General Motors steht das Wasser bis zum Hals

Stark gesunkene Absatzzahlen, vor allem bei den lukrativen schweren Jeeps und Pick-Ups, erdrückende Pensionslasten und der unaufhaltsame Vormarsch japanischer Konkurrenten wie Toyota: Den US-Autobauern steht das Wasser bis zum Hals. Und so wie General Motors (GM) einst das Symbol amerikanischer Wirtschaftsmacht war, ist der Konzern heute das Paradebeispiel für die Probleme der Branche. Nach Milliardenverlusten wird allen Dementis von Konzernchef Rick Wagoner zum Trotz immer häufiger über einen Insolvenzantrag spekuliert. Die Aktie fiel binnen eines Jahres um 40 Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als 20 Jahren. Inzwischen denkt der Konzern sogar über den Verkauf des wichtigsten Gewinnbringers, der Finanzsparte GMAC nach, die nach Schätzungen bis zu zehn Milliarden Dollar wert sein könnte.


GM hat zu hohe produktionsfremde Fixkosten
Durch die neuen Streichungen sollen die jährlichen Einsparungen bei GM bis Ende 2006 um eine auf nun sieben Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Für Analysten war schon lange klar: GM hat zu hohe produktionsfremde Fixkosten. Auf zuletzt noch 325.000 aktive Beschäftigte kommen rund 800.000 Rentner oder Familienangehörige, für deren Gesundheitsversorgung der Konzern aufkommen muss. Im vergangenen Jahr addierten sich die Gesundheitsausgaben auf 5,6 Milliarden Dollar – und verteuerten so jedes in Amerika gebaute Auto von General Motors um fast 1500 Dollar.


Notbremse in Europa
In Europa hatte General Motors bereits im vergangenen Jahr auf die Notbremse getreten und den Abbau von rund 12.000 Stellen bei seinen Töchtern Opel, Vauxhall und Saab angekündigt – hier geht es inzwischen zumindest in kleinsten Schritten wieder aufwärts. In Nordamerika hingegen summierte sich der Verlust seit Jahresbeginn auf rund 4,8 Milliarden Dollar. Und mit den erwarteten «erheblichen Belastungen» durch die Kosten des Stellenabbaus dürfte es in absehbarer Zukunft weitere Hiobsbotschaften geben. Die mächtige Gewerkschaft UAW nannte die neuen Pläne bereits «unfair und enttäuschend» und warnte, dass die 2007 anstehende nächste Verhandlungsrunde gerade schwieriger geworden sei. UAW vertritt 118.000 amerikanische GM-Arbeiter – und 500.000 Pensionäre.


Zugeständnisse der Gewerkschaften
Im Oktober hatte die Gewerkschaft bereits Zugeständnisse gemacht. Aktive Arbeiter verzichteten auf eine 2006 anstehende Lohnerhöhung um einen Dollar pro Stunde und die Pensionäre müssen für die bisher praktisch kosten lose Gesundheitsversorgung künftig einige hundert Dollar im Jahr zahlen. Damit dürfte GM auf Dauer 15 Milliarden Dollar einsparen.


Schwieriges Marktumfeld
Doch genauso schlimm wie die drückenden Altlasten ist für GM die aktuelle Marktentwicklung. Seit Jahren versucht der Konzern mit immer höheren Rabatten, den Absatz anzukurbeln, und heizt damit doch nur den Preiswettkampf im Markt immer weiter an. Zuletzt brach nach der Spritpreisexplosion im Gefolge der Hurrikans «Katrina» und «Rita» der Absatz von Jeeps und Pick-Ups zeitweise fast um die Hälfte ein. Im Oktober fielen die gesamten US-Auslieferungen von General Motors um mehr als ein Fünftel auf knapp 258 000 Fahrzeuge, während Toyota mit günstigeren und sparsameren Autos um fünf Prozent vorrückte und zwei Drittel der GM-Verkäufe erreichte. Weltweit könnte Toyota bereits im kommenden Jahr GM an der Spitze der Branche ablösen, wird geschätzt.


Um Kopf und Kragen
Für Konzernchef Wagoner geht es bei der anstehenden Sanierung um Kopf und Kragen. Dass ausgerechnet jetzt auch noch die frühere Tochter Delphi Insolvenz angemeldet hat, und daraus weitere Milliardenbelastungen für GM resultieren, macht seinen Job nicht leichter. Mehr als einmal hat Wagoner bereits Spekulationen über einen bevorstehenden Rücktritt vehement abgeschmettert. «Ich habe an nichts anderes gedacht als daran, wie wir in unserem Geschäft die Wende schaffen können», versicherte er am Montag bei der Ankündigung des Stelle nabbauplans. Wagoner schweigt sich noch aus, wann denn GM wieder Gewinne einstreichen könnte. Branchenexperten zweifeln ohnehin daran, dass die angekündigten Sparmaßnahmen tatsächlich reichen werden. Nach Abschluss aller Sanierungsschritte werde GM allenfalls «marginal profitabel» sein, glauben etwa die Analysten der Deutschen Bank. (awp/mc/gh)

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