Karneval der Verleger: Possenreissen am Abgrund

Von Helmuth Fuchs


In einem letzten Aufbäumen wird zwar nochmals viel Flurschaden in der Medienlandschaft angerichtet, doch die Unausweichlichkeit des Untergangs zeichnet sich mit jeder Übernahme, jeder Ankündigung und jedem Entlassungsschub ab. Die regionalen Medienkönige haben die Zeichen der Zeit verschlafen und sind nicht in der Lage, unter steigendem Druck, zukunftsträchtige Antworten auf die dringendsten Fragen zu finden. Im Printbereich merken auch die letzten Inseratekunden, dass eine ganzseitige Anzeige zwischen Börsenkursen vom Vortag etwa so wirkungsvoll ist wie die Selbstregulierungskraft bei den Lohnexzessen im Finanzsektor.


Traurige Possen bei Online-Themen
Vor einigen Jahren wurde das Onlineangebot im Medienbereich belächelt, verniedlicht und wo doch erfolgreich mit der «Qualitäts-Journalismus»-Keule erschlagen. Als man merkte, dass da doch etwas dran sein könnte, holte man zum ultimativen Schlag gegen Google aus, drohte mit Klagen und Opting-Out aller Schweizer Medien, nur um zum Schluss wieder dankbar in den Armen des Suchmaschinengiganten zu landen. In bester Hofnarren-Tradition unterhält der für das Thema Online zuständige Vertreter des Verlegerverbandes die Gilde mit seinen Possen. Zuletzt mit dem Gedankenblitz, alle Verlinkungen von einer expliziten Erlaubnis des Ziellink-Anbieters abhängig zu machen. Man könnte sich getrost dem grossen Schenkelklopfen hingeben, wenn es nicht so erbärmlich wäre, wie die Schweizer Verleger hier jede Gelegenheit, sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, so leichtsinnig vertun würden. Wie kann es sein, dass ein Land, in dem die Geburtsstunde des Internets schlug und das eine einzigartige verlegerische Tradition hat, bei der intellektuellen Leistung der Kombination der beiden Themen so kläglich scheitert?


Betteltour statt Innovation
Während sich die Verleger bei der jährlichen Tagung im Halbdunkel noch Mut machen mit Worthülsen wie «Meinungsführerschaft», «unverzichtbar für den sozialen Zusammenhalt», oder «vierte Kraft», wird die Realität geprägt von Medienmanagern, die ihren Auftrag vor allem in der Erfüllung der Aktionärsinteressen sehen. So wurde «20 Minuten» zum digitalen Leitmedium und zur grössten Medien-Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Die Verleger suchen inzwischen ihr Heil beim Betteln (weniger Mehrwertsteuern, weniger Portogebühren, mehr Subventionen für Service public?). Zumindest bei den Mehrwertsteuern ist die Argumentation konsequent. Wer so wenig Wert liefert, sollte dafür auch wenig Steuern bezahlen müssen. Wo sind die neuen Ideen, welche ihren Weg aus der Schweizer Medienlandschaft in die Welt fanden? Was Ingenieuren, Software-Entwicklern oder Uhrenherstellern täglich abgefordert wird und auch gelingt, scheint den Verlegern ein verbotenes Land zu sein: Innovation.


Die überflüssigen Mittelsmänner
Die Verleger erleiden das Schicksal so vieler Mittelsmänner: Sie werden überflüssig, sobald sich die Märkte emanzipieren. Waren die Zeitungen früher noch die Wächter der Nachrichtenmeldungen, sind heute die Nachrichtenquellen wie Reuters für jedermann direkt zugänglich. So wird gnadenlos ersichtlich, dass die Eigenleistung auch bedeutender Schweizer Medien bei weitem übertroffen wird vom lediglichen «Aufbrezeln» von Agenturmeldungen. Waren früher die Zeitungen der Zugang zum Weltgeschehen, ist heute durch Twitter, Blogs und Internetseiten das Weltgeschehen an den Medienhäusern vorbei in Sekundenschnelle für jedermann zugänglich. Der Wert der Verleger wäre die kritische Beleuchtung des Geschehens, das verständliche Einordnen und Erklären, das Aufdecken von Machtmissbrauch. Aber auch hier versagen die Verleger, weil sie schon lange nicht mehr finanziell unabhängig sind und durch die marktwirtschaftliche Entwicklung in die Enge getrieben dort sparen, wo es am einfachsten ist: An der Qualität und Anzahl der Journalisten. Wenig Fleisch am Knochen der Eigenleistung: Der Karneval der Verleger neigt sich dem Ende zu.


 


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