Exportrisiko-Versicherungen für Ilisu-Projekt gestoppt

Zwar seien «erhebliche Verbesserungen» festgestellt worden, die Türkei habe die rund 150 Auflagen jedoch nicht innerhalb der vertraglich festgelegten Frist bis Montag um Mitternacht erfüllt, teilte die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) am Dienstag mit.


Zu tiefe Abgeltung
«In den drei Bereichen gab es weiterhin wichtige Lücken», präzisierte SERV-Sprecherin Sonja Kohler gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Bei den Umsiedlungen zum Beispiel habe die Türkei den Betroffenen eine Abgeltung im Wert des Eigentums geben wollen. Die internationalen Standards verlangten aber eine höhere Entschädigung, damit sich die Betroffenen andernorts eine neue Existenz aufbauen könnten.


Ungenügendes Umsiedlungskonzept
Weiter sei das Konzept zur Umsiedlung der archäologisch bedeutenden Stadt Hasankeyf ungenügend gewesen. Auch habe die Türkei das Budget für wichtige Kläranlagen gestrichen, die durch die Errichtung des Staudamms von den Versicherern gefordert worden waren.


Bürgschaft über 225 Mio. Franken
Die Schweiz hatte das Projekt mit einer Bürgschaft über 225 Mio CHF abgesichert. Ingesamt waren Firmen aus den drei Ländern mit rund 680 Mio CHF an dem 1,5 Mrd-Bau beteiligt.


Illisu-Gegner erfreut
Die Gegner des Mega-Projekts feierten den Ausstieg der Schweiz als «wichtigen Sieg». Damit bekomme der Schutz von Menschen, Kulturgütern und Natur erstmals Vorrang vor kurzfristigen Wirtschaftsinteressen.


«Das einzig richtige Signal»
Die türkische Regierung habe es trotz mehrfacher Warnungen versäumt, «die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung genügend zu berücksichtigen», kritisierten die entwicklungspolitische Organisation Erklärung von Bern und die Gesellschaft für bedrohte Völker. Der endgültige Ausstieg sei damit «das einzig richtige Signal».


Hasankeyf soll erhalten bleiben
Auch der Bürgermeister von Hasankeyf, Abdulvahap Kusen, begrüsste den Stopp der Kreditbürgschaften. «Wir wollen, dass Hasankeyf für die kommenden Generationen erhalten bleibt», sagte Kusen. Er forderte, die archäologisch bedeutende Stadt als UNESCO-Weltkulturstätte zu schützen.


Bedauern bei Lieferfirmen
Bedauert wurde das europäische Nein von den beteiligten Lieferfirmen. Alles hänge nun vom Vorgehen der Türkei ab. «Es ist vollkommen offen, wie es weitergeht», sagte Alexander Schwab, Mediensprecher des Lieferkonsortiums.


Kein grosser Arbeitsplatzabbau zu erwarten
Er gehe davon aus, dass die Türkei am Projekt festhalte. Ob sie nun aber auf chinesische, russische oder indische Firmen setze, könne noch nicht gesagt werden. Zu einem grossen Arbeitsplatzabbau werde es in Europa aber nicht kommen, sagte Schwab. «Das Projekt war im Anfangsstadium. Viele unserer Aufträge wären erst angestanden.»


Türkei will Energiegewinnung und Entwicklung der Landwirtschaft
Der geplante 300 Quadratkilometer grossen Stausee, der oberhalb der 1’820 Meter langen und 135 Meter hohen Ilisu-Staumauer entstehen soll, würde Wohnorte von mehr als 10’000 Menschen überfluten. Die türkische Regierung verspricht sich neben der Energiegewinnung eine Entwicklung der Landwirtschaft durch mehr Bewässerungsmöglichkeiten. Bereits vor dem Rückzug der Europäer hatte sie angekündigt, die vor einem halben Jahr eingestellten Arbeiten am Damm wieder aufzunehmen. (awp/mc/pg/10)

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