Dieter Marmet, Partner Wüest & Partner

von Radovan Milanovic


Am 23. Januar 2009 ist die «Zwillinginitiative» des Hauseigentümerverbands Schweiz HEV bei der Bundeskanzlei eingereicht worden. Die Initianten gehen davon aus, dass die beiden Volksinitiativen das Wohneigentum mittels des Bausparmodells fördern. Gehen Sie davon aus, dass sich bei der Annahme der beiden, oder einer Initiative die Wohneigentümerquote in der Schweiz von aktuell 35% erheblich erhöhen wird und was wären die Konsequenz bei Annahme einer oder beider Initiativen auf den schweizerischen Wohnungsmarkt?

Wir gehen davon aus, dass die Wohneigentümerquote in der Schweiz heute bereits über 37% liegt. Der wichtigste Grund für diese Verschiebung ins Wohneigentum ist in der demografischen Entwicklung zu suchen. Die Hauptnachfrager nach Wohneigentum sind ? und waren schon immer ?  die Altergruppen der 30- bis 45-jähirgen. Und in den letzten Jahren kamen die geburtenstärksten Jahrgänge (1960-1965) in dieses Alter. Deshalb wird der Trend zu mehr Wohneigentum auch noch ein paar Jahre anhalten. Von den Jahrgängen nach dem Pillenknick ist danach allerdings ? rein auf Grund der kleineren Bevölkerungszahl ? eine deutlich kleinere Wohneigentumsnachfrage zu erwarten. Dazu kommt, dass die Nettonachfrage nach Wohneigentum bei den über 65-Jährigen ins negative kippt, einer Bevölkerungsgruppe also, die in den kommenden Jahren stark wachsen wird. Im Verlauf des kommenden Jahrzehnts wird sich der Anstieg der Wohneigentümerquote deshalb verlangsamen. Auf diese demografischen Bewegungen haben Veränderungen der Rahmenbedingungen nur einen geringen Einfluss.


Die schweizerische Hypothekarverschuldung ist mit gut 680 Mrd. CHF im internationalen Vergleich sehr hoch. Eine Senkung des Hypothekarzinsniveaus bereits um 0.5% entlastet die Hypothekarnehmer mit bis zu 3,3 Mrd. CHF. Anderseits dürften die Arbeitslosigkeit und das negative Wirtschaftsumfeld zu einem Anstieg der Zwangsverwertungen von Wohneigentum führen. Sehen Sie bereits Anzeichen dieser Entwicklung?

In Anbetracht der grossen Zahl an Festhypotheken stimmt Ihre Rechnung so nicht. Kommt dazu, dass die tiefen Zinsen letztlich eine Folge des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds sind. Der Nettoeffekt fällt für die Wohnungs- und auch für die Wohneigentumsnachfrage also sicher negativ aus. Allerdings scheint mir, dass die Banken in der Schweiz in ihrer Belehnungspolitik in den vergangenen Jahren nicht nur vorsichtiger waren als ihre Pendants im Ausland, sondern auch vorsichtiger als in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre. Wir erwarten deshalb im Wohneigentumsbereich keine flächendeckenden Probleme und entsprechend auch keine grosse Welle an Zwangsverwertungen.


Trotz der Senkung der Basiszinsen durch die SNB geben die Banken ihre Zinssenkungen nicht im erhofften Masse weiter. Welche Hypothekarzinsentwicklung sehen Sie in der nächsten Zeit? Welche Finanzierungsart, feste oder variable Hypothek und falls beide, in welchem Verhältnis würden Sie einem neuen Haus- oder Wohnungsbesitzer empfehlen?

Es tut mir leid, aber hier bin ich wirklich nicht der Fachmann. Wenn ich persönlich heute Wohneigentum erwerben würde, würde ich wahrscheinlich versuchen, zumindest einen Teil der Hypothek möglichst lange auf dem heutigen Zinsniveau «anzubinden». Doch auch ich liesse mich wahrscheinlich von Spezialisten beraten.


«Mir scheint, dass die Banken in der Schweiz in ihrer Belehnungspolitik in den vergangenen Jahren nicht nur vorsichtiger waren als ihre Pendants im Ausland, sondern auch vorsichtiger als in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre.»


Vor rund 3 bis 4 Jahren ist das Immobilen-Leasing bekannt geworden. Ist dieses unter der gegebenen Zinssituation noch aktuell?

Wenn ich richtig informiert bin, war und ist das Immobilien-Leasing in erster Linie ein Thema, das aus steuerlicher Sicht interessant sein kann.


Im Hinblick auf die unsichere Lage an den Finanzmärkten dürften sich Pensionskassen wieder vermehrt «sicheren» Einkünften aus Wohnraum widmen. Beobachten Sie eine solche Tendenz? In welchen Gegenden?&

Es ist zweifelsohne so, dass die Anlagestrategien bei den Pensionskassen nach den Erfahrungen im vergangenen Jahr noch einmal genau angeschaut werden. Auch kann getrost behauptet werden, dass gerade Schweizer Mietwohnungsbauten weiterhin attraktive Risiko-Rendite-Eigenschaften aufweisen. Allerdings kann der Rückgang der Aktienkurse auch dazu geführt haben, dass der Anteil des Immobilienvermögens bei einzelnen Pensionskassen inzwischen die obere Grenze der Anlagestrategie erreicht hat, was darin resultieren könnte, dass sie zwar weiterhin Wohnimmobilien (in direkter oder indirekter Form) erwerben möchten, aber ohne Änderung der Anlagestrategien nicht dürfen.


Gemäss dem homegate.ch-Angebotsmietindex vom Dezember ist der Anstieg der Angebotsmieten Ende letzten Jahres gestoppt worden. Innert Jahresfrist betrug der Anstieg 4,3% bei einem Stand von 113,4 Punkten und lag somit deutlich über der Teuerung von 0,7%. Denn anders, als in 2007, konzentrierte sich der deutlich über der Teuerung liegende Preisauftrieb nicht nur auf die Genferseeregion und Zürich, sondern auch auf kleineren Agglomerationen. Die Angebotsmieten nahmen in der Genferseeregion 4,8%, im Tessin und der Ostschweiz um 4,9%, in der Region Zentralschweiz gar um 5,4%, in der Agglomerationen Bern 3,4% und Basel 3,2% und in Zürich um 4% zu. Dürfte 2009 ein Jahr der Mieter werden?


Interessant, dass Sie ausgerechnet mich mit den Homegate-Angebotsmietindizes konfrontieren. Aber das gibt mir Gelegenheit, Sie auf unsere eigenen Preisindizes ? Angebots- und Transaktionspreisindizes ? aufmerksam zu machen: www.wuestundparnter.com/online_services/immobilienindizes .
Nun aber zu Ihrer Frage: Zweifelsohne wird die Konjunkturentwicklung dazu führen, dass sich die Mietwohnungsnachfrage abschwächt. Und auf der Angebotsseite werden deutlich über 10’000 neu erstellte Mietwohnungen hinzukommen. Deshalb wird sich der Nachfrageüberhang auf den Mietwohnungsmärkten zurückbilden. Aber die Hoffnung, dass der Markt nun gleich in einen Angebotsüberhang kippt, ist verfrüht. Wir rechnen deshalb für 2009 auch nicht mit sinkenden Mietwohnungspreisen, sondern lediglich mit einer, wenn auch deutlich spürbaren, Verlangsamung des Mietpreisanstiegs.


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33 Gemeinden des Kantons Zürich haben beschlossen, ihre Steuern für 2009 zu senken. Andere hingegen, unter dem Einfluss der Finanzkrise, wie Opfikon, weil die Steuern der UBS wegfallen, müssen die Steuerrate um 8% erhöhen. Bis anhin galt immer: Tiefe Steuern = hohe Mietzinsen. So zeigte sich eine Wanderbewegung hin Richtung Gemeinden, wo weniger Steuern bezahlt wird. Hält dieser Trend weiter an?

Ich bezweifle Ihre Gleichung. Haushalte, für die der Steuerfuss eine wesentliche Rolle spielt, sind häufig Wohneigentumsnachfrager. Typischerweise werden in Gemeinden mit tiefen Steuerfüssen deshalb für vergleichbare Objekte höhere Eigentumspreise bezahlt, für Mieten ist der Zusammenhang viel weniger eindeutig. Auch gilt es zu sagen, dass die Steuervorteile nicht selten von höheren Wohnkosten «aufgefressen» werden. So rechnet beispielsweise die Wirtschaftsförderung des Kantons Schaffhausen auf ihrer Homepage eindrücklich vor, dass ein «normaler» Wohneigentümer in Schaffhausen auf Grund der günstigen Immobilienpreise trotz höherer Steuern letztlich günstiger fährt, als ein Einfamilienhausbesitzer auf der Zürcher Seite des Rheins. Wohnsitzverlegungen wegen Steuervorteilen rechnen sich meines Erachtens nur für Haushalte mit weit überdurchschnittlichen Einkommen.


Im Vergleich zu andern Ländern, wie z. B. im EU-Raum, bleiben die Konsumausgaben immer noch auf hohem Niveau. Die Angst um den Arbeitsplatz dürfte jedoch die Sparquote zu Lasten der Konsumausgaben ansteigen lassen. Ein schlechtes Zeichen für gewerbliche Immobilien wie es das Beispiel des neuen Shopping Tempels «Sihlcity» in Zürich zeigt. Denn anlässlich Präsentation des ersten Geschäftsjahres hielten sich die Betreiber, diverse Credit Suisse Fonds, sowie Swiss Prime Site, sehr bedeckt. Ein Hinweis darauf, dass das Verhältnis zwischen Umsatz und Quadratmeter nicht erreicht werden konnten. Gehen Sie in Anbetracht tiefer als geplanter Ertragsrenditen von Wertberichtigungen gewerblichen Immobilien aus? In welcher Grössenordnung dürften sich diese bewegen? 
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Wie Sie wissen, sind wir gegenwärtig daran, die Bilanzbewertungen von Liegenschaften, wie beispielsweise für jene der SPS, zu erstellen. Bevor diese Bewertungen nicht publiziert sind, kann ich Ihnen über die Bewertungsergebnisse oder die Trends keine Auskunft geben.


Glücklicherweise haben in der Schweiz keine Preisübertreibungen bei gewerblichen Immobilen stattgefunden. Die in London ansässige Investmentgesellschaft Aerium hat zwei auf Schweizer Immobilien ausgerichtete Fonds lanciert und plant 1 Mrd. CHF gewerbliche Immobilien wie das neu gebaute Tellpark Einkaufszentrum in Schattdorf, der Grüzepark in Winterthur, die Zentrale der Mars AG in Zug oder ein an die UBS und GE vermietetes Bürogebäude in Montreux. Bereits sind 300 Mio. CHF investiert. Sind Sie ebenfalls so optimistisch bezüglich gewerblicher Immobilien in der Schweiz? Wie sehen Sie die Preisentwicklung gewerblicher Immobilien?


Der Markt für gewerbliche Immobilien sieht etwas anders aus als der eben diskutierte Markt für Wohnimmobilien. Bei den gewerblichen Immobilien befand sich der Markt im vergangenen Jahr mehr oder weniger im Gleichgewicht. Die sich nun verschlechternde wirtschaftliche Lage wird dazu führen, dass die Nachfrager nach gewerblichen Flächen wieder mehr Verhandlungsmacht erhalten. Das kann sich auf die Mietpreise entsprechender Immobilien und, bei unveränderten Renditeerwartungen, auch auf deren Preise auswirken. Dennoch sind wir auch bezüglich gewerblichen Immobilien in der Schweiz so weit optimistisch, dass wir keinen generellen Absturz weder der Mieten noch der Preise erwarten.


Nach einer Konsolidierung der Büroflächen in Zürich wird das Angebot zwischen 2009 bis 2012 um rund 172.000 Quadratmeter Neufläche oder 1,6% ansteigen. Welche Leerstandsraten erwarten Sie bei Büroimmobilen, bei welchen Mietpreisveränderungen?


Ich weiss nicht, woher Sie die erwähnten Daten haben, doch kann sicher konstatiert werden, dass die Neubautätigkeit im Bürobereich in und rund um Zürich weiterhin recht hoch ist. Dazu ist aber auch zu sagen, dass viele dieser Projekte an Lagen und zu Preisen realisiert werden, die sehr konkurrenzfähig sind. In Anbetracht der deutlich nachlassenden Flächennachfrage ist zu erwarten, dass diese neuen Flächen zu höheren Leerständen führen, aber diese werden sich häufig an weniger attraktiven Lagen und in nicht mehr den heutigen Bedürfnissen entsprechenden Liegenschaften manifestieren. Zu befürchten ist ein Anstieg der Leerstandsraten in den zweistelligen Prozentbereich. Ob sich die Mietpreise gross verändern werden, ist angesichts der Entwicklung während des letzen Einbruchs ? nach 2001 ? ungewiss, zu erwarten ist vielmehr, dass sich die Nachfrager bei Verhandlungen wie damals wieder mehr «Goodies» (einige Monate Gratismiete, Teilübernahme gewisser Ausbaukosten etc.) aushandeln können.


«Bei den gewerblichen Immobilien befand sich der Markt im vergangenen Jahr mehr oder weniger im Gleichgewicht. Die sich nun verschlechternde wirtschaftliche Lage wird dazu führen, dass die Nachfrager nach gewerblichen Flächen wieder mehr Verhandlungsmacht erhalten.»


In der Schweiz gibt es nur 5 Gesellschaften, d.h. PSP, SPS, Jelmoli (dessen Immobilenbestand verkauft wird), Allreal und Züblin mit einem Immobilenbestand von über 2 Mrd. CHF. Zahlreiche kleinere Gesellschaften weisen einen Bestand unter der kritischen Grösse von 1 Mrd. CHF auf. Sehen Sie ? wie in anderen Branchen ? eine Konzentration des Marktes? Insbesondere, da schweizerische Immobiliengesellschaften hohe Eigen/-Fremdkapital Verhältnisse aufweisen?


Nicht wirklich. Zwar zeigt die Erfahrung, dass mit einer gewissen Grösse des Immobilienportefeuilles ? die meines Erachtens deutlich unter der von Ihnen zitierten 1 Mrd. CHF liegt ? tatsächlich Skaleneffekte realisiert werden können. Der Blick über die Grenze lässt jedoch vermuten, dass diese ab einer gewissen «grösseren» Grösse auch wieder zunichte gemacht werden, beziehungsweise dass andere Faktoren zu spielen beginnen, die gegen Portefeuillegrössen von 10 und mehr Milliarden Franken sprechen. Wir gehen allerdings schon davon aus, dass die Zahl der institutionell gemanagten Immobiliengefässe wie auch die bestehenden Immobiliengefässe selber weiter wachsen werden, nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass gerade bei den Pensionskassen das Bestreben, die direkten Immobilienanlagen in indirekte umzuwandeln, weiterhin besteht.





Zur Person:
Dieter Marmet (43) ist Volkswirt und beschäftigt sich beruflich seit Ende der Achtzigerjahre mit dem schweizerischen Immobilienmarkt. Seit 1994 tut er dies bei der Wüest & Partner AG, für deren operative Geschäftsführung er seit 2005 verantwortlich zeichnet. Er ist Hauptautor des zweimal jährlich erscheinenden Standardwerks zum Schweizer Immobilienmarkt «Immo-Monitoring» und Autor diverser Artikel in Lehrbüchern und Fachzeitschriften.


Zum Unternehmen:
Wüest & Partner ist ein führendes international tätiges Beratungsunternehmen in den Bereichen Immobilien- und Baumarkt sowie Raum- und Standortentwicklung mit Büros in Zürich, Genf und Frankfurt. Das über 70-köpfige Team berät institutionelle Eigentümer, Banken und Versicherungen, Bau- und Immobilienfirmen, die öffentliche Hand sowie Private. Mit umfassenden Dienstleistungen, innovativen Produkten und exklusiven Daten entwickelt Wüest & Partner kundennahe Lösungen und wirkt bei deren Umsetzung mit. Seit 1985 steht das unabhängige Unternehmen für höchste Kompetenz und Qualität in Immobilienthemen.

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