Pfizer investiert 100 Millionen Euro – Scharfe Kritik an deutscher Politik

«Die Politik, die hier gemacht wird, ist nicht gerade hilfreich für den Standort», sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung von Pfizer-Deutschland, Walter Köbele, in einem dpa-Gespräch in Karlsruhe. «Hier werden Chancen vertan, weil man die forschende Industrie mehr und mehr vertrieben hat.» Deutschland werde immer mehr zu einem Land, das Forschungs- Know-how und damit Zukunft verliere. «Dass wir trotzdem investieren, heisst, dass wir langfristiger denken als die Politik», sagte Köbele.

Bei besseren politischen Rahmenbedingungen würde noch mehr investiert
Wahrscheinlich würde Pfizer noch mehr investieren, wenn die politischen Rahmenbedingungen besser wären. Ein Dorn im Auge sind dem Pharmariesen insbesondere die ab April geltenden verschärften Regelungen für Festbeträge. Dies sind Höchstpreise, bis zu denen Krankenkassen den Herstellern die Arzneien erstatten. Die so genannten Jumbo-Gruppen, bei denen innovative und Patent geschützte Medikamente mit älteren in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst werden, seien der falsche Weg. Der bundespolitische Wechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Rot habe nur «ganz, ganz kleine Verbesserungen» gebracht. Die Gesundheitspolitik trage noch die Handschrift der SPD.

Hoffnung auf bessere Bedingungen durch Bundeskanzlerin Angela Merkel
Köbele hofft aber auf bessere Bedingungen durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Durch die seit Januar 2005 geltenden Festbeträge hat Pfizer etwa zwei Drittel des Umsatzes beim Cholesterinsenker Sortis verloren. Seither müssen Patienten der gesetzlichen Krankenkassen zuzahlen, wenn sie das Medikament wollen. «Ärzte verschreiben Sortis nur noch an Privatpatienten. Das ist Zwei-Klassen-Medizin», meinte Köbele. Aus seiner Sicht gibt es für Patienten etwa mit akutem Koronarsyndrom oder Diabetes mit weiteren Risikofaktoren keine wirkliche Alternative. Pfizer will deshalb «notfalls durch alle Instanzen» klagen. «Seit 1997 hatten wir praktisch jedes Jahr eine Gesundheitsreform – und jedes Jahr ist das Problem grösser geworden. Und zwar nicht wegen der Arzneimittel.» Von den 70 Milliarden Euro Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im ersten Halbjahr 2005 hätten die patentgeschützten Arzneimittel der forschenden Hersteller einen Anteil von nur fünf Prozent.

Wettbewerb der Krankenkassen sei notwendig
«Die Politik könnte uns zu Tode sparen und würde das Problem nicht lösen.» Notwendig sei ein Wettbewerb der Krankenkassen um unterschiedliche substanzielle Leistungen, Wahlmöglichkeiten für Patienten und ein Wettstreit um die besten Therapieoptionen. Pfizer will in diesem Jahr in Deutschland vier neue Produkte einführen : Revatio (gegen Lungenhochdruck), Exubera (inhalierbares Insulin), Macugen (gegen die zur Erblindung führende Makuladegeneration) und Sutent (gegen Krebs). Investiert wird vor allem im bayerischen Werk Illertissen, wo die Produktion erweitert wird. Dort werden Medikamente gegen Krebs, Schmerzen und Herz- Kreislauf-Erkrankungen hergestellt.

Pfizer-Deutschland erwartet leichtes Umsatzplus
In diesem Jahr erwartet Pfizer-Deutschland ein leichtes Umsatzplus. Nach 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2004 war der Umsatz im vergangenen Jahr wegen Sortis und auslaufenden Patenten etwas zurückgegangen. «Auf einzelnen Gebieten hatten wir sonst Wachstumsraten zwischen 20 bis 40 Prozent», sagte Köbele. Ein grosser Erfolg sei das Schmerz- und Epilepsie-Mittel Lyrica. Auch das Potenzmittel Viagra habe mit einem Marktanteil zwischen 46 bis 48 Prozent wieder zugelegt. Die Deutschland-Tochter des weltweit grössten Pharmakonzerns beschäftigte Ende 2005 in Illertissen bei Neu-Ulm, Feucht bei Nürnberg, Freiburg und in der Zentrale in Karlsruhe 4900 (2004: 5200) Mitarbeiter. Köbele rechnet mit einem «gewissen weiteren Beschäftigungsrückgang».

(awp/mc/hfu)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert