Wolfgang Renner, CEO Cytos Biotechnology AG

von Christa Spoerle


Herr Renner, Cytos provoziert Reaktionen entweder himmelhochjauzend oder zu Tode betrübt – braucht man als CEO eines Biotechnologieunternehmens besonders gute Nerven?


Im jetzigen Wirtschaftsumfeld braucht es wohl überall gute Nerven, in unserem Geschäft sind sie aber sicherlich von Vorteil.


Sie haben den Impfstoff gegen hohen Blutdruck nach sehr guten Ergebnissen in einer Phase-II-a Studie und dem Scheitern einer zweiten offensichtlich nicht abgeschrieben, was macht Sie da zuversichtlich?


Dass wir eine plausible Hypothese haben, die erklärt, wieso es in der zweiten Studie nicht so gut funktioniert hat. Es hat sich herausgestellt, dass als Folge des veränderten Behandlungsregimes die Bindungsstärke der Antikörper gegen das blutdrucksenkende Hormon insgesamt schlechter war als in Studie 01. Aber – und das ist wichtig ? es gab eine gute Korrelation zwischen der Bindungsstärke und der Blutdrucksenkung auf individueller Basis. Das heisst je besser die Bindung der Antikörper in einem Patienten war, desto stärker war seine Blutdruckabnahme. Dies bestätigt grundsätzlich den Mechanismus, und es erlaubt uns die Behandlungsparameter so zu ändern, dass dem Immunsystem genug Zeit zur Bildung von stark bindenden Antikörpern bleibt, ähnlich wie wir das in der ersten Studie gemacht haben.


Für dieses Produkt haben Sie noch keine Partnerschaft abgeschlossen,  gibt es Interessenten?


Erst möchten wir die obige Hypothese nochmals an einer laufenden Studie testen, um ganz sicher zu sein, bevor wir wieder über eine Partnerschaft nachdenken.


Wie verläuft die Phase II-b Dosierungsfindungsstudie ihres Wirkstoffes gegen Rhinokonjunktivitis (Allergische Rhinitis, Heuschnupfen)? Suchen Sie da auch schon nach Partnerschaften?


Auch diese wird im laufenden Quartal Resultate liefern, die über den weiteren Verlauf einer Partnerschaft entscheiden werden.


Wie sieht Ihre Auslizenzierungsstrategie nun aus? Versuchen Sie eher früher also in oder nach Phase II einen Partner zu finden oder eher zuzuwarten, um bei weniger Risiko für den Partner bessere Konditionen zu bekommen?


Wenn es die finanziellen Mittel erlauben, ist es sicherlich lukrativer zuzuwarten, um mit einem weiter fortgeschrittenen Produkt bessere Konditionen zu erzielen. An diesem Prinzip möchten wir festhalten.


Ist mit den starken Pharma-Partnern Novartis und Pfizer Ihre Wunschliste perfekt, oder wäre Ihnen eine grössere Diversifikation lieber? 


Wichtig ist, dass unsere Produktkandidaten bei unseren Partnern strategisch richtig positioniert sind, und dass sie dort mit den nötigen Ressourcen weiterentwickelt werden, was bei den genannten Firmen der Fall ist. Aber in diesem Sinne kommen natürlich auch weitere Unternehmen in Frage.


Käme für Sie statt Partnerschaften auch eine Allianz in Frage und wenn ja, unter welchen Bedingungen?


Kommt darauf an, was Sie unter Allianz verstehen. Grundsätzlich möchten wir unsere Produktkandidaten wie vorhin erwähnt einzeln auslizensieren.


$$PAGE$$


Welchen ihrer sieben Produktkandidaten würden Sie als aussichtsreichsten, welchen als denjenigen mit dem grössten Marktpotenzial bezeichnen?


Fünf der Produkte, die sich in der klinischen Entwicklung befinden, richten sich an sehr grosse Märkte und haben das Potenzial, dank dem Impfprinzip gängige Behandlungsmethoden zu revolutionieren. An diesen Krankheiten, es sind Allergien und Asthma, hoher Blutdruck, Diabetes, Nikotinsucht sowie Alzheimer leiden viele Menschen, daher ist das Marktpotential sehr gross. Diese Produkte befinden sich im mittleren Entwicklungsstadium, und, wie wir mit der Blutdruckimpfung gesehen haben, handelt es sich dabei um Forschung mit manchmal überraschendem Ausgang.


Dies ist der normale Gang der Dinge in unserer Industrie und es ist mir wichtig, dies richtig zu kommunizieren, um ein schwarz / weiss denken zu vermeiden, wie Sie es eingangs mit himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt bezeichnet haben. All diese Produkte benötigen weitere intensive Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen die wir nur in Partnerschaft mit grossen Pharmafirmen erfolgreich durchführen können. Daher unser erwähntes Geschäftsmodell. Im Erfolgsfall steht am Ende aber eine kostengünstige, simple und effektive Methode zur Behandlung von chronischen Krankheiten ? eine neue Art der Impfung eben.


Wann rechnen Sie etwa mit dem ersten Phase-III-Test für einen ihrer Wirkstoffe? 


Dies kann ich mit Sicherheit erst sagen, wenn ich die Daten der laufenden Studien kenne.


Mit kräftigen Sparmassnahmen und einem massiven Personalabbau wollten Sie im März die Finanzierung ihrer Forschung und Entwicklung bis 2012 sichern, wie beurteilen Sie die Situation heute?


Die Restukturierung ist abgeschlossen und die Kostenbasis ist auf CHF 25 Millionen pro Jahr reduziert, was die Finanzierung des operativen Geschäftes bis 2012 sicherstellen soll. Auf die sieben klinischen Projekte hat die Restrukturierung keinen Einfluss, und an den drei aussichtsreichsten präklinischen Projekten wird wie gehabt weitergearbeitet.


«Fünf der Produkte, die sich in der klinischen Entwicklung befinden, richten sich an sehr grosse Märkte und haben das Potenzial, dank dem Impfprinzip gängige Behandlungsmethoden zu revolutionieren.»


Wie entwickeln sich ihre Finanzerträge?


Abhängig vom Erreichen von Meilensteinen ? aber wegen deren unregelmässigen Eintreffen verzichten wir auf eine Prognose.


Analysten sprechen davon, dass Cytos schon im dritten Quartal eine Nettoverschuldung aufweisen wird, ist da was dran?


Was wohl gemeint ist, ist dass die Barbestände ohne weitere Einnahmen CHF 70 Millionen unterschreiten werden. Dies entspricht dem Betrag der ausstehenden Wandelanleihe, die im Jahr 2012 fällig wird.


Sie sehen also keine Probleme 2012 die Wandelanleihe über 70 Mio CHF zurückzuzahlen?


Selbstverständlich ist die Wandelanleihe fester Bestandteil unserer finanziellen Planung.





Zur Person:
Wolfgang  Renner erhielt 1995 seinen Doktortitel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Seine Doktorarbeit schuf die Grundlage für die Gründung der Cytos Biotechnology AG, welche er seither als Chief Executive Officer führt. Sein Wirken wurde unter anderem mit der ETH-Medaille, dem ersten Preis des «Swiss Economic Award», der Auszeichnung «Unternehmer des Jahres 2000», sowie dem «Swiss Equity Award 2006» belohnt. Dr. Renner ist Mitglied der Kommission für Wissenschaft und Forschung des Verbands Schweizer Unternehmen Economiesuisse sowie des Stiftungsrates des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung.


Zum Unternehmen:
Cytos Biotechnology AG ist ein börsenkotiertes Schweizer Biotechnologie-Unternehmen, das sich auf die Entdeckung, Entwicklung und Vermarktung einer neuen Klasse von biopharmazeutischen Präparaten ? die Immunodrugs? ? spezialisiert hat.  Immunodrugs? sollen das Immunsystem des Patienten dazu bringen,  erwünschte therapeutische Antikörper oder T-Zellreaktionen zu erzeugen, welche chronische Krankheitsprozesse modulieren. Cytos Biotechnology hat eine Pipeline von Immunodrug?-Kandidaten für verschiedene Krankheitsindikationen entwickelt, von denen sich derzeit fünf in der klinischen Entwicklung befinden. Die Immunodrug?-Kandidaten werden sowohl in eigenen Programmen als auch in Zusammenarbeit mit Novartis, Pfizer und Pfizer Tiergesundheit entwickelt. Das 1995 als Spin-off der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich gegründete Unternehmen hat seinen Sitz in Schlieren (Zürich). Ende 2008 zählte das Unternehmen 133 Beschäftigte und erlöste 20 Mio CHF.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert