«Warum Meienberg?»

«Warum Meienberg?»

Niklaus Meienberg (1940 – 1993). (Bild: ZHB Luzern)

Luzern – Niklaus Meienberg (1940 – 1993), Journalist, Historiker und Schriftsteller, ist eine Ausnahmeerscheinung. Er zählt zu den bekanntesten, heftig umstrittenen und zeitweilig einflussreichsten Schweizer Intellektuellen des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Ausstellung zum 20. Todestag fokussiert das Werk, fragt nach der Aktualität und Relevanz Meienbergs Im Mittelpunkt stehen die Texte der bis heute polarisierenden Persönlichkeit, zahlreiche andere Quellen, die Zeit Meienbergs und jene Themen, die diese Zeit bewegten. Im Rahmen der Vernissage in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, am Di, 26.11.2013, sprechen Marco Meier und Rolf Wespe über das Phänomen Meienberg. Moderation: Ina Brueckel, ZHB. Texte des Journalisten und Schriftstellers liest der Schauspieler Walter Sigi Arnold.

Der Meienberg – eine Ausnahmeerscheinung
Niklaus Meienberg gehört zu den bekanntesten, einflussreichsten und umstrittensten Schweizer Journalisten und Schriftstellern des vergangenen Jahrhunderts. Seine scharfsinnigen und wortgewaltigen, oft aber auch polemischen Texte haben heftige Diskussionen ausgelöst, zum Teil Geschichte geschrieben und wesentlichen Einfluss auf den journalistischen Stil seiner Zeit ausgeübt. Meienberg ist im Schweizer Journalismus eine Ausnahmeerscheinung. Als er sich im September 1993 das Leben nahm, brachten nahezu alle Schweizer Medien Nachrufe. Auch der Pariser «Le Monde» gedachte seiner mit einem Text des Sartre-Herausgebers Michel Contat unter dem Titel «Suicide d’un dissident suisse»; die «Süddeutsche Zeitung» brachte zwei Nachrufe, einer trug den Titel «Zwischen den Stühlen», der andere schilderte den «Untergang eines Aufrührers». In der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» war vom Schweizer «Staatsärgernis» Meienberg die Rede und von Angriffen der «Neuen Zürcher Zeitung» gegen ihn, die «fast einer Hinrichtung» gleichgekommen seien, aber nicht verwundern könnten: «Denn er verkörperte den selten gewordenen Typus des unabhängigen Chronisten, der in seinem Kampf gegen Einfluss und Arroganz von Politikern und Wirtschaftlern unbeirrt die Wahrheit zu Gehör bringen suchte und dafür alle erdenklichen Nachteile in Kauf nahm».

Bekannt und umstritten
Niklaus Meienberg, geboren 1940, wuchs in der Grossackerstrasse in St. Fiden auf, besuchte in Disentis die Klosterschule und studierte in Zürich, Freiburg und Paris. Er war einer der bekanntesten, umstrittensten und zeitweilig einflussreichsten Schweizer Intellektuellen des zwanzigsten Jahrhunderts. Trotz heftiger Angriffe gegen den «Demagogen, Chauvinisten und Rattenfänger Blocher» las dieser Meienbergs Artikel und schrieb ihm Briefe, Frisch förderte ihn, Muschg fürchtete ihn, Bichsel liebte und fürchtete ihn, Dürrenmatt fand ihn lustig, Gottfried Honegger war eine seiner festen Adressen, Laure Wyss seine Redaktorin. Seine scharfsinnigen, wortgewaltigen, oft polemischen, dann wieder feinfühligen und leichten, vielfach ironischen Texte lösten stets Diskussionen aus. Seine historischen Recherchen sind aus der Schweizer Zeitgeschichte nicht wegzudenken: In St. Gallen gehörte er zu jenen Forschern, die zum Beispiel früh die Rehabilitierung Paul Grüningers forderten; sein Text über den St. Galler Ernst Schrämli («Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.»), sein Buch über den Neuenburger Maurice Bavaud, der 1938 versuchte, Hitler zu töten («Es ist kalt in Brandenburg. Hitler töten») oder die Recherchen über General Ulrich Wille und seinen Clan («Die Welt als Wille und Wahn») sind zugleich literarische und historische Meisterwerke. Die ersten beiden Texte wurden unter Meienbergs aktiver Mitarbeit verfilmt; sie haben auch nach der helvetischen Vergangenheitsdebatte der 1990er Jahre und nach den Arbeiten der «Bergier-Kommission» nichts an Bedeutung und Eindringlichkeit verloren.

Perspektive «von unten»
In der Schweizer Geschichtsschreibung war Meienberg einer der ersten, der sich ernsthaft und konsequent um mündliche Quellen und um eine Perspektive «von unten» bemühte. Als Journalist ohne Maulkorb prägte Niklaus Meienberg eine ganze Generation von jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Positionen und Titel kümmerten ihn nicht, Tabus kannte er nicht. Als er 1976 den Fürsten von Liechtenstein beleidigte, verhängte der Zürcher «Tages-Anzeiger» ein langjähriges Schreibverbot. Meienberg schrieb Reportagen, Glossen, Rezensionen, lancierte Debatten zu diversen Themen, hier und da publizierte er ein öffentliches Tagebuch. Ausserdem schrieb er Gedichte, arbeitete an einem Theaterstück und plante einen Roman. Seine Laufbahn hatte er 1968 mit Artikeln aus dem bewegten Paris begonnen, bis zum Tod behielt er einen Wohnsitz in der Rue Ferdinand Duval im Marais. Er lebte und arbeitete in Zürich, aber auch an anderen Orten in der Schweiz, Ende der 1970er Jahre etwa in einer Mönchszelle der noch nicht renovierten Kartause Ittingen. 1982/83 war Meienberg für den damals noch renommierten deutschen «Stern» erneut als Korrespondent in Paris. 1993 hat er – zerstritten mit vielen ehemaligen Freunden, nach einer lange anhaltenden Depression den Freitod gesucht. Sein Tod wurde nicht nur in den Medien verhandelt, sondern auch an den Stammtischen diskutiert: Der Meienberg blieb eine für seinen Mut bewunderte, für seine Respektlosigkeit gefürchtete Instanz. Seinen journalistischen und schriftstellerischen Nachlass bewahrt das Schweizerische Literaturarchiv in der Schweizerischen Nationalbibliothek Bern auf.

Die Ausstellung zum 20. Todestag
Aus Anlass des 20. Todestags konzipierte die Kantonsbibliothek Vadiana eine Gedenkausstellung, die ab 26.11.2013 und bis zum 18.1.2014 in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern zu Gast ist. Die Ausstellung thematisiert das Werk, das Leben und die Zeit dieser wichtigen und bis heute polarisierenden Persönlichkeit. Nicht der Mythos Meienberg soll dabei im Mittelpunkt stehen, sondern seine tatsächliche Arbeit, die in den Zusammenhang der Zeit und der zeitspezifischen Themen gebracht wird. Die Ausstellung ist während der üblichen Öffnungszeiten der ZHB zugänglich. Eintritt frei. Vernissage am Dienstag, 26.11.2013, 19:30.  (ZHB Luzern/mc/ps)

Informationen
Ausstellung anlässlich des 20. Todestages von Niklaus Meienberg in der ZHB Luzern, Standort Sempacherstrasse. Eröffnung: Di, 26.11.2013, 19:30

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