Inflation im Euroraum gibt nach – Druck auf EZB bleibt aber hoch

Inflation im Euroraum gibt nach – Druck auf EZB bleibt aber hoch
(Bild: Unsplash)

Luxemburg – Die Inflation in der Eurozone ist auch im Juni deutlich gefallen, der Druck auf weitere Zinsanhebungen im Währungsraum bleibt laut Fachleuten aber hoch. Die Verbraucherpreise erhöhten sich gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent, nach 6,1 Prozent im Monat zuvor, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag in Luxemburg mitteilte. Es ist die niedrigste Inflationsrate seit Anfang 2022. Analysten hatten im Schnitt mit einer Abschwächung auf 5,6 Prozent gerechnet.

Im vergangenen Jahr war die Inflation infolge des Ukraine-Kriegs zeitweise zweistellig gewesen. Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich gegen die Entwicklung mit kräftigen Zinsanhebungen, seit Sommer 2022 hat sie ihre Leitzinsen um insgesamt vier Prozentpunkte angehoben. Für die nächste Sitzung im Juli wurde bereits eine zusätzliche Straffung in Aussicht gestellt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont regelmässig, der Kampf gegen die hohe Inflation sei noch nicht gewonnen.

Kernteuerung steigt wieder an
Das zeigen auch Detaildaten: Im Gegensatz zur Gesamtinflation stieg die Kernteuerung ohne schwankungsanfällige Preise für Güter wie Energie im Juni wieder an. Sie erhöhte sich von 5,3 auf 5,4 Prozent, nachdem sie in den beiden Vormonaten gefallen war. Die Volkswirte von der Commerzbank führen den Anstieg aber allein auf das Neun-Euro-Ticket in Deutschland zurück, das die Kernrate im Vorjahr gedrückt hatte. Dieser Effekt fällt jetzt aber aus dem Jahresvergleich heraus. Die Kernteuerung bildet nach Meinung vieler Ökonomen die grundlegende Teuerung ab und stellt den Inflationstrend daher etwas besser dar als die Gesamtrate.

Im Detail schwächte sich der Preisauftrieb breit ab. Lediglich bei Dienstleistungen war er mit 5,4 Prozent höher als im Vormonat. Lebens- und Genussmitteln verteuerten sich dagegen weniger stark, ebenso industriell gefertigte Güter. Die Energiepreise fielen sogar deutlich um 5,6 Prozent. Dagegen waren sie im vergangenen Jahr drastisch gestiegen, weil infolge des Ukraine-Kriegs Lieferungen aus Russland weitgehend ausblieben und Angst vor einer Energiekrise aufkamen. Derartige Ängste spielen aktuell keine grosse Rolle mehr.

EZB weiter gefordert
Die neuen Inflationszahlen änderten wenig am geldpolitischen Kurs der EZB, kommentierte das Analysehaus Capital Economics. Während sich die Gesamtinflation auf einem steilen Abwärtstrend befinde, zeige die Inflation im Dienstleistungssektor keine Anzeichen eines Rückgangs. Die Preisentwicklung im grossen Servicesektor wird von Ökonomen derzeit besonders beachtet, weil dort der Lohnanteil an den Preisen besonders hoch ist. Lohnanstiege etwa infolge vorheriger Preissteigerungen – Fachleute sprechen von Zweitrundeneffekten – machen sich also besonders stark bemerkbar.

Das Inflationsziel der EZB von mittelfristig zwei Prozent wird nach wie vor deutlich überschritten. Analysten erwarten zwar, dass die Gesamtinflation im zweiten Halbjahr weiter fallen wird. Die Kernteuerung ohne Energie und Lebensmittel dürfte aber nur langsam zurückgehen. Wie prekär eine solche Situation sei, zeige das Beispiel Spanien, erklärte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank: «Dort liegt die harmonisierte Inflationsrate bereits wieder bei 1,6 Prozent. Rechnet man die Nahrungsmittel- und Energiepreise heraus, liegt die Teuerung immer noch bei hohen 5,9 Prozent.» (awp/mc/pg)

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