Abzocker-Initiative dank Vasella wohl auf der Zielgeraden angelangt

Abzocker-Initiative dank Vasella wohl auf der Zielgeraden angelangt

Ständerat Thomas Minder, Initiant Abzocker-Initiative.

Bern – Die 72 Millionen Franken für den zurücktretenden Novartis-Präsidenten Daniel Vasella könnten den Gegnern der Abzocker-Initiative einen entscheidenden Schlag versetzt haben. Darin waren sich Vertreter aus Medien, Politik und Wirtschaft am Wochendende einig. Zeitungskommentatoren schrieben, Vasella habe den Befürwortern der Abzocker-Initiative einen grossen Gefallen getan. Ein Ja zur Initiative des Schaffhauser Ständerats Thomas Minder sei nun kaum mehr zu verhindern, hiess es etwa in «Tages-Anzeiger» und «Bund». Vasella dürfte das Kunststück gelungen sein, «den Abstimmungskampf praktisch im Alleingang entschieden» zu haben.

Der «Walliser Bote» sprach von einem «Vasella-Effekt»: Wenn dieser zum Tragen komme, nütze Economiesuisse auch das viele Geld (8 Millionen Franken) nichts, mit welchem der Wirtschaftsdachverband die Bevölkerung von seinen Argumenten für den indirekten Gegenvorschlag und gegen die Initiative überzeugen wolle.

Fassungslose Sommaruga
Am Freitagabend war bekannt geworden, dass sich Vasella das Konkurrenzverbot mit 72 Millionen Franken entschädigen lässt. Die Summe soll über sechs Jahre ausgezahlt werden und entschädigt gleichzeitig die Beratungs- und Coachingtätigkeit, die Vasella in dieser Zeit für das Basler Pharmaunternehmen leistet.

Aus der Politik brandeten Vasella die Wogen der Empörung entgegen: Justizministerin Simonetta Sommaruga zeigte sich am Freitagabend in der «Arena» von Schweizer Fernsehen SRF, kurz nach Bekanntwerden der Millionenzahlung, «sprachlos». «Das ist ein enormer Schaden für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land», sagte sie in einem Interview mit dem «SonntagsBlick».

«Vertrauen in die Wirtschaft erschüttert»
Diese «Selbstbedienungsmentalität» erschüttere das Vertrauen in die ganze Wirtschaft, sagte Sommaruga. «Wenn es nun zu einem Ja kommt am 3. März, dann sind allein jene Manager dafür verantwortlich, die jegliches Mass verloren haben.»

Ob solche Zahlungen trotz einem Ja zur Abzocker-Initiative verhindert werden können, sei indes nicht sicher. Wenn es sich um ein Konkurrenzverbot handle, dann könnten weder Initiative noch Gegenvorschlag etwas dagegen machen, sagte Sommaruga.

Handle es sich aber um eine «getarnte Abgangsentschädigung», wäre dies bei einem Ja zur Initiative nicht mehr möglich. Beim Gegenvorschlag würde die Zustimmung von zwei Dritteln der Aktionäre benötigt, sagte Sommaruga.

Kritik auch von Economiesuisse
Kritik an Vasella hagelte es auch von Economiesuisse. «Die Dimension der Zahlung hat unsere Vorstellungskraft überschritten», sagte Direktor Pascal Gentinetta in der Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF. Ex-Präsident Bührer findet Vasellas Verhalten in einem Interview mit dem «SonntagsBlick» schlicht «ethisch verwerflich».

Für Bührer ist zudem klar: Die von Novartis und Vasella als Konkurrenzverbot betitelte Zahlung sei eine «klare Abgangsentschädigung». Vasellas Argument, er wolle die Millionen für wohltätige Zwecke spenden, sei «nur ein Ablenkungsmanöver». Bezüglich Abstimmungstag vom 3. März sagte wiederum Gentinetta: «Wir werden bis zum Ende kämpfen.»

Dass es für Economiesuisse eng werden dürfte, zeigt eine von Dienstag bis Samstag bei 1377 Stimmberechtigten der Deutsch- und Westschweiz durchgeführte Umfrage im Auftrag des «SonntagsBlick». Zwei Wochen vor dem Urnengang unterstützen 57 Prozent die Abzocker-Initiative. Eine erste Befragung im Januar hatte einen Ja-Anteil von 54 Prozent ergeben.

Décharge verweigern und Vertrag annullieren
Ein weiterer Höhepunkt im Abstimmungskampf steht am kommenden Freitag bevor. Novartis lädt in der Basler St. Jakobshalle zur Generalversammlung. Aktionärsvertreter wie die Anlagestiftung Ethos und die Vereinigung Actares haben aufgrund Vasellas Entschädigung angekündigt, dem Novartis-Verwaltungsrat die Décharge verweigern zu wollen.

Die Entschädigung sei nicht richtig und rechtzeitig den Aktionären kommuniziert worden, argumentieren beide. Einige Aktionäre hätten ihre Stimme elektronisch abgegeben, bevor die Zahlung an Vasella publik wurde. In Kenntnis des entsprechenden Vertrages würden sie vielleicht anders entscheiden, aber sie könnten ihre Stimme nicht mehr zurücknehmen, sagte Actares-Direktor Roby Tschopp gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Das Verhalten von Novartis› Verwaltungsrat verstosse gegen die Sorgfaltspflicht, sagte Ethos-Sprecher Christophe Hans. Ethos will an der Versammlung nicht nur die Décharge verweigern, sondern auch eine Annullierung des Vertrages betreffend Vasellas Entschädigung fordern. (awp/mc/ps)

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