Meret Schneider: Wir brauchen good news!

Meret Schneider: Wir brauchen good news!
Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Wir kennen die Situation: wohin wir auch blicken, welche Zeitung wir auch aufschlagen oder welchen Sender wir wählen: Überall herrscht Krise, Krieg und Klimawandel. Überschwemmungen hier, Dürre da, Wasserknappheit dort und es überkommt einen das Gefühl, ohnmächtig Wassertropfen auf einen Stein zu giessen, die bereits auf dem Weg in der Luft verdampfen.

Um im Zuge dieser dadurch erlernten Hilflosigkeit nicht in Fatalismus und Zynismus abzurutschen, die unweigerlich zu Passivität und einem “Nach mir die Sintflut”- Verhalten führen, müssen wir uns der Schritte, die wir bereits getan haben und im Begriff sind zu tun, bewusster werden. Denn wenngleich die Schritte in Anbetracht der Dringlichkeit zu klein und das Voranschreiten zu langsam geschieht, so stellen wir doch politisch Weichen, die uns in eine positivere Richtung führen, international wahrgenommen werden und als Orientierungspunkte für andere Länder dienen. So klein die Schweiz auch sein mag: wir sind mitnichten unbedeutend in Bezug auf unsere Vorbild- und Pionierrolle, die wir einnehmen können, wenn wir uns dafür entscheiden – und genau in meinem Kernbereich, der Landwirtschaft und der nachhaltigen Ernährung haben wir das zu einem kleinen Teil getan, was uns darin bestärken sollte, uns noch stärker in diese Richtung zu entwickeln.

Die Rede ist konkret von der Förderung der regenerativen Landwirtschaft und der Permakultur, die  einerseits aus Umwelt- und Klimaschutzpersepektive eine zentrale Rolle spielt, jedoch mittlerweile auch für Grosskonzerne wie Nestlé ein wichtiges Invest darstellt – und dies sicher nicht aus Freude an Bienen und Blumen. So stimmte mich ein kürzlich erschienener Artikel in der Handelszeitung zu Entwicklungen bei Grosskonzernen in Bezug auf Anbausysteme und Landwirtschaft überraschend positiv und entpuppte sich als quod erat demonstrandum dafür, dass es sich lohnt, ursprüngliche Anbaumethoden, robuste Sorten und regenerative Landwirtschaft zu fördern – eine Thematik, der ich mich bereits während der ganzen Legislatur schwerpunktmässig widme.

So experimentiert und analysiert der Global Nature Fund im Saarland zusammen mit lokalen Bauern und dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé, mit welchen Massnahmen und Konzepten zukunftssicherer Ackerbau betrieben werden kann. “Regenerative Landwirtschaft” ist dabei das Leitkonzept, an dem man sich orientiert und in dem man den grössten Gewinn für die Zukunft sieht.

Im Fokus stehen dabei die Gesundheit von Böden und Pflanzen, um deren Resilienz zu erhöhen und Ertragsausfälle zu minimieren, aber auch Artenvielfalt, Biodiversität, Humus-Management und Wasserkreisläufe. Der Ansatz verbindet Ideen aus der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft wie auch aus der Agrarökologie, der Permakultur oder der Agroforstwirtschaft. Etwas Neues ist dies ganz und gar nicht: über Jahrhunderte haben Bauern instinktiv getan, was sich als gut und nützlich erwiesen hat, um die Nährstoffe im Boden im Gleichgewicht zu halten. Nun lässt man diese Methoden und Bauernregeln von vor 80 oder 100 Jahren wieder aufleben – aber wissenschaftlich abgesichert.

Vorangetrieben werden entsprechende Pilotprojekte aktuell jedoch nicht nur von Umweltschutzorganisationen, sondern vielfach von grossen Nahrungsmittelkonzernen, darunter neben Nestlé auch McCain oder General Mills. Und die ersten Ergebnisse scheinen vielversprechend. In einer Studie des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) und der Beratungsgesellschaft Boston Consulting ist von einem grossen Nutzen für Agrarökosysteme und die gesamte Gesellschaft die Rede, etwa durch geringere Kohlenstoffemissionen und Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und Qualität von Wasser.

Zudem hätten landwirtschaftliche Betriebe bis zu 60 Prozent höhere Gewinne aufgrund geringerer Betriebsmittelkosten, betrieblicher Einsparungen und einer höheren Ertragsresilienz bei Starkwetterereignissen. Und last but not least sinkt in den nachgelagerten Lieferketten das Risiko von wetterbedingten Versorgungsengpässen um bis zu 50 Prozent.

Genau diese Sicherung von Rohstoffen ist die Motivation der Lebensmittel-Multis, sich nun verstärkt für Nachhaltigkeit auf dem Acker einzusetzen. McCain etwa, bekannt vor allem für seine Pommes Frites und Kroketten, hat sich verpflichtet, ab 2030 nur noch Kartoffel-Lieferungen anzunehmen, die von Anbauflächen stammen, auf denen regenerative Landwirtschaftsmethoden eingesetzt werden.

Auch Nestlé investiert, wie der Handelszeitung zu entnehmen ist: gut 1,2 Milliarden Euro steckt der Konzern dafür innert drei Jahren in die Förderung dieser Projekte. Zu den Empfängern gehört auch das Startup Klim aus Berlin, das regenerative Landwirtschaft skalieren will. Natürlich läuten bei mir angesichts dieses Artikels sofort die Greenwashing-Glocken: Nestlé ist nun mal nicht für verantwortungsvolles Agieren im Lebensmittelsektor bekannt. Angesprochen auf Greenwashing und der Motivation des Grosskonzerns, äussert sich ​​Nestlé wie folgt: “Wir machen das, weil wir auch in Zukunft die Rohstoffe brauchen”, meint Anke Stübing, die in der deutschen Landesgesellschaft den Bereich Nachhaltigkeit verantwortet. Jeder könne sehen, wie Wetterextreme zunehmen und dass dadurch zunehmend die Ernten gefährdet sind. “Also müssen wir die Bewirtschaftung umstellen.”

Dafür arbeite Nestlé genau wie andere Industrieunternehmen mit Umweltverbänden und NGOs zusammen, um Standards zu setzen. “Bio kann die Welt nicht ernähren, aber regenerative Landwirtschaft kann ein wichtiger Zwischenschritt sein.” Das komme in der Branche auch zunehmend an, vor allem bei den jungen Hofnachfolgenden, die sich auch untereinander animieren.

Von der Politik indes könnte mehr Unterstützung kommen, beklagt Stübing. “In der Schweiz sind regenerative Konzepte längst üblich und werden staatlich gefördert. Hierzulande wünschen wir uns mehr Dialog.” Die Schweiz als Pionierin einer regenerativen Landwirtschaft? Das wäre meine Wunschvorstellung, die in meinen Augen bisher jeglicher Realität entbehrt, doch offenbar sieht man das im Ausland anders. Natürlich machen wir politisch kleine Schritte in die richtige Richtung, doch ist die Agrarpolitik meines Erachtens noch immer viel zu zögerlich, bürokratisch und umständlich in der Unterstützung und Förderung regenerativer Anbauweisen. Und doch: es sind gute Neuigkeiten. Konzerne investieren, wir befinden uns auf dem richtigen Weg und auch wenn wir uns zu langsam fortbewegen: es bewegt sich doch. Und das motiviert. Mindestens für einige weitere Legislaturen Agrarpolitik.


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