreibt auch Autos wie den Opel Corsa und den VW Cross Polo als EU-Importwagen. Plant Lidl auch einen Absatz Ihrer Produkte über das Internet? Allenfalls auch von Autos?


Dazu können wir zum heutigen Zeitpunkt noch nichts sagen.


Was sind die mittel- und langfristigen Ziele von Lidl in der Schweiz? Gehen Sie davon aus, dass Sie Ihre eigenen Vorgaben von mehr als 150 Filialen bis 2015 erreichen können, bei Ausgaben mindestens 250 Millionen Franken?


Wir wollen in der Schweiz die Funktion eines Nahversorgers erfüllen. Genaue Zahlen möchten wir hierzu nicht nennen.





Der Gesprächspartner: 
Andreas Pohl (1969) ist seit Januar 2008 Geschäftsleitungs-Vorsitzender von Lidl Schweiz GmbH. Der gebürtige Deutsche mit Schweizer Wurzeln studierte Betriebswirtschaftslehre in Düsseldorf und Tübingen. Andreas Pohl ist bereits seit 1997 in unterschiedlichen Positionen bei Lidl beschäftigt. Er war unter anderem Bezirksleiter, Assistent der Geschäftsleitung, Vertriebsleiter, Betriebsleiter und Geschäftsführer einer Regionalgesellschaft in Deutschland. Andreas Pohl besitzt sowohl die deutsche als auch die Schweizer Staatsbürgerschaft mit Heimatort Muttenz, ist verheiratet und hat 3 Kinder. Er wohnt im Kanton Thurgau.


Das Unternehmen:
Seit dem 19. März 2009 ist Lidl Schweiz GmbH am Schweizer Markt präsent. Derzeit sind 17 Filialen in der Deutschschweiz eröffnet. Lidl Schweiz bietet ein reichhaltiges Schweizer Sortiment mit bis zu 1800 Artikeln des täglichen Bedarfs in Markenqualität. Hinzu kommen zweimal wöchentlich günstige Aktionsartikel. Lidl Schweiz ist Teil der Unternehmensgruppe Schwarz mit Sitz in Neckarsulm (D). Gegenwärtig beschäftigt Lidl Schweiz ca. 900 Mitarbeitende.

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