Hans F. Vögeli, CEO Zürcher Kantonalbank: «Die ZKB will im Anlagegeschäft wachsen»

Von David Strohm

Moneycab: Herr Vögeli, die ZKB stösst an Wachstumsgrenzen. Mit welchen Geschäftszweigen wollen Sie die Zürcher Kantonalbank voranbringen?

Hans F. Vögeli:
Ihre Beobachtung ist richtig, die ZKB stösst tatsächlich an die Grenzen ihres Wachstums. Der Wirtschaftsraum Zürich hat sich für uns als zu klein erwiesen, um in diesem Markt weiter zu wachsen und dabei ertragreich zu arbeiten. Aus diesem Grund haben wir bereits im Herbst 2002, also noch mitten in einer Rezessionsphase, beschlossen, dass wir als grosse Schweizer Bank über die Kantonsgrenzen hinaus expandieren wollen. Es ist unser erklärtes Ziel, zur dritten Kraft in der Branche zu werden. Anders als im Kanton Zürich haben wir jenseits unseres Rayons keinen politisch definierten Leistungsauftrag zu erfüllen und können daher freier agieren.


Die anderen Kantonalbanken beobachten genau, was die ZKB tut. Ihre Expansionsgelüste sind nicht überall gerne gesehen. Wo sehen Sie das grösste Potenzial?

Die ZKB will in klar definierten Segmenten wachsen, allen voran im Anlagegeschäft. Hier wollen wir uns auf die grösseren institutionellen Kunden, aber auch auf wohlhabende Privatkunden und deren Anlagebedürfnisse konzentrieren. Auch das angestammte Kreditgeschäft betrachten wir als Wachstumspfeiler. Hier peilen wir vor allem mittlere Unternehmen und Grosskunden an. Wir werden uns folglich ausserhalb der Kantonsgrenzen weder ins Retailgeschäft anderer Kantonalbanken noch ins Segment der kleinen Gewerbebetriebe einmischen. Die Reibungsflächen gegenüber unseren Schwesterbanken sind daher nicht so gross, wie man das von aussen vermuten könnte.

Die engere Zusammenarbeit zwischen den Kantonalbanken stockt aber, nicht zuletzt auch aufgrund von Futterneid. Wie ist das Verhältnis zu den Schwesterinstituten?

Im operativen Geschäft haben wir eine ganze Reihe von sehr gut funktionierenden Kooperationen, die Viseca bei den Kreditkarten etwa, die Swissca bei den Anlagefonds oder die Pfandbriefzentrale. Auch im Online-Banking besteht eine Kooperation mit elf Kantonalbanken. Trotzdem haben Sie recht: Auf strategischer Ebene sind wir von echten Kooperationen immer noch weit entfernt. Seit zwanzig Jahren versucht man das bisher ohne Erfolg. Wir stehen uns daher sowohl innerhalb wie auch ausserhalb des Kantons Zürich immer wieder auch als Konkurrenten gegenüber.

Gerade in der Informatik böte sich ja das vermehrte Ausnützen von Synergien an. Die ZKB beziffert ihren eigenen Investitionsbedarf in diesem Bereich auf rund 300 Millionen Franken jährlich – eine stolze Summe. Wie hoch ist der IT-Nachholbedarf tatsächlich?

Die ZKB arbeitet in einigen Bereichen eng mit anderen Kantonalbanken zusammen, und zwar schon seit geraumer Zeit. Die Informatik-Materie ist aber sehr komplex. Dazu kommt, dass die Bedürfnisse der einzelnen Instituten unterschiedlich sind. Eine Zusammenarbeit, bei der jeweils nur der kleinste gemeinsame Nenner angestrebt wird, ist für uns nicht interessant.

Unser Nachholbedarf ist jedoch nicht grösser als anderswo. Im Gegenteil: Wir sind in der glücklichen Lage, dass der Lebenszyklus einiger grosser Applikationen abgeschlossen ist und die Investitionen vollständig abgeschrieben sind. Wir konnten uns deshalb für neue IT-Lösungen entscheiden: Gegenwärtig führen wir SAP AM für Buchungen und Avaloq für die Wertschriftenadministration ein beides marktführende Standardsoftware-Pakete. Dass sich der ZKB-Bankrat bei Investitionen von 250 bis 300 Millionen Franken pro Jahr genauer informieren will, was mit dem Geld geschieht und zu diesem Zweck einen Ausschuss ins Leben ruft, ist sinnvoll.


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Die Staatsgarantie der Kantonalbanken gilt bei der Konkurrenz als ein wettbewerbsverzerrendes Merkmal. Zwar wurde der Einfluss der Politik bei der ZKB etwa beim Bankrat ein wenig zurückgebunden, verschwunden ist er aber nicht. Die Rolle dieses Bankrats ist für Aussenstehende nicht voll ersichtlich. Ist die ZKB mit ihren Strukturen gerüstet für die Zukunft?

Unbestritten ist die Staatsgarantie den Kantonalbanken von Nutzen. Auch das Triple-A der ZKB ist ein Ausfluss dieser Garantie. Man vergisst allerdings dabei immer wieder den siamesischen Zwilling zur Staatsgarantie, den Leistungsauftrag. Dieser verlangt von uns, gewisse Leistungen zu erbringen, die aus rein betriebswirtschaftlicher Optik nicht oder zumindest in anderer Form angeboten würden. Sollte die Staatsgarantie wegfallen, ist auch der Leistungsauftrag, wie wir ihn heute kennen, in Frage gestellt.

Unseren Bankrat habe ich in den letzten fünf Jahren als ein sehr kompetentes Gremium erlebt. Die Qualität seiner Arbeit steht derjenigen eines privatrechtlichen Verwaltungsrates in nichts nach. Im Übrigen finde ich es einleuchtend, dass ein Grossaktionär, in unserem Fall der Kanton Zürich, entsprechende Vertreter in das Aufsichtsgremium entsendet. Gemäss dem neuen ZKB-Gesetz dürfen Bankratsmitglieder dem Kantonsrat inskünftig nicht mehr angehören. Die Zusammensetzung des Bankrats soll aber die politische Kräfteverhältnisse im Parlament widerspiegeln. Im Übrigen agiert der Bankrat der ZKB wie der Verwaltungsrat einer anderen Bank.

Kann denn ein politisch zusammengesetztes Gremium die heutigen Anforderungen an die Corporate Governance erfüllen?

Selbstverständlich. Obwohl die ZKB nicht börsenkotiert ist, erfüllt sie bereits jetzt sämtliche Corporate-Governance-Vorgaben der Schweizer Börse SWX sowie den Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance der Economiesuisse. Auch das neue ZKB-Präsidium unter Urs Oberholzer hat deutlich gemacht, dass die ZKB den börsenkotierten Unternehmen bezüglich Corporate Governance in nichts nachstehen will.

Im zurückliegenden Jahr ist die ZKB in Bezug auf den Geschäftserfolg wieder auf die Überholspur zurückgekehrt, nachdem der Motor im 2002 etwas stotterte. Ohne den Abschluss vorwegnehmen zu wollen: Wie ist das Geschäftsjahr 2003 ausgefallen?

Wir rechneten schon am Anfang des letzten Jahres damit, dass das Geschäftsjahr 2003 besser sein wird als das Vorjahr. Dafür sprachen zwei Gründe: Erstens hatten wir unsere Hausaufgaben, etwa beim Geschäftsaufwand, gemacht. Und zweitens ging der grosse Abschreiber auf der Beteiligung an der Swiss Life noch zulasten des Jahresergebnisses 2002. Wir starteteten also unbelastet in das letzte Jahr. Unsere Prognose für 2003 war also nicht allzu gewagt.

Spätestens Ende November 2003 war sodann absehbar, dass das Jahresergebnis für 2003 sehr gut ausfallen würde. Einzig das Zinsergebnis wird angesichts der sehr engen Margen schlechter ausfallen als im Vorjahr. Das Kommissionsgeschäft wird sich andererseits sehr erfreulich präsentieren. Auch die Visionen schlagen sich sehr positiv im Abschluss nieder. Aber warten Sie es doch ab: Am 22. Januar werden wir erste Zahlen für 2003 vorlegen.

Wohin wird Ihrer Meinung nach die Börse im 2004 tendieren?

Das hinter uns liegende Jahr war zweigeteilt: Mitte März stand der SMI noch bei 3600 Punkten, Ende Jahr war der Index bei 5400 Punkten angelangt. Innerhalb von gut neun Monaten hat sich die Börse um beachtliche 50 Prozent gesteigert. Eine solch stürmische Entwicklung werden wir 2004 nicht mehr erleben. Die realen Wirtschaftsdaten werden die vorauseilenden Finanzmärkte einholen.

Ich bin jedoch überzeugt, dass wir mit der konjunkturellen Erholung, die ich persönlich erst in der zweiten Jahreshälfte erwarte, auch an den Finanzmärkten eine positive Entwicklung erleben werden. Die Erfahrung lehrt aber, dass es auch wieder Rückschläge geben wird. Gegenwärtig sind die Prognostiker euphorisch – zu euphorisch vielleicht. Meine Prognose lautet: Es wird ein befriedigendes Börsenjahr 2004 geben.

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Moneycab: Herr Vögeli, mit dem Kauf von Martin Ebners Visionen ist die ZKB plötzlich zum Grossanbieter von eigenen Beteiligunsvehikeln geworden. Damit konkurrenziert die ZKB auch die hauseigenen Fonds und jene der Swissca, an der die ZKB beteiligt ist. Sind Sie heute noch glücklich über den Kauf?

Die Visionen passten perfekt in unser Anlage-Portfolio, auch in strategischer Hinsicht. Es ist seit längerem unser strategisches Ziel, die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft zu reduzieren. Mit dem Kauf der Visionen konnten wir unsere Diversifikation vorantreiben. Gleichzeitig hat sich unsere Visibilität als kompetente Anlagebank merklich erhöht. Und vergessen wir nicht: Der Zeitpunkt, die Visionen zu kaufen, war – zurückblickend betrachtet Ende Juli 2002 goldrichtig. Die Zahlen geben der ZKB Recht. Wir sind sehr zufrieden mit unseren Visionen. Auch mit unserer eigenen Beteiligung sind wir sehr zufrieden.

Was würden Sie oder ihre Berater einem Kunden raten: ZKB-Visionen oder Branchenfonds?


Die Visionen konkurrenzieren die Anlagefonds keineswegs. Sie sind Produkte für risikobereite Anleger. Mit einem ZKB- oder Swissca-Fonds, der in viele Einzeltitel investiert ist und sich an strenge regulatorische Vorgaben halten muss, ist es schwer, die Benchmark zu schlagen.

Die Visionen können sich auf 20 bis 30 Titel beschränken, derivate Instrumente einsetzen, mit Fremdfinanzierung und ihrem Hebel arbeiten und Private-Equity-Beteiligungen etc. eingehen. Es ist also eine wesentlich aktivere Bewirtschaftung möglich als bei Anlagefonds. Die ZKB will zeigen, dass man damit die Benchmark schlagen kann. Wer das Risiko tragen kann und will, fährt mit den Visionen besser.


Sie haben persönlich das VR-Präsidium der einzelnen Visionen übernommen. Als CEO einer grossen Bank ist das eher unüblich. Wie lange bleiben Sie noch in diesen Ämtern?


Die emotionsgeladene Stimmung bei der Übernahme der Visionen durch die ZKB zeigte, dass es eine neue Identifikationsfigur an der Spitze dieser Gesellschaft brauchte. Mit dem persönlichen Einsatz des CEO und der grossen Summe, welche die Bank selber in die Visionen investierte, wollte die ZKB den verunsicherten Kleinanlegern zeigen, dass die Bank gewillt ist, die Visionen wieder zum Erfolg zu führen. Mittelfristig kann ich mir durchaus vorstellen, das VR-Präsidium der Visionen wieder abzugeben.


Beteiligungsgesellschaften sind derzeit nicht sehr in Mode. Werden dereinst aus den Visionen doch gewöhnliche Anlagefonds?


Beteiligungsgesellschaft haben es im Moment nicht einfach. Sie sind Konstrukte aus einer überhitzen Börsenphase. Einige Konkurrenten haben deshalb schon fusioniert oder sich in Fonds gewandelt. Entscheidend sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es gibt Stimmen, die Beteiligungsgesellschaften gerne an die kurze Leine nehmen möchten. In Bern liegt ein Entwurf für ein neues Anlagefondsgesetz bereit.

Eine neue gesetzliche Grundlage könnte die ZKB sicherlich zu einer Neubeurteilung der Visionen zwingen. Sollten die Möglichkeiten von Beteiligungsgesellschaften eingeschränkt werden, muss man sich fragen, ob solche Vehikel noch eine Existenzberechtigung haben. Als eine der grössten Beteiligungsgesellschaften in der Schweiz werden wir unsere Stimme im bevorstehenden Vernehmlassungsverfahren sicher einbringen.


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Ein anderes Thema: Das Immobiliengeschäft, eine klassische Domäne der ZKB, entwickelt sich gegenläufig. Während bei den Privaten Stockwerkeigentum und Einfamilienhäuser nach wie vor hoch im Kurs stehen, sind die Institutionellen angesichts der riesiegen Überkapazitäten und Leerstände vorsichtig geworden. Wie sehen Sie die Entwicklung des Zürcher Immobilienmarktes im 2004?


Der Wirtschaftsraum Zürich, in dem zyklische Branchen überproportional vertreten sind, wurde im 2003 härter von der Rezession getroffen als andere Regionen. Der Markt für Geschäftsflächen wird sich auch im Jahr 2004 kaum verändern. Die Restrukturierung der Finanzbranchen geht weiter; auch die IT- und Telekombranche, die im Raum Zürich ihren Schwerpunkt hat, wird keine grossen Sprünge machen. Die Mieten für Büro- und Gewerbeflächen werden zurückgehen. Mir sind einige Grossprojekte bekannt, die gestoppt wurden, weil das Risiko zu gross wurde.

Anders beim privaten Wohneigentum: Hier ist die Nachfrage ungebrochen. Zusätzlicher Wohnraum wird eindeutig benötigt. Wohnhäuser in und um Zürich sind gegenwärtig sehr gute Investitionen.


Da der wirtschaftliche Aufschwung länger als erhofft auf sich warten lässt, sind trotz tiefer Zinsen auch viele potenzielle private Häuslebauer vorsichtig geworden. Zudem müssen Sie sich strengen Bonitätsprüfungen bei den Banken unterziehen, auch bei der ZKB. Bremst das nicht die Nachfrage für den Erwerb von privatem Wohneigentum?


Nein, der Zuwachs im privaten Wohnungsbau ist weiterhin gross. Es gibt sogar erste Anzeichen einer Überhitzung. Die ZKB macht schon jetzt nicht mehr bei allen Projekten mit, die an sie herangetragen werden. Die günstigen Zinsen sind verlockend und lassen die Risiken manchmal in den Hintergrund treten.


Im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Erb-Gruppe ist auch ihr Name gelegentlich genannt worden. Sie waren dort während mehrerer Jahre in leitender Funktion tätig. Haben Sie ihre Kenntnisse der Verhältnisse bei Erb zum Wohl der ZKB verwendet? Wie hoch wird die nötige Abschreibung für die ZKB sein?


Zu Kundenbeziehungen der ZKB will ich aus Gründen des Bankgeheimnisses keine Auskünfte geben.


Was wünschen Sie als CEO der ZKB im gerade angelaufenen Jahr? Was sind Ihre Ziele?


Mir ist es ein Anliegen, dass wir unsere Wachstumsziele erreichen. Ich hoffe, dass es mir und den 4200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ZKB vergönnt ist, diese Ziele zu erreichen, in pragmatischen kleinen Schritten, ganz in ZKB-Manier. Wenn wir dabei so ertragreich wie bisher arbeiten, ist mein Ziel als CEO erfüllt. Persönlich wünsche ich mir die Freude und die Kraft, das ZKB-Schiff weiterhin auf einem guten Kurs zu halten. Wenn mir das gelingt, fühle ich mich glücklich.

Herr Vögeli, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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