«Die Bedeutung der Work-Life-Balance nimmt weiter zu»

Frage: Frau Nijsen, das Thema Work-Life-Balance ist in aller Munde. Worauf führen Sie das in letzter Zeit so stark gestiegene Interesse an diesem Thema zurück?


Simone Nijsen: Ich glaube, dass die heutige junge Generation nach wie vor Wert auf ihren Jobinhalt legt. Der Fokus liegt jedoch nicht nur darauf. Ihre Bedürfnisse gehen auch vermehrt in Richtung Freizeit, Reisen, Studieren, Weiterbildung. Sie suchen nach einer ausgewogenen Kombination zwischen Life and Work. Hier geht es immer stärker in Richtung «Arbeiten, um zu Leben» und nicht «Leben, um zu Arbeiten».


«Bei Randstad gewähren wir den Mitarbeitern überdurchschnittlich viele Urlaubstage, die nicht angespart, sondern zur Erholung genutzt werden sollten.»
Simone Nijsen, CEO Randstad Schweiz


Laut der weltweiten Erhebung von Randstad im 2. Quartal 2010 scheinen die Schweizer Arbeitnehmer im Grossen und Ganzen ein gutes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben zu haben. Worauf führen Sie dieses erfreuliche Ergebnis zurück?


Aufgrund des guten Ausbildungsniveaus ist generell der Lebensstandard in der Schweiz hoch, und deshalb kann man es sich eher erlauben, einen Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben zu schaffen.


Inwiefern haben die Unternehmen dazu beigetragen, und was können sie für eine auch in Zukunft positive Work-Life-Balance ihrer Arbeitnehmer tun?


Ich denke, dass Unternehmen vermehrt die Wünsche ihrer Angestellten beachten und versuchen, diesen Rechnung zu tragen. Teilzeitarbeit wird für viele Arbeitnehmer immer wichtiger, um sich ihren Wunsch nach Familie, Studium oder Weiterbildung zu verwirklichen. Bei Randstad gewähren wir den Mitarbeitern überdurchschnittlich viele Urlaubstage, die nicht angespart, sondern zur Erholung genutzt werden sollten. Weiter unterstützen wir die individuelle Entwicklung eines jeden mittels Training sowie interner und externer Weiterbildung.


Ist aus Ihrer Sicht eine ausgewogene Work-Life-Balance abhängig von der Anzahl Freitage, oder welche sind die beeinflussenden Faktoren?


Die Anzahl Freitage spielt sicher eine Rolle aber nicht nur. Erholung findet meist erst nach einer längeren Periode von Freitagen statt. Wichtig ist, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, seine Ferien nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu beziehen. Bei Randstad wird darauf geachtet, dass jeder Mitarbeiter wann immer möglich, seine Freitage nach seinen Plänen beziehen kann. Auch wird das Teilzeitmodell bis in die Managementstufe angeboten und auch wahrgenommen.


Obwohl über die Hälfte der Befragten aussagt, dass das Arbeitsvolumen in den letzten drei Monaten gestiegen ist, können doch ca. 70 Prozent der Arbeitnehmer während der Ferienzeit abschalten und denken nicht an die Arbeit. Warum schaffen die Schweizer im Unterschied zu anderen diesen Ausgleich?


Im Unterschied zu unseren Nachbarländern, die teilweise nach der ängelsächsischen Kultur leben, wird in der Schweiz der Fokus nicht auf möglichst viele Stunden im Büro gelegt, sondern hier zählen Effizienz und effektive Arbeitslösungen. Die erhöhte Sicherheit um den Arbeitsplatz lässt den Schweizer wahrscheinlich ebenfalls eher abschalten während seiner Ferienzeit.


Im Vergleich zu den meisten anderen untersuchten Ländern glauben weniger Schweizer, dass ihr Arbeitgeber im 2009 unter der Finanzkrise gelitten hat. Wie erklären Sie sich diese Aussage von einem Land, in dem gerade die Finanzinstitute sehr unter Beschuss geraten sind?


Die Schweiz besteht ja nicht nur aus Finanzunternehmen. Im Generellen ist die Schweiz ein sehr stabiles Land, mit Sektoren, die sich als sehr robust bewiesen haben. Hier sind das Vertrauen, die Stabilität und die Sicherheit sehr gut organisiert.


Trotz der eigentlich guten Balance zwischen Arbeit und Privatleben äussern 21 % der Befragten, dass sie ungern ein paar Tage der Arbeit fern bleiben. Woher rührt dieses Unwohlsein?


Vielleicht weil sie glauben, dass sie durch ihre ständige Anwesenheit die totale Kontrolle haben?!?


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Fast 3/4 der Angestellten geben an, 2009 grössere Schwierigkeiten in der Ferienabstimmung mit den Arbeitskollegen gehabt zu haben, und über die Hälfte beanstandet, dass die Tage vor und nach den Ferien sehr arbeitsintensiv seien. Ist dies aus Ihrer Sicht ein strukturelles Problem der Unternehmen (Stellvertretung, Planung usw.) oder ein persönliches, das jeder Arbeitnehmer selber lösen muss?


Dies ist meines Erachtens abhängig von Funktionsniveau und Sektor. In Dienstleistungsunternehmen ist wohl generell die Managementstufe verantwortlich, dass die Koordination der Planung optimal läuft. Bei Produktionsbetrieben nehmen einzelne Mitarbeiter aber eher direkten Einfluss auf die Planung. In der Produktion müssen die Mitarbeiter die fehlenden Kollegen durch erhöhten Arbeitseinsatz vertreten.


«Arbeitgeber mit einem Fokus auf Work-Life-Balance werden in Zukunft von Kandidaten bevorzugt.»
Simone Nijsen, CEO Randstad Schweiz


Kann es sein, dass ein Teil der Schweizer Arbeitnehmerschaft zwar zufrieden mit den ihr zugestanden Ferientagen ist, diese aber aufgrund der negativen «Konsequenzen» gar nicht beziehen kann/will? Was müsste dagegen unternommen werden?


Der Vorgesetzte sollte die Verantwortung für seine Mitarbeiter übernehmen und mit einer Jahresplanung ermöglichen, dass jeder seine Ferien sinnvoll beziehen kann. Ebenfalls sollte der Mitarbeiter in Selbstverantwortung seine Planung koordinieren.


Was glauben Sie Frau Nijsen, wie sieht ein Workmonitor mit dem gleichen Thema in fünf Jahren für die Schweiz aus?


Ich denke, dass die Wichtigkeit von Work-Life-Balance noch weiter zunehmen wird. Das Bedürfnis nach Teilzeitarbeit wird wohl weiter steigen sowie der Wunsch nach Weiterentwicklung im eigenen Job. Arbeitgeber mit einem Fokus auf Work-Life-Balance werden in Zukunft von Kandidaten bevorzugt.


Immerhin 27 Prozent der Befragten erhalten während ihrer Ferien geschäftliche E-Mails und/oder Anrufe. Noch vor ein paar Jahren wäre dies undenkbar gewesen. Ist in Zukunft mit einer noch stärkeren Durchmischung von Arbeit und Privatleben zu rechnen?


Da bin ich etwas zwiespältig. Auf der einen Seite werden die Kommunikationsmittel immer vielfältiger und dadurch die Arbeitnehmer immer besser erreichbar sein. Jedoch entspricht dies auch dem Bedürfnis des Menschen. Auf der anderen Seite geht die Tendenz immer mehr in die Richtung, dass der Mitarbeiter auch während der Arbeit einen Teil Freizeit ausüben kann, als Kompensation dazu wird in der Freizeit bei Kapazität auch ein Teil Arbeit miteingeflochten. Die Grenzen der Trennung werden dadurch unklarer.


Führt diese Entwicklung zu einem starken Anstieg von Burnout-Erkrankungen? Welche Chancen sehen Sie, dem entgegenzuwirken?


Dies ist sicher auch abhängig davon, wie jeder persönlich damit umgeht. Wie lerne ich nein zu sagen, wie kann ich mich am besten abgrenzen, bis wohin stimmt es für mich persönlich? All diese Fragen sollte jeder für sich definieren und danach leben. Jedoch möchte ich die Unternehmen nicht aus ihrer Verantwortung nehmen. Die Anforderungen und der Zeitdruck dürfen nicht über den Verhältnissen der Mitarbeiter liegen.


Eine letzte Frage: Wie beurteilen Sie als Unternehmerin und Managing Director von Randstad Schweiz Ihre persönliche Balance zwischen Arbeit und Privatleben?


Ich persönlich empfinde meine Balance zwischen Arbeit und Privatleben als gut, weil hinter mir ein tolles Team steht, mit dem ich die Verantwortung im richtigen Masse teilen kann. Somit ist meine Work-Life-Balance gewährleistet.


Frau Nijsen, vielen Dank für das Interview!





Zur Person:
Simone Nijsen wurde am 18. Mai 1962 in Weert, Holland geboren. Sie hat in Maastricht ein Hochschulstudium in Betriebswirtschaft und Hotelmanagement absolviert und dieses im Jahr 1983 abgeschlossen. 2002 hat Simone Nijsen während einem Jahr das Unternehmen «Newmonday» in Belgien geführt, ein Joint Venture zwischen Randstad und der internationalen Verlagsfirma VNU. Nach Beendigung dieses internationalen Joint Venture übernahm Simone Nijsen per 1. März 2003 die Funktion als Managing Director Randstad Schweiz.
Während den ersten drei Jahren wurde die Marktposition von Randstad Schweiz ständig weiter ausgebaut, das Filialnetz vergrössert und die Dienstleistungskonzepte erweitert. In 2007 hat Randstad Schweiz das West-Schweizer Unternehmen Job One übernommen, welches im 1. Quartal 2008 integriert wurde. Anschliessend hat Randstad Holding das weltweite Unternehmen Vedior gekauft, wodurch in der Schweiz in 2008 eine zweite Fusion zu Stande gekommen ist. Die Integration von Vedior in Randstad Schweiz wurde per 1. Oktober 2008 vollzogen. Simone Nijsen wohnt in Neuhausen, Kanton Schaffhausen und ist ledig.

Zum Unternehmen:
1960 in den Niederlanden gegründet, entwickelte sich Randstad in 40 Jahren zum führenden Personaldienstleister. Nach dem Zusammenschluss mit Vedior hat die Randstad-Gruppe eigene Niederlassungen in rund 50 Ländern, in denen über 30’000 Personen arbeiten. Tag für Tag sind mehrere 100’000 von Randstad vermittelte Personen bei den Kunden im Einsatz. Randstad (Schweiz) AG wurde 1998 gegründet. Nach der Akquisition von Job One im Jahr 2007 und der Integration von Vedior im Jahr 2008 gehört Randstad auch in der Schweiz zu den führenden Temporär- und Dauerstellenvermittler. Die neue Randstad (Schweiz) AG beschäftigt schweizweit an ihren Standorten in der Deutschschweiz und Westschweiz rund 300 Personen. Der Hauptsitz Schweiz ist in Zürich.

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