EU einig über Finanzmarkt-Kontrolle

In ungewöhnlich deutlicher Form sprachen sich die Spitzenpolitiker der Europäischen Union (EU) dafür aus, Steueroasen auszutrocknen. Sie drohten erstmals mit Sanktionen gegen einzelne Staaten und Finanzzentren, die eine Kooperation verweigern.


«Lückenlose Beaufsichtigung»
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach dem Treffen, «alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Marktteilnehmer» müssten lückenlos beaufsichtigt und reguliert werden. Ziel sei es, wieder Vertrauen in die Finanzmärkte herzustellen. «Wir sind der Überzeugung, dass wir eine solche internationale Krise auch nur gemeinsam lösen können.» Die Europäer hätten sich auf «kraftvolle Positionen» im Kampf gegen die «aussergewöhnliche Krise» verständigt. Beim Vorbereitungstreffen für den nächsten Weltfinanzgipfel am 2. April in London erteilten die EU-Teilnehmer allen Tendenzen zur Marktabschottung eine Absage.


G20-Aktionsplan «rasch und vollständig» umsetzen
Bei dem gut dreistündigen Gespräch auf Einladung Merkels stimmten Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Spanien, Luxemburg sowie Tschechien mit den Spitzen der EU-Kommission sowie der Europäischen Zentralbank und der Bank of England ihre Positionen ab. Die G20 hatten im November auf ihrem ersten Gipfel in Washington einen 47-Punkte-Aktionsplan vereinbart, um eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern. Die führenden EU-Staaten forderten in ihrem Berliner Abschlusspapier, den G20-Aktionsplan «rasch und vollständig» umzusetzen. Die angestrebte lückenlose Aufsicht gelte auch für Hedgefonds, betonte Merkel. Auch Rating-Agenturen, die Kreditrisiken bewerten, sollen sich registrieren lassen und beaufsichtigt werden.


Merkel: «Europa bekennt sich zu seiner Verantwortung in der Welt»
«Europa bekennt sich zu seiner Verantwortung in der Welt», sagte Merkel. Es gehe um ein Signal, «dass wir die Chance haben, aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen mit einer neuen globalen Ordnung sowohl der Finanzarchitektur als auch der Prinzipien des gemeinsamen Wirtschaftens». Die Kanzlerin betonte wie der französische Präsident Nicolas Sarkozy, dass der Londoner Gipfel ein Erfolg werden müsse. «Dies ist die letzte Chance», warnte Sarkozy. «Wir wollen eine Neugründung des Systems.»


Steueroasen: Merkel erstellt «Sünderliste»
Mit Blick auf den Kampf gegen Steueroasen und Regionen mit undurchsichtigen Finanzgeschäften kündigte Merkel an, spätestens bis zum Londoner Gipfel solle eine Liste mit den entsprechenden Ländern vorliegen. Sarkozy dankte der Kanzlerin, dass in dem Abschlusspapier auch Sanktionen angesprochen werden. Dies sei ein Fortschritt gegenüber dem ersten Finanzgipfel von Mitte November. Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero betonte, die neue Finanzordnung müsse Steuerparadiesen ein Ende bereiten.


Brown fordert «New Deal» der Volkswirtschaften
Der britische Premierminister Gordon Brown forderte einen neuen globalen Rahmen – einen «New Deal» der Volkswirtschaften. Im Kampf gegen die Krise seien weitere Massnahmen nötig. Die internationalen Finanzinstitutionen müssten deshalb mindestens 500 Milliarden Dollar erhalten, das weltweite Bankensystem müsse umstrukturiert werden.


Charta für nachhaltiges Wirtschaften
Die EU-Länder unterstützten einmütig den Vorstoss Merkels für einen globalen Ordnungsrahmen, um künftig Krisen zu vermeiden. Sie wollen sich für eine neue Charta für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen. Gefordert wurden transparente Vergütungssysteme für Manager, um Bonuszahlungen zu vermeiden, die zu exzessiven Risiken verleiten.


Lage «weiterhin angespannt»
Die Lage auf den Finanzmärkten wurde als «weiterhin angespannt» bezeichnet. Die EU-Staaten bekannten sich nachdrücklich zur Verpflichtung, wichtigen systemrelevanten Finanzinstituten weiterhin beizustehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) als Krisenmanager soll gestärkt werden. Eine Verdoppelung der Mittel wird unterstützt.


Schweiz nimmt EU-Position «unaufgeregt» zur Kenntnis
Die Schweiz nimmt die Forderung der EU-Staaten nach einer schwarzen Liste für Steueroasen «unaufgeregt» zur Kenntnis. Dies sagte der Sprecher der Eidg. Finanzdepartements (EFD) am Sonntag der Nachrichtenagentur SDA. «Wir warten die weitere Entwicklung ab. Falls nötig, werden wir zu gegebener Zeit Stellung nehmen», fügte Roland Meier an. (awp/mc/ps/07)

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