Daniel Reinhard, CEO Vögele: «Bis Ende 2008 werden wir schuldenfrei sein»

Moneycab: Herr Reinhard, das 50-Jahr-Jubiläum des Modehauses Vögele ist in wenigen Wochen vorüber. Welches waren die Meilensteine des Jubiläumsjahres?


Daniel Reinhard: Wir haben das Jubiläumsjahr unter das Motto «Wir feiern – Sie profitieren» gestellt. So überraschen wir unsere Kunden jede Woche mit einem Jubiläumsangebot, das jeweils entweder für Damen oder Herren einen trendigen Artikel in hervorragender Qualität und zu einem sensationellen Preis umfasst. Alle 7’200 Mitarbeitenden konnten einen zusätzlichen Tag Ferien geniessen und unsere Geschäftspartner haben wir zu einer Geburtstagsparty in Zürich eingeladen, an der wir eine tolle Modeschau gezeigt und unsere Unternehmensgründerin Agnes Vögele geehrt haben. Der wirkliche Höhepunkt war für mich aber das Zusammentreffen mit all unseren 800 Filialleitern und einem Grossteil der Mitarbeitenden der Zentrale in Interlaken. Es war ein einmaliges Erlebnis und auch für mich ein riesiger Motivationsschub, der noch lange wirken wird.


«Parallel zur Finanzierungsfrage haben wir sofort auch die Unternehmensstrategie überarbeitet – und zwar mit einem 35-köpfigen internen Team aus den verschiedensten Unternehmensfunktionen und ohne externe Berater». Daniel Reinhard, CEO Vögele


Aus einem Verkaufsladen für Motorradbekleidung ist innerhalb von 50 Jahren ein Konzern mit über 7’200 Angestellten in 787 Verkaufsniederlassungen in fünf Ländern geworden. Sie stehen dem Unternehmen seit Dezember 2001 vor. Welches waren die grossen Herausforderungen für Sie persönlich in den letzten vier Jahren?


Am Anfang ging es darum, Sofortmassnahmen zu ergreifen, um die Existenz des Unternehmens zu sichern. Im Vordergrund stand dabei die Absicherung der Finanzierung und der Abbau des Lagers. Damals hatten wir rund 600 Mio. Franken Schulden, die wir mittlerweile auf 190 Mio. Franken abgebaut haben. Bis Ende 2008 werden wir schuldenfrei sein. Das Lagerthema ist seit einem Jahr ebenfalls gelöst. Der zweite wichtige Schritt war der Aufbau eines schlagkräftigen Managementteams. Parallel zur Finanzierungsfrage haben wir sofort auch die Unternehmensstrategie überarbeitet – und zwar mit einem 35-köpfigen internen Team aus den verschiedensten Unternehmensfunktionen und ohne externe Berater. Die meisten der in diesem Strategiepapier enthaltenen Massnahmen haben wir bereits umgesetzt, an einigen arbeiten wir noch. Die vorgegebene Richtung ist aber immer noch dieselbe.


Charles Vögele hat im ersten Halbjahr 2005 Umsatz und Gewinn trotz rückläufigen Märkten deutlich steigern können. Inwieweit sind das Supply Chain Projekt sowie die Optimierung der Kollektionen und die Verbesserung der Warenpräsentation dafür verantwortlich?


Im Vordergrund steht immer die Kollektion, denn sie ist der Grund, weshalb die Kunden zu uns kommen. Im ersten Halbjahr hatten wir sicher eine optimale Kollektion, unterstützt haben uns auch die klimatischen Rahmenbedingungen und die Lust der Konsumenten auf sommerliche Farben. Unsere Kollektionen und Sortimente haben an Kompetenz gewonnen, und wir präsentieren unsere Mode jetzt auch besser. Die Fortschritte der Supply Chain ermöglichen es uns, schneller auf neue Trends und Bedürfnisse der Kunden zu reagieren. Die Prozesse wurden dadurch nicht nur kostengünstiger, sondern vor allem viel präziser und berechenbarer. Dadurch realisieren wir deutliche Vorteile.


Weiterhin zurückhaltend ist dagegen die Konsumentenstimmung. Glauben Sie, dass sich daran im kommenden Jahr etwas ändern wird?


Wir haben schon anfangs 2005 gesagt, dass wir mittelfristig vom Markt her keine wesentlichen Impulse erwarten. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert, denn die sozialen und politischen Rahmenbedingungen Mitteleuropas bleiben unverändert. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir aus eigener Kraft wachsen und Marktanteile gewinnen können, wie wir es schon im Herbst 2004 und im Frühjahr 2005 gemacht haben. Gerade in einem schwierigen Umfeld wollen die Kunden nicht nur tiefe Preise, sondern vor allem auch gute Qualität: Für diese Bedürfnisse sind wir genau richtig positioniert.


Bedeutend ist für Vögele auch der deutsche Markt. Die Pläne der neuen deutschen Regierung mit einer Mehrwertsteuererhöhung um 3% ab 2007 dürfte die Konsumfreude der Deutschen weiter trüben. Wie sehen Sie die Situation für den deutschen Markt für die nächsten drei bis fünf Jahre?


Natürlich ist die ganze Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer der Konsumentenstimmung nicht förderlich. Allerdings dürften die Preise in unseren Preislagen nicht wesentlich von einer allfälligen 3%-Erhöhung betroffen sein. Wir sind seit über 25 Jahren in Deutschland, und wir werden unsere Präsenz weiterhin verstärken, denn auch heute gibt es Regionen mit einem durchaus ansprechenden wirtschaftlichen Umfeld.


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In mehreren Bundesländern dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Ladenöffnungszeiten vollkommen liberalisiert werden. Würden Sie diesen Schritt begrüssen?


Eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist sicher zu begrüssen, der Textilmarkt profitiert aber insgesamt weniger als der klassische Detailhandel mit Lebensmitteln und Frischwaren. Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Kunden mit tollen Kollektionen und einem super Preis-Leistungsverhältnis zu überzeugen. Das ist unser Erfolgsrezept, mit welchem wir Stammkunden generieren.


Bei uns droht ein gegenteiliger Schritt: Am 27. November stimmt die Schweizer Bevölkerung über das Arbeitsgesetz ab. Dabei droht, dass künftig am Sonntag in Shops an Bahnhöfen und Flughäfen die Lichter ausgehen. Davon betroffen wäre auch Vögele. Was für Auswirkungen hätte ein Nein zum Arbeitsgesetz?


Vögele ist von diesem Thema weniger betroffen, weil wir keine Filialen an den entsprechenden Standorten führen.


Ein Thema, welchem sich Modehäuser immer wieder stellen müssen, ist die Produktion der Textilien in China oder in Drittweltländern. Berichte über menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse, miserable Bezahlung und «Kinder-Arbeiter» tauchen immer wieder auf. Was tut Ihr Unternehmen, um sicher zu gehen, dass unter solchen Umständen produzierte Ware nicht in den Vögele-Filialen zum Verkauf kommt?

Unsere Kollektionen stammen zu rund 55% aus Südostasien und zu 45% aus europäischen Ländern. Die Charles Vögele Gruppe hatte bereits 1996 einen Code of Conduct, der auf den Menschenrechtsdeklarationen der UNO und den Richtlinien der ILO basierte. Seit Anfang 2004 haben wir unseren ehemaligen Code mit dem neuen BSCI Code of Conduct (Business Social Compliance Initiative) ersetzt. Unter der Schirmherrschaft der FTA (Foreign Trade Association) der EU war Vögele zusammen mit anderen Schweizer und europäischen Textilfirmen Gründungsmitglied des BSCI. Wir lassen unsere Lieferanten alle nach den Richtlinien des BSCI-Codes auditieren, der ebenfalls auf den erwähnten Menschrechtsdeklarationen beruht. Der Vorteil des BSCI ist die internationale Abstützung und Vergleichbarkeit der Audits, wodurch sich die Lieferanten nicht von ihren Kunden mehrfach zum gleichen Thema auditieren lassen müssen. Wir halten unsere Lieferanten aber auch nach wie vor an, sich in einer zweiten Phase nach dem SA8000-Standard der SAI zertifizieren zu lassen.  Zusätzlich fördern wir aktiv Sozialprojekte im Bereich Schule und Gesundheit in den Regionen, in denen unsere Lieferanten beheimatet sind.


Zum Abschluss eine Frage zur Wintermode 2005/2006: Welches sind die Renner in dieser Saison, welche Farben dominieren?


Diese Herbst-Wintersaison lässt sich am besten mit dem Stichwort «persönlicher Mix» charakterisieren. Das Mischen von Stilen sowie das Kombinieren und Ausschmücken mit auffälligen Einzelteilen und Accessoires sind richtig gefragt. Generell sind Mann und Frau auch mehr «angezogen», gar etwas formeller und edler, wobei klassische, vertraute Formen mit neuen Stoffoptiken präsentiert werden. Als Farben stehen die ganze Palette der satten Grün-Töne sowie Aquamarin, Braun und weiterhin auch dezente Rosé-Variationen im Vordergrund.


Herr Reinhard, wir danken Ihnen für das Gespräch.



Daniel Reinhard
CEO sowie Leiter Verkauf und IT Charles Vögele Gruppe (seit Dezember 2001)

Jahrgang: 1953, Nationalität: Schweizer

Zuvor:
1998-2001 Sprecher des Vorstands der Salamander AG
1994-1998 Mitglied des Vorstand der Salamander AG
1991-1993 Firmenleiter Bally Deutschland
1986-1991 CFO Bally Deutschland, Österreich und Grüterich GmbH

Die Charles Vögele Holding ist ein eigenständiges Mode-Einzelhandelsunternehmen mit 787 Verkaufsniederlassungen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Belgien und den Niederlanden. Im 1. Halbjahr 2005 erwirtschafteten die 7201 Vögele-Mitarbeitenden einen Nettoumsatz von 664,5 Millionen Franken. Die Aktien der Charles Vögele Holding sind an der SWX Swiss Exchange kotiert.

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