Peter Dietrich, Direktor Swissmem

von Patrick Gunti


Herr Dietrich, die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie hat im ersten Halbjahr 2008 ein Umsatzplus von 10,5 % und ein um 6,1 % erhöhtes Exportvolumen erwirtschaftet. Die Auftragseingänge blieben allerdings um 9,2 % hinter dem Rekordjahr 2007 zurück. Wie werten Sie das Resultat?


Wir dürfen mit diesem Resultat durchaus zufrieden sei. Die Umsätze sind gestiegen, die Auslastung liegt mit gut 89 Prozent immer noch mehr als 2 Prozent über dem langjährigen Mittel. Wir sind uns allerdings bewusst, dass die Wachstumskurve nun leicht abflachen wird. Aber unsere Unternehmen sind nach wie vor gut aufgestellt.


Welche Sub-Branchen haben vom sehr guten Bestellungseingang 2007 im 1. Halbjahr 2008 am meisten profitiert?


Vom guten Bestellungseingang profitierten insbesondere die Bereiche Elektrotechnik/Elektronik und die Präzisionsinstrumente. Etwas moderater entwickelten sich der Fahrzeugbau, der Maschinenbau und der Metallbau.


Wie verlief die Entwicklung der Exporte in die verschiedenen Märkte?


Vor allem die Märkte in Asien entwickelten sich weiterhin sehr positiv, jene in die EU etwas weniger. Erstmals seit Jahren stiegen aber die Exporte in die USA wieder leicht an.


Eine Region mit grossem Potenzial für die MEM-Industrie ist Osteuropa. Welches Resultat wurde hier erzielt?


Generell sind die Umsätze, die unsere Industrie in Osteuropa erzielen, gut bis sehr gut. Und die Aussichten bezüglich dieser Märkte werden auch für die Zukunft sehr optimistisch beurteilt.


«Es muss verhindert werden, dass gewisse Rohstoffmärkte nur noch unter zwei, drei Anbietern aufgeteilt werden.» (Peter Dietrich, Direktor Swissmem)


Welchen Einfluss hatten die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten?


Die steigenden Rohstoffkosten machen uns natürlich grosse Sorgen, denn die höheren Beschaffungspreise drücken stark auf die Margen.


Von welcher Entwicklung ist angesichts der getrübten konjunkturellen Lage im 2. Halbjahr auszugehen?


Wir stehen vor zwei Entwicklungen: Erstens stehen wir vor einer Abflachung der Konjunktur, wobei es zwischen den Subbranchen Unterschiede geben wird. Zweitens stellen wir fest, dass Entwicklungen heute viel schneller ablaufen, als in der Vergangenheit, dies nach unten, aber auch nach oben. Gesamthaft sind unsere Unternehmen für das zweite Halbjahr verhalten positiv gestimmt.


Nach der Marktöffnung steigen die Strompreise zum Teil massiv. Wie reagiert Swissmem darauf?


Wir und unsere Firmen sind vor allem erstaunt über das Ausmass der kommunizierten Preiserhöhungen. Wir sind deshalb daran, zusammen mit unseren Mitgliedfirmen entsprechende Massnahmen auszuarbeiten. Swissmem fordert zudem von den Behörden – insbesondere von der Elcom – eine genaue Überprüfung, ob die angekündigten Strompreiserhöhungen in diesem Ausmass auf der Grundlage des Stromversorgungsgesetzes begründet werden können. Gelingt dieser Nachweis nicht, dann erwartet Swissmem von der Elcom, dass die Strompreise entsprechend korrigiert und zu Gunsten der Stromverbraucher gesenkt werden.


Inwieweit lassen sich aus Sicht der Industrie die höheren Energie- und Rohstoffkosten auf die Kunden abwälzen?


Das ist nur noch in seltenen Einzelfällen möglich, wenn man im hart umkämpften internationalen Markt nicht Marktanteile verlieren und ins Hintertreffen gelangen will.


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Eröffnen sich durch die angespannte Situation auf den Beschaffungsmärkten für die MEM-Industrie auch Chancen?


Nein, Chancen sehe ich keine, ausser Sie bezeichnen den erhöhten Druck zur Innovation als Chance. Fortwährende Innovation – unbesehen der Lage an den Beschaffungsmärkten –  gehört aber sowieso zum Standardverhalten unserer Unternehmen.


Swissmem fordert auch von der Politik Massnahmen, um der Schweizer Industrie den Zugang zu offenen und wettbewerbsorientierten Beschaffungsmärkten für Rohstoffe und Energie zu gewährleisten. Wie lauten diese Forderungen?


Wir glauben grundsätzlich an den Markt. Aber dieser Markt muss funktionieren. Das tut er nur, wenn die Konkurrenz spielt. Es muss also verhindert werden, dass gewisse Rohstoffmärkte nur noch unter zwei, drei Anbietern aufgeteilt werden. Dazu braucht es internationale Abkommen. Wir fordern deshalb die Schaffung einer internationalen Kartellbehörde. Die kann aber nur geschaffen werden, wenn sich die Staaten dafür einsetzen. Der Bund muss sich also dafür stark machen.


Im Energiebereich fordert Swissmem vom Bundesrat ein klares politisches Signal für den Bau neuer Kernkraftwerke – einem umstrittenen Anliegen – zu setzen. Wo sehen Sie Alternativen?


Grundsätzlich befürworten wir einen Energiemix, also ein Zusammenspiel von verschiedenen Arten der Energiegewinnung. So stehen wir auch ein für die Förderung alternativer Energien, zumal in dieser Technologie ein grosses wirtschaftliches Potential für unsere Unternehmen steckt. Wir verlangen auch den Ausbau der Wasserkraft. Aber all diese Massnahmen werden nicht ausreichen, um langfristig die Energiesicherheit zu garantieren. Deshalb verlangen wir den Bau neuer Kernkraftwerke.


Die Gewerkschaften fordern in der anstehenden Lohnrunde nicht nur den vollen Teuerungsausgleich, sondern auch generelle Reallohnerhöhungen von bis zu 2,5 %. Konflikte sind programmiert. Wie stellt sich Swissmem dieser Diskussion?


Lohnverhandlungen werden in unserer Branche auf Ebene der Betriebe geführt. Grundlage dafür sind die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse jedes einzelnen Unternehmens. Deshalb sind generelle Reallohnerhöhungen kein Thema in dieser Branche. Die Erfahrung lehrt uns, dass unsere Unternehmer mit der Lohnfrage verantwortungsvoll umgehen und so Konflikte vermeiden können.


Sie haben das Direktorium von Swissmem am 1. Mai dieses Jahres angetreten. Mit welcher Zielsetzung?


Mein erstes Anliegen ist bekannt zu machen, wie erfolgreich sich die Swissmem als grösster Industrieverband für die Anliegen ihrer Mitglieder einsetzt. Unsere Branche schafft Arbeit für über 344’000 Menschen und trägt damit wesentlich zum Wohlstand unseres Landes bei. Dabei ist sie darauf angewiesen, dass eine effiziente Organisation die Interessen des Werk- und Denkplatzes wirkungsvoll vertritt.


Des Weiteren ist es mein erklärtes Ziel, nicht nur die Swissmem als effiziente Interessenvertreterin sondern generell unsere Industrie mit ihren faszinierenden Tätigkeiten bekannter zu machen. Angesichts der demographischen Entwicklung  und dem zunehmendem Mangel an Nachwuchs auf dem Arbeitsmarkt muss bekannt sein, wie faszinierend diese Branche ist: Sie hilft mit ihren innovativen High-tech-Produkten, die Probleme der Welt zu lösen und bietet darum tolle Jobs mit spannenden Inhalten.


Herr Dietrich, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Peter Dietrich ist seit 1. Mai 2008 Direktor des Verbandes der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Peter Dietrich, geboren am 16. Juni 1967, ist in der Region Baden aufgewachsen und hat sein Studium der Jurisprudenz 1992 an der Universität Fribourg mit dem Lizentiat abgeschlossen. 1995 erwarb er das Anwaltspatent des Kantons Aargau und 2002 den Master of Law in internationalem Wirtschaftsrecht mit Spezialisierung Vertragsrecht und Schiedsgerichtsbarkeit. 1996 trat er als Rechtskonsulent und Verbandssekretär in den Arbeitgeberverband der Schweizer Maschinenindustrie (ASM) ein. Im Jahr 2000 wurde Peter Dietrich zum Bereichsleiter Arbeitgeberpolitik von Swissmem ernannt und nahm gleichzeitig auch Einsitz in die Geschäftsleitung des grössten schweizerischen Industrieverbandes.

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