Berlin dämpft Erwartungen an EU-Gipfel

Berlin dämpft Erwartungen an EU-Gipfel

Regierungssprecher Steffen Seibert.

Berlin – Die Bundesregierung tritt vor dem EU-Gipfel zur Euro-Schuldenkrise auf die Erwartungsbremse. Sie rechnet nicht mit dem grossen Befreiungsschlag und einer Lösung aller Probleme: «Das sind wichtige Arbeitsschritte auf einem langem Weg» sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe daher darauf verwiesen, dass Träume, am nächsten Montag wäre mit dem Paket alles gelöst und alles vorbei, wieder nicht erfüllt würden, sagte Seibert. Man hoffe aber, an diesem Wochenende in Brüssel «ordentlich voranzukommen».

Die Euro-Länder wollen beim Treffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs kommenden Sonntag ein umfassendes Lösungspaket vorlegen. Dabei geht es um ein tragfähiges Konzept zur Entlastung des hoch verschuldeten Griechenlands. Diskutiert wird dabei auch eine stärkere Beteiligung privater Banken und Versicherer an einem zweiten Rettungspaket für Athen. Zu Einzelheiten des angekündigten umfassenden Pakets wollte sich Seibert nicht äussern. Details sind auch nicht von einer Regierungserklärung Merkels vor dem Bundestag zu erwarten, die sie voraussichtlich an diesem Freitag hält.

Kreditausfallversicherung geplant
Teil des Lösungspakets sind auch Pläne zur Stabilisierung und Rekapitalisierung europäischer Banken – notfalls auch zwangsweise. Zudem geht es darum, den gerade erst erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF über eine Hebelwirkung noch schlagkräftiger zu machen. Im Gespräch ist eine Kreditausfallversicherung. Schliesslich werden Massnahmen zu einer besseren wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung der Euro-Zone erörtert – bis hin zu Vertragsänderungen.

Zu einer stärkeren Beteiligung privater Banken an einer Griechenland-Rettung wollten sich Seibert und ein Sprecher des Finanzministeriums nicht näher äussern. Schäuble hatte einen grösseren Beitrag der Institute nicht ausgeschlossen. Bisher sind Privatbanken zu einem freiwilligen Forderungsverzicht von 21 Prozent und zu längeren Kredit-Laufzeiten bereit. Inzwischen wird aber ein Schuldenschnitt mit einem Wertverlust griechischer Staatsanleihen von 40 bis 60 Prozent nicht mehr ausgeschlossen.

Bundesregierung für Aufspaltung grosser Finanzkonzerne

Grundsätzlich offen zeigte sich die Bundesregierung für eine Debatte über Aufspaltungen grosser Finanzkonzerne. Dabei geht es um eine Abtrennung des Investment-Bankings vom klassischen Bankgeschäft. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte in Berlin, es gebe bereits interessante Ansätze wie den Vorschlag einer unabhängigen Bankenkommission aus Grossbritannien für eine flexible Regelung. Diese Ideen sollten auch auf internationaler Ebene intensiv diskutiert werden. Zuletzt hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel eine Aufteilung grosser Banken gefordert.

Politiker der Koalition wiesen Gabriels Vorstoss zu einer Neuordnung der Banken allerdings zurück. «Wir brauchen keine Holzhammervorschläge, sondern eine bessere Regulierung», sagte der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, der «Frankfurter Rundschau» (Montag). FDP-Fraktionsvize Florian Toncar sagte der Zeitung, Gabriel renne «den Demonstranten auf der Strasse hinterher». Eine Aufspaltung in Geschäfts- und Investmentbanken biete keinen Schutz.

Seehofer gegen Rekapitalisierung
Zu der Frage, ob Banken notfalls zwangsweise rekapitalisiert werden sollen, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger im «Handelsblatt»: «Die Rekapitalisierung der Banken kann ein Mittel sein, um das Vertrauen der Akteure im Interbankenmarkt wiederherzustellen.» Dagegen sprach CSU-Chef Horst Seehofer von einer «problematischen Idee»: «Denn wenn die Banken das nicht können, wer ist dann wieder am Zug? Der Staat.» Notfalls werde dann der Steuerzahler wieder auf der Matte stehen müssen.

Bundesbankerin Lautenschläger forderte zudem als erste hochrangige Bankaufseherin, Staatsanleihen als Konsequenz aus der Staatsschuldenkrise künftig nicht mehr unterschiedslos als risikofreie Wertpapiere zu behandeln, wie das bisher der Fall war. «Für die Zukunft ist es in meinen Augen sinnvoll, an eine gewisse Risikogewichtung für Staatsanleihen zu denken», sagte sie dem «Handelsblatt». Das würde bedeuten, dass Banken dann einen Teil ihres Eigenkapitals als Risikopuffer für den Besitz von manchen europäischen Staatsanleihen verwenden müssten. Dieses mussten sie bisher nicht, weshalb es für Banken und für Versicherungen besonders attraktiv war, Staatsanleihen zu kaufen.

Streiks in Griechenland

In Griechenland startete am Montag eine Woche voller Streiks und Protesten gegen den Sparkurs der Regierung. Viele Fährverbindungen waren unterbrochen. Für Mittwoch und Donnerstag haben die beiden grössten Gewerkschaftsverbände des staatlichen und privaten Bereichs (GSEE und ADEDY) zu massiven Streiks aufgerufen. Dann soll der Flugverkehr zusammenbrechen. Ebenfalls für Mittwoch wird der Griechenland-Bericht der «Troika» aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds erwartet. (awp/mc/ps)

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