Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz: Biedermeier im Haus von und zu Liechtenstein

Ausgehend vom Jahr 1815 präsentiert die Ausstellung Werke aus den Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein bis hin zu den ersten Ausläufern der Biedermeier-Epoche. Im Zusammenhang mit dieser Ausstellung, die sich vor allem der Schlichtheit des österreichischen Biedermeier widmet, stehen einige Neuankäufe, die noch nie zuvor öffentlich präsentiert wurden.






Viele Hauptwerke der grossen Meister sind zur Fürstlichen Sammlung hinzugekommen, wie z.B. bezaubernde Bilder von Friedrich von Amerling, Peter Fendi und Ferdinand Georg Waldmüller. Diese Bilder haben den Bestand der Fürstlichen Sammlung um neue Facetten bereichert. Ebenso erstmals zu sehen ist die berühmte Porzellansammlung Bloch-Bauer, die nach ihrer Restituierung an die Eigentümer in Kanada von den Fürstlichen Sammlungen vor kurzem in ihren wesentlichen Teilen erworben werden konnte. Diese Manufaktur Sorgenthal, die ohne jeden Bruch vom Klassizismus ins Biedermeier überführt, setzt mit ihrem «Design», ihrer Farbigkeit und dem Witz des Dekors Akzente, die die Moderne des frühen 20. Jahrhunderts und deren Purismus beeindruckten. Tasse mit Untertasse, pompejanisch-roter Fond, Wien, um 1798
Tasse mit Untertasse, pompejanisch-roter Fond, mitisgrüner Fond, Wien, um 1798 Tassenhöhe: 5.9 x 13.4 cm Dm.


Die schöne Beschaulichkeit
Einen Schwerpunkt der Ausstellung setzen Aquarelle, die die stille und beschauliche Seite des Biedermeier beleuchten. Aus der reichen Grafiksammlung werden Werke der ganz grossen Aquarellisten der Zeit präsentiert, die noch einmal eine neue Dimension erschliessen. Mit den ergänzenden Möbeln ergibt sich ein Gesamtbild dieser Epoche in den Fürstlichen Sammlungen, das in dieser Dichte noch nie präsentiert worden ist.


Krieg und Frieden
Das Wiener Biedermeier wird von zwei politisch-historischen Eckpfeilern zeitlich umrissen. 1815 fand der Wiener Kongress statt, der neben seiner diplomatischen Friedensfindungsmission zur politischen Neuordnung Europas nach den Napoleonischen Kriegen auch viele persönliche Verbindungen und Kontakte geschaffen hat. Häufig liessen sich nach Wien angereiste Diplomaten hier porträtieren, vielfach nahm man Bilder von Wien, Aquarelle, Stiche, aber auch kleine Tafelbilder mit nach Hause. In grossen Historienbildern versuchte man die Erinnerung an diese grosse Epoche des Widerstands gegen Napoleon in Erinnerung zu behalten. Sobald aber die Greuel des Krieges verblasst waren, wurde der rauhe Alltag des Soldatenlebens in den flotten Aquarellen u.a. von Carl Schindler oder Friedrich Treml


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in kauzig-ironischen Karikaturen verzerrt. Eine grosse politische Zäsur brachte schliesslich die Revolution von 1848. Neue Formvorstellungen wurden immer prägender, der Rückgriff auf die Vorbilder der eigenen Vergangenheit dominierte den Historismus. Viele der Künstler und anderen Protagonisten des Biedermeier schlossen sich dieser neuen Mode an.


Die kleine Welt des Privaten
Nach der Überwindung von Krieg, Besetzung und den damit verbundenen wirtschaftlichen Restriktionen konzentrierte man sich auf das Leben in den eigenen vier Wänden und entdeckte die Schönheit der Heimat. Ein neues Naturbewusstsein keimte in der Literatur, der Musik und auch in den bildenden Künsten auf. Daneben entdeckte man für die Genremalerei, die eine neue Blüte erlebte, den Reiz des Alltags. Das Leben der Bauern und Handwerker wurde – ganz in der Tradition des holländischen Genrebildes – zum wichtigen Bildthema. Während Maler wie Georg Ferdinand Waldmüller dieses oft gar nicht so glückliche Leben im Licht ihrer Bilder zu Monumenten des einfachen Lebens verklärten, stellten andere wie Peter Fendi oder vor allem August von Pettenkofen die Armseligkeit dieses Alltags in all seiner Tristesse dar. Ungeschönt und realistisch schildern sie Leid, Sorge und Armut. Die Bilder des Joseph Danhauser schliesslich sind oft humorvolle, manchmal aber auch beissende Karikaturen auf die Zeitläufe.



Ausschnitt: Ferdinand Georg Waldmüller(1793?1865), Die Unterrichtsstunde, 1837
Öl auf Papier, 25 x 22 cm, Erworben 2005 von Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein
© Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein, Vaduz ? Wien


Das Menschenbild des Biedermeier
Ausgehend von der Tradition des Spätbarock und Klassizismus war in der Porträtmalerei vor allem die Porträtminiatur ein beliebtes Stilmittel. Diese Miniatur erlebte gerade zur Zeit des Wiener Kongresses eine nie wieder erreichte Blüte. Unter dem Einfluss des englischen Porträts – Romney und Lawrence sind hier zu nennen – wurde allmählich die Steifheit, die die Porträtmalerei des Klassizismus in Wien dominiert hatte, überwunden. Die Biedermeierporträts der fürstlichen Sammlungen spiegeln das typische Bild der Gesellschaft des Vormärz wider. Die Mitglieder des Kaiserhauses sind hier ebenso präsent wie die Fürstenfamilie. Entzückende Kinderbildnisse der Prinzessinnen und Prinzen schildern die kindlich unbefangene Natürlichkeit ihrer unbeschwerten Kindheit und Jugend. Wie ein Hausfotograf bildeten die Maler Peter Fendi und Friedrich von Amerling ihr Heranwachsen, bis zum repräsentativen Herrscherporträt Fürst Alois Josef I. im grossen Ornat ab. Neben den offiziellen Repräsentanten und einfachen Leuten standen auch die Künstler selbst Modell für ihre Malerkollegen und rückten sich so selbstbewusst in den Mittelpunkt.


Die verttraute Lanschaft
Zum ersten Mal entdeckten die Maler des Biedermeier den Reiz der Landschaften ihrer Heimat. Von den Strassen und Plätzen Wiens aus bewegten sie sich hinaus in den Wienerwald, das Alpenvorland sowie in die Hochalpen. Auch die Puszta der ungarischen Tiefebene und die Landschaften bis tief in den Balkan an die Grenzen des Reiches interessierten sie. Die Gegenden um Baden und Mödling, wo auch die von der Familie Liechtenstein wieder zurück erworbene Stammburg lag, bot einen vielfältigen Motivschatz. Besonders Waldmüller forderte das Hinausgehen in die Natur am vehementesten und geriet damit in Konflikt mit den konservativen Kreisen der Wiener Akademie. Mitglieder des Kaiserhauses und viele Adelige suchten die Nähe zu den Landschaftsmalern und liessen sich von ihnen auf ihren Reisen begleiten. Fürst Alois Josef I. unternahm viele seiner Reisen mit Joseph Höger, von dem die Fürstlichen Sammlungen auch die Blätter mit den Ansichten aus dem Salzkammergut verwahren und in dieser Ausstellung zeigen.


Im Lichte Arkadiens
Nach der Beruhigung der politischen Situation in Europa reisten viele Maler wieder nach Italien, um dort das Licht des Südens einzufangen. Josef Rebell wurde als einer der ersten, die sich für längere Zeit in Italien aufhielten, zum Anlaufpunkt. Das Erlebnis des Vesuvausbruchs von 1822 scheint ihn, betrachtet man seine «Schilderung» des Ereignisses, tief bewegt zu haben. Jacob Alt und Rudolf von Alt kehrten wie Thomas Ender immer mit reichem Skizzenschatz aus dem Süden zurück. Ferdinand Georg Waldmüller kam mehrmals nach Sizilien, wo er in seinen Bildern der von antiken Ruinen dominierten Ansichten von Taormina und Agrigent die Wärme und das strahlende Licht der Insel einfing und mit nach Hause brachte. Vielfach vollendeten die Künstler ihre Werke oft erst nach ihrer Rückkehr nach Wien, wo sich auch ein florierender Markt für diese Veduten fand.


Biedermeier ist nicht bieder
Biedermeier war nicht gleichbedeutend mit «bieder». Das traditionelle Bild dieser Epoche, geprägt von zarten Streifchen und kleinteiligen Streublumenmustern entspricht ab 1820 keinesfalls mehr dem Standard. Klare, kontrastreiche Farben und grossflächige Muster wurden fortan immer beliebter und dominierten bald alle Kunstrichtungen. Ein prägendes Produkt dieser Dekors sind beispielsweise Teppiche der kaiserlichen Manufaktur in Linz, als auch Möbelstoffe und Tapetenmuster. Die Familie Liechtenstein gestaltete das zuerst angemietete und danach gekaufte Palais Rasumofsky in diesem Geschmack zu ihrem vorübergehenden Wohnsitz um; während das Majoratshaus in der Bankgasse ab 1837 seine mehr als nur avantgardistische Neorokokoausstattung erhielt, an der vor allem Michael Thonet mitarbeitete. Vielfach sind Aussehen und Farbigkeit der Räume «nur» durch die Aquarelle Rudolfs von Alt überliefert. Porzellan wurde sowohl als Gebrauchsgegenstand als auch als Kunst- und Sammlungsobjekt attraktiv. Die strengen klassizistische Dekore wurden kontinuierlich von den weicheren Formen des Biedermeier abgelöst. Die Ansichten der Veduten- und Bildtassen, auf denen auch die neuesten Bauwerke des Biedermeiers abgebildet waren, zählen zum Schönsten, das diese Zeit schuf. Conrad von Sorgenthal gelang es mit dieser Strategie die marode Wiener Porzellanmanufaktur innerhalb kurzer Zeit wieder in ein florierendes Unternehmen umzuwandeln.





Die Fürstlichen Sammlungen
Die Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein zeichnet neben Meisterwerken des Barock eine hochkarätige Kollektion an Biedermeiermalerei und -grafik aus. Nach dem zweiten Weltkrieg, der Übersiedlung der Familie nach Vaduz und der Verlagerung der Sammlungen eben dorthin wurden Bestände der Sammlungen in Einzelausstellungen präsentiert. Den Anfang machte eine Überblicksausstellung mit den Hauptwerken der Sammlung in Luzern (1948), schon zwei Jahre danach folgte am selben Ort die Ausstellung Wiener Biedermeier-Maler und Carl Spitzweg (1950). Im Engländerbau in Vaduz wurde 1983 die Ausstellung Wiener Biedermeier Gemälde aus den Sammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein gezeigt.


Durch den Neubau des Kunstmuseums in Vaduz ergaben sich ganz neue, heutigen Standards entsprechende Möglichkeiten, Bestände aus den Fürstlichen Sammlungen in Vaduz auszustellen. Nach einer kurzen Vakanz im Kunstmuseum während der Phase der Neueröffnung des LIECHTENSTEIN MUSEUM in Wien (2004) präsentiert nun die Sammlung wiederum eine Auswahl aus den Biedermeierbeständen in Vaduz. Kunstwerke dieser Epoche waren auch schon Teil der Eröffnungsausstellung des Museums in Wien, wo eine kleine Auswahl an Objekten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Interesse in besonderem Mass auf sich zog. Der Kern an Meisterwerken aus dieser Zeit wurde direkt bei den Künstlern beauftragt und angekauft. In den letzten Jahren sind viele Hauptwerke der grossen Meister hinzugekommen, bezaubernde Bilder von Friedrich von Amerling, Peter Fendi und Ferdinand Georg Waldmüller haben den Bestand um neue Facetten bereichert.


Dem Faktum, dass die Sammlungen des Fürsten von und zu Liechtenstein nicht nur aus Gemälden bestehen, sondern auch auf den Gebieten der Skulptur und der angewandten Kunst mit gleichrangigen Spitzenwerken aufzuwarten haben, wurde im Bereich des Klassizismus und des Biedermeier mit dem Erwerb von Porzellanen der Manufaktur Sorgenthal Rechnung getragen. Heute besitzt das Fürstenhaus gerade auf diesem Gebiet eine der geschlossensten existenten Sammlungen. Dazu kommt aus der unglaublich reichen Graphiksammlung Material der grossen Aquarellisten der Zeit, allen voran Rudolf von Alt und Thomas Ender, aber auch von Joseph Höger, deren Arbeiten noch einmal eine neue Dimension erschliessen. Mit den ergänzenden Möbeln ergibt sich ein Gesamtbild dieser Epoche in den Fürstlichen Sammlungen, das in dieser Dichte noch nie präsentiert worden ist. Aus konservatorischen Gründen ist es erforderlich, die Graphiken während der Laufzeit der Ausstellung drei Mal zu tauschen, was der Ausstellung zusätzliche Attraktivität verleiht und zum mehrmaligen Besuch anregen soll. (kml/mc/th)

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