Migrosmuseum: Paul Noble


Das Wort «Urban» ist heute zu einem Reizwort geworden. Befürworter und Gegner von Planung und Bewahrung sind ebenso schnell auf dem Platz wie Planer und Bürokraten. Einen poetischen Umgang mit dem Thema bietet der Brite Paul Noble.

Seit 1995 arbeitet Paul Noble (*1963) an monumentalen Graphitzeichnungen einer fiktiven Stadt mit dem Namen Nobson Newtown – diese verbinden Gebäude und Orte, welche die Geographie, Geschichte und Mythologie von Nobson Newtown ausmachen. Die Ausstellung im migros museum für gegenwartskunst zeigt erstmals in der Schweiz das Grossprojekt Nobson Newtown.

Englischer Hintergrund
Aufgewachsen an der Küste von Whitley Bay im Nordosten Englands, studierte Paul Noble am Humberside Art College, bevor er in den späten 1980er Jahren in das Londoner East End zog. Er wurde Teil einer Bürgerrechtsbewegung gegen die Strassenbauplanung, die schliesslich sein Wohnviertel ausgelöscht hätte. Von 1988 bis 1998 führten Noble und vier andere Künstler City Racing, einen alternativen Kunstraum im Hinterzimmer eines Wettbüros, der einen bedeutenden Einfluss auf die Londoner Kunstszene ausgeübt hat.

Die dokumentierte Erneuerung
Zu Beginn der 1990er Jahre legte Noble den Grundstein zu Nobson Newtown: eine handgezeichnete Karte der Stadt und eine am Computer gestaltete Schriftart (Nobfont), die auf den Formen modernistischer Architektur basiert. Die architektonische Planung dieser „Neuen Stadt“ (New Town), die von ihren Bewohnern aus den Trümmern der alten entworfen und errichtet wird, erinnert an den Einfluss, den die Gartenstadtbewegung auf die Stadtplanung des 20. Jahrhunderts gehabt hat. In deren Mittelpunkt standen vor allem sozialreformerische Ideen und die Verbesserung ihrer ästhetischen Erscheinung. Gleichermassen beschwört Nobson Newtown so unterschiedliche utopische „Verrücktheiten“ herauf wie den Pavillon, den Victor Pasmore 1970 in Peterlee baute oder den megalomanischen Bürgerpalast von Nicolai Ceausescu in Bukarest.

Urban
Jede Zeichnung beginnt mit dem Namen des dargestellten Gebäudes, geschrieben in den grossen, dreidimensionalen Nobfont-Buchstaben, die anschliessend wie mittelalterliche Manuskripte ausgeschmückt und illuminiert werden. Sprache ist in Nobson Newtown buchstäblich der Baustein der Zivilisation und das Fundament der Gesellschaft. Noble erweist den ägyptischen Hieroglyphen, den chinesischen Kalligraphien, den hebräischen Schriften und den Graffiti in epischem Ausmass Reverenz und flösst den Zeichnungen auf diese Weise literarische, poetische und politische Botschaften ein.

Buchstäbliche Grenzen
Konkrete Poesie an ihre quasi buchstäblichen Grenzen treibend, sind diese Buchstaben-Gebäude von den Spuren menschlicher Überreste übersät. Von Grabsteinen zu Baumstümpfen, von Mülltüten zu Grillfesten – die Zeichnungen erinnern in ihrem Detailreichtum und in ihrer Intensität an die Visionen von Bosch, die Kupferstiche von Piranesi, die deftige Sprache der Viz-Comics und an die Kritik von Robert Crumb. In der ihnen eigenen Verbindung von Handwerk und Karnevaleskem, Schmucklosem und Dekadentem, verknüpfen Nobles urbane „Textlandschaften“ soziales Gewissen mit einem feinen Sinn für Humor. (hm/mc/th)


Sammlung 
Vertretene Künstler
 
Amorales Carlos
Andre Carl
Antille Emmanuelle
Atelier van Lieshout
Baldessari John
Baselitz Georg
Baumgarten Lothar
«Becker Julie
Boetti Alighiero
Bonvicini Monica
Borland Christine
Buetti Daniele
Bulloch Angela
Bustamante Jean-Marc
Büchel Christoph
Cattelan Maurizio
Chaimowicz Marc Camille
Coste Annelise
Cucchi Enzo
Darboven Hanne
Dibbets Jan
Disler Martin
Eppstein Esther
Fischer Urs
Fischli / Weiss
Fleury Sylvie
Framis Alicia
Gilbert & George
Gordon Douglas
Gygi Fabrice
Haaning Jens
Heijne Mathilde ter
Hess Nic
Hess Nic Seiler Kerim /
Hirakawa Noritoshi
Horowitz Jonathan
Joseph Peter
Judd Donald
Kartscher Kerstin
Kippenberger Martin
Klat
Kounellis Jannis
Lang / Baumann
Le Witt Sol
Libeskind Daniel
Long Richard
Lüthi Urs
Mackenna Tracy/ Jannsen Edwin
Mangold Robert
McQueen Steve
Merz Mario
Mosset Olivier
Muñoz Juan
Müller Claudia & Julia
Nauman Bruce
Nicolai Olaf
Noland Cady
Paolini Giulio
Penck A.R.
Penone Giuseppe
Pong Elodie
Raetz Markus
Richter Gerhard
Robert-Tissot Christian
Rondinone Ugo
Ruscha Ed
Ryman Robert
Schnyder Jean-Frédéric
Schonzeit Ben
Schütte Thomas
Seiler Kerim
Shutov Serguei
Stalder Thomas
Thek Paul
Tiravanija Rirkrit
Toroni Niele
Tzaig Uri
Uklanski Piotr
Uslé Juan
Vece Costa
Verhoef Toon
Walder Susann
Warhol Andy
Warmerdam Marijke van
Wilkes Cathy
Willats Stephen
Wool Christopher

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