Golfstaaten unter Anspannung, aber ökonomisch robust und liquide

Von Gérard Al-Fil

In Dubai haben die Immobilienpreise massiv zu fallen begonnen. Erste Entlassungen bei Banken und Baufirmen werden vermeldet. Dies hat das globale Interesse an den Ländern des Golfkooperatiosrates GCC erhöht. Zu ihnen gehören die VAE, Saudiarabien, Kuwait, Bahrain, Katar und der Oman. Der GCC-Block (rund 40 Mio Einwohner) dürfte laut Merrill Lynch trotz sinkender Ölpreise 2009 um gut 4,5 Prozent wachsen (wenn auch weniger, als wie bisher angenommen um 6,2 Prozent). Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des GCC wird laut Gulf Finance House in Bahrain in diesem Jahr um 42 Prozent auf 1,15 Billionen Dollar anschwellen. Die vier OPEC-Mitglieder VAE, Saudiarabien, Kuwait, Katar nahmen in den ersten neun Monaten 2008 infolge der Ölpreis-Rallye 423 Mrd. Dollar ein, genug, um allfällige Einnahmeausfälle zu kompensieren und ihre heimischen Finanzsektoren zu stützen. Sie haben auf der OPEC-Tagung in Kairo in der vergangenen Woche neue Förderkürzungen durchgesetzt. Die einzelnen Länder auf dem Prüfstand:

 

Vereinigte Arabische Emirate
Die VAE (5 Mio. Einwohner) bestehen aus sieben Emiraten, Dubai ist eines davon. Das grösste und wohlhabendste Emirat Abu Dhabi (auch Hauptstadt), wo 9 Prozent der Weltölreserven lagern, übernimmt infolge der Finanzkrise die Rolle des Zugpferdes in dem Golfstaat. Das Vermögen des Abu Dhabi-Staatsfonds ADIA beläuft sich angeblich auf 875 Mrd. Dollar. Bankenpleiten ereigneten sich bislang keine in den VAE, doch hat die Zentralbank 32 Mrd. Dollar in den Finanzsektor gepumpt, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken.  An den meisten der 24 inländischen Banken ist der Staat ohnehin der grösste oder entscheidende Anteilseigner. In Dubai treten erste Restriktionen bei Immobilienkrediten auf, allen voran bei westlichen Banken. Die Wirtschaft Dubais ist dank seiner 16 Freihandelszonen breit abgestützt, Dubai ist aber auch am verwundbarsten: die Regierung häufte über die Jahre Schulden von 80 Mrd. Dollar an, verfügt kaum über Öl und setzte zu stark auf den Immobiliensektor. Genau wie die Banken: das Verhältnis der Kredite zu den Kundeneinlagen betrug im zweiten Quartal 2008 107 Prozent. Erste Entlassungen werden bei Banken und Baufirmen vermeldet. Alle Projekte sollen überprüft werden, fordert jetzt die Baubehörde RERA in Dubai. Die lokalen Börsen von Dubai und Abu Dhabi stehen unter massivem Abgabedruck, Blue Chips wie Emaar Properties fielen auf ein Vierjahrestief. Ausländische Anleger zogen allein in der vierten Novemberwoche 19 Mrd. Dollar aus dem Dubai Financial Market ab. Die Inflation ist rückläufig, 2009 dürfte sie auf 7 Prozent fallen (nach 11 Prozent in 2007). Für die Mehrheit der Gastarbeiter, die vier Fünftel der VAE-Bevölkerung stellen, ist der wiedererstarkte Dollar ein Segen: weil die VAE-Währung Dirham fix an den Greenback gekoppelt ist, können die «Expats» mehr Geld in die Heimat repatriieren, als noch vor einem Jahr.

 

Saudiarabien
Grösstes Land (28 Mio. Einwohner) und politischer «Leitwolf» im GCC. «Weg vom Öl» lautet das Motto für die Zukunft. Das Königreich hat 285 zivile Immobilienprojekte mit einem Wert von 260 Mrd. Dollar auf dem Plan. Darunter befindet sich das ehrgeizige Vorhaben King Abdullah Economic City, eine moderne Hafenstadt am Roten Meer nördlich von Dschiddah. Die Staatseinnahmen in 2008 dürften sich laut dem internationalen Bankenverband IIF auf 303 Mrd. Dollar belaufen. Saudi-König Abdullah hat erklärt, die Devisenreserven würden in erster Linie der heimischen Wirtschaft zugute kommen: «Alle haben wegen der Finanzkrise gelitten. Deshalb haben inländische Projekte Vorrang.» Der Monarch fordert einen fairen Preis für das schwarze Gold um 75 Dollar (derzeit pendelt er um 50 Dollar). Das risikoarme Islamic Banking diversifizeirt und stabilisiert den Finanzsektor in der Golfregion, so Deutsche Bank-CEO Joe Ackermann im Februar 2008 in Dubai. Davon profitiert «KSA» (englische Kurzform für Saudiarabien) erheblich: bis 2010 dürfte der zinslose Scharia-Sektor 174 Mrd. Dollar oder 52 Prozent der Finanzanlagen bei in dem Wüstenreich ansässigen Banken ausmachen. Aber die lokale Börse, mit einer Marktkapitalisierung von 313 Mrd. Dollar die gewichtigste in den GCC, musste Federn lassen. Der Leitindex TASI in Riad fiel jüngst auf ein Vierjahrestief. Die rekordhohe Inflation von über 10 Prozent beginnt sich infolge der Rohstoff-Baisse langsam abzukühlen.

 

Kuwait
Der nördliche Golfstaat (3 Mio. Einwohner) verzeichnete die erste Bankenpleite in den GCC in 2008. Die Gulf Bank musste am 27. Oktober vom Staat gerettet werden. Kuwait ist noch immer stark vom Öl abhängig, 95 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Export des schwarzen Goldes. Aber: Kuwait baut auf der Insel Boubyian im Persischen Golf einen Containerhafen, der auch den Nachbarländern Irak und Iran (zusammen 105 Mio Einwohner) dienen soll . Die Börse musste am 13. November kurzzeitig geschlossen werden. Seit Anfang Jahr fiel der Hauptindex um 30 Prozent. Kuwaiter gelten als die agressivsten Investoren am Golf. Sie sind krisenresistent. Der Grund: Die irakische Besatzung und der anschliessende zweite Golfkrieg 1991 haben die Landeskinder der Herrscherfamilie Al-Sabah abgehärtet. Seit 1974 ist der Staat fester Aktionär «beim Daimler» (7,4 Prozent Anteil).

 

Bahrain
Ein Fünftel der Exporte des Inselstaates Bahrain (710’000 Einwohner) sind Nicht-Ölprodukte. Als Offshore-Finanzplatz hat das Königreich Tradition und bleibt in diesem Segment stark. Die Verluste der Banken in Manama im Bereich Sub-Prime waren im dreistelligen Millionendollarbereich unbedeutend klein. Trotzdem wurde ein für Mitte November geplanter Börsengang des Immobillienunternehmens Naseej von der Zentralbak «aufgrund der gegenwärtigen Marktsituation» unterbunden. Gelegentliche Streiks und Demonstrationen destabilisieren das Land. Standard and Poor’s lobte jüngst die disziplinierte Fiskalpolitik der Regierung und bewertet das Kredit-Rating Bahrains unverändert mit Investment Grade A-1 (Ausblick: stabil). Die Wirtschaft dürfte 2009 mit 2,2 Prozent nur leicht schwächer wachsen, so S&P-Kreditanalyst Remy Salters.

 

Katar

Katars Trumpf sind hohe Erdgasreserven. Ab 2010 dürfte das Scheichtum (830’000 Einwohner) als grösster Erdgasexporteur Russland und den Iran auf die Plätze zwei und drei verweisen. Katar hat das höchste BIP pro Kopf (53’208 US-Dollar) innerhalb des GCC und rangiert in diesem Punkt sogar noch vor der Schweiz. Wafa Rashid, technische Direktorin der Börse Kuwat muss eingestehen, «dass»Katar die besten Zukunftsaussichten innerhalb des GCC hat, weil das Land in puncto Infrastrukturausbau quasi bei Null beginnt und die Gasvorräte der Regierung  mehr als ausreichenden finanziellen Spielraum verleihen.» Der 60 Milliarden Dollar schwere Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) hält seit Oktober 2008 9,9 Prozent an der Credit Suisse AG.

 

Oman
Mit relativ ruhiger Hand regiert Sultan Qabus sein Reich (3,3 Mio Einwohner). Die Wirtschaft wuchs 2007 mit 13,1 Prozent kräftig. Oman wird 2008 29 Mrd.Dollar aus dem Öl-und Gasexport einnehmen, schätz das IIF. Der Anteil des Sektors an der Gesamtwirtschaft ist nicht bekannt. Die Börse in Muskat hat in 2008 ein Viertel ihres Marktwertes eingebüsst. Das Sultanat profitierte bislang nicht vom Boom in der Islamic Finance. Der Grund: Im Oman ist Scharia-konformes Banking verboten.

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