Heinz Karrer, CEO Axpo: «Die neuen erneuerbaren Energien werden im künftigen Strommix der Axpo eine immer bedeutendere Rolle spielen»

von Patrick Gunti


Herr Karrer, Axpo will verstärkt in erneuerbare Energien investieren und plant dafür bis 2030 drei Milliarden Franken einzusetzen. Wo setzen Sie die Schwerpunkte?


In der Schweiz liegt unser Fokus klar auf der Kleinwasserkraft und der Biomasse, die wertvolle Bandenergie liefern. Auch bei der Geothermie besteht in der Schweiz in grosses Potenzial. Diese Technologie befindet sich aber noch im Stadium der Forschung und Entwicklung. Im Ausland investieren wir in die Nutzung von Biomasse, Kleinwasserkraft und Windkraft.


Die neuen Energien als bedeutender Faktor im Strommix – wie hoch schätzen Sie das Potenzial ein?


Die neuen erneuerbaren Energien werden im künftigen Strommix der Axpo eine immer bedeutendere Rolle spielen. Gemäss unserer Studie «Stromperspektiven 2020» dürften bis im Jahr 2030 rund sechs Prozent des dannzumaligen Stromverbrauchs durch neue Energien gedeckt werden können.


Wasserkraft, Biomasse, Wind, Sonne – rein mengenmässig wären die Energieträger für eine umfassende Energie-Abdeckung vorhanden. Wieso ist das Potenzial der erneuerbaren Energien heute noch nicht grösser?


Die Anforderungen an eine sichere Stromversorgung sind hoch: Sie muss zuverlässig, nachhaltig und wirtschaftlich sein. An diesen Anforderungen muss der Stromproduktionsmix gemessen werden, und zwar heute wie auch in Zukunft. Viele der neuen Energien erfüllen diese Kriterien (noch) nicht. Ihr Beitrag ist entweder zu klein (z.B. Biomasse-Vergärung, Photovoltaik), nicht zuverlässig genug (z.B. Wind-energie), noch nicht ausgereift (z.B. Geothermie) oder aber die Potenziale liegen in geschützten Landschaften (z.B. Kleinwasserkraft).


Bereits Anfang 2006 hat Axpo bei den Axpo Tochtergesellschaften NOK, CKW und EGL Ressourcen aufgebaut, um die Aktivitäten im Bereich der neuen Energie zu forcieren. Welche wären hier zuerst zu nennen?


Bei der NOK stehen Beteiligungen an ausgewählten Unternehmen im Bereich der neuen Energien im Vordergrund. Dazu zählen die Kompogas AG, die Proma Energie AG oder die Kraftwerke der Lorze AG. Einige dieser Gesellschaften werden in den kommenden Monaten zu einem Kompetenzzentrum zusammen gefasst, bleiben aber weiterhin selbständige Unternehmen.
Auch die CKW investiert im Bereich neue Energien hauptsächlich in Wasserkraft und Biomasse. Zudem prüft sie die Machbarkeit einzelner Windkraftanlagen.



«Die Anforderungen an eine sichere Stromversorgung sind hoch: Sie muss zuverlässig, nachhaltig und wirtschaftlich sein. An diesen Anforderungen muss der Stromproduktionsmix gemessen werden, und zwar heute wie auch in Zukunft.» (Heinz Karrer, CEO Axpo)


Die EGL ist an Windkraftprojekten in Italien und Norwegen beteiligt. In Spanien beteiligt sich EGL an zwei Projekten für Biomasse-Anlagen. Dazu investiert Axpo auch in die Forschung und Entwicklung neuer Technologien, so beispielsweise in ein Holzvergasungsprojekt in Österreich oder in die Geothermie in der Schweiz. 


Sie haben es angesprochen: In Norwegen und Italien engagiert sich Axpo im Bereich der Windenergie. Um welche Projekte handelt es sich dabei?


In Norwegen hält Axpo 25% am Windkraftentwickler NMK. In Italien sind wir an zwei bereits weit fortgeschrittenen Windparkanlagen bzw. -projekten beteiligt. 


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Wie sieht es mit dem Engagement im Bereich der Solarenergie aus?


Die Solarenergie zählt nicht zu den von Axpo prioritär geförderten neuen Energien. Dennoch sind Axpo und CKW Gesellschafter bei der Sonnenenergieanlage Mont Soleil und die CKW unterstützt unabhängige Produzenten von Solarenergie.


Wie hoch sind die Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung und welche Projekte werden hier konkret verfolgt?


Unsere F&E-Investitionen betrugen im Geschäftsjahr 2005/06 deutlich über 10 Mio. Franken. Ein bedeutender Teil davon ging an das Paul Scherrer Institut, unter anderem für Arbeiten in den Bereichen Reaktorsysteme, Methanisierung aus Holz, Energieeffizienz und Materialforschung. Zudem finanzieren wir einen Lehrstuhl an der ETH Zürich sowie diverse Projekte des Naturstromfonds zur Förderung der Marktreife für erneuerbare Energien.


Trotz dem verstärkten Engagement im Bereich der neuen Energien – an Gaskombikraftwerken und in einem weiteren Schritt an neuen Atomkraftwerken führt aus Ihrer Sicht kein Weg vorbei?


Ab 2018 laufen die Stromimportverträge mit Frankreich aus, ab 2020 werden die ältesten Schweizer Kernkraftwerke Mühleberg sowie Beznau 1 und Beznau 2 vom Netz genommen. Dieser Produktionsausfall lässt sich unmöglich nur mit Wasserkraft und neuen Energien kompensieren. Es braucht auch neue Grosskraftwerke. Axpo setzt dabei auf die Kernkraft. Diese Technologie ist bewährt und liefert elektrische Energie sicher und zuverlässig, günstig und klimaschonend. Derzeit erarbeiten wir die Entscheidungsgrundlagen, um bis Ende 2008 über die Einreichung eines Rahmenbewilligungsgesuches befinden zu können.


Die Schwierigkeiten für den Bau eines neuen Atomkraftwerks sind enorm. Von welcher Seite erwarten Sie die heftigsten Widerstände?


Kernkraftwerke sind keine Herzensangelegenheit. Wir müssen die Bevölkerung in einer möglichst faktenorientierten Diskussion von der Notwendigkeit und den Vorteilen der Kernenergie gegenüber anderen Alternativen überzeugen.»



«Es braucht auch neue Grosskraftwerke. Axpo setzt dabei auf die Kernkraft» (Heinz Karrer, CEO Axpo)


Die Frage der Stromlücke wird heftig diskutiert. Glauben Sie nicht, dass die Schweizer Bevölkerung eher bereit ist, teureren ausländischen Strom zu bezahlen, als dem Bau neuer Grosskraftwerke zuzustimmen?


Der Preis ist das eine, die Machbarkeit das andere. Unter dem Aspekt der Stromversorgungssicherheit sind Importe keine zuverlässige Lösung. Entgegen den bisherigen Gepflogenheiten gibt es im liberalisierten Strommarkt keine zum Voraus garantierten, vertraglich geregelten Kapazitäten auf dem Übertragungsnetz. Im Gegenteil: Diese Kapazitäten sind knapp – und werden immer knapper – und müssen zudem über Auktionen ersteigert werden. Dabei steht die Schweiz im Wettbewerb mit den anderen Ländern im europäischen Umfeld – und diese steuern selbst ebenfalls auf Versorgungsengpässe zu. 


Letzte Frage: Die Axpo Gruppe passt ihre Führungsstrukturen an. Sie geben Ihre Doppelfunktion als CEO von Axpo und der Tochtergesellschaft NOK auf und konzentrieren sich auf die Gesamtleitung der Axpo Gruppe. Ausserdem wird die Konzernleitung verkleinert. Was sind die Gründe für diesen Schritt?


Es war von Beginn meiner Axpo Tätigkeit an vorgesehen, meine Doppelfunktion für maximal drei bis fünf Jahre beizubehalten. Inzwischen wurden die Tochtergesellschaften CKW und EGL erfolgreich in die Unternehmensgruppe integriert und eine neue Unternehmensstrategie umgesetzt. Mit der Konzentration auf das Amt des Konzernchefs kann ich mich nun noch stärker der strategischen Ausrichtung und damit der Weiterentwicklung der Axpo und den Herausforderungen eines sich stark verändernden Umfelds widmen.


Herr Karrer, besten Dank für das Interview.





Zur Person:
Heinz Karrer – CEO Axpo Holding AG
Geboren 1959
Schweizer Staatsbürger


Studium der Nationalökonomie an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften HSG, St. Gallen


Seit 1. Oktober 2002
– CEO Axpo Holding AG und CEO Nordostschweizerische Kraftwerke AG
– Präsident des Verwaltungsrats Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG
– Verwaltungsrat Axpo AG und Centralschweizerische Kraftwerke
– Vorstand Swisselectric


1998-2002
– Leiter der Division Marketing & Sales und Mitglied der Konzernleitung Swisscom


1995-1997
– Vorsitzender der Unternehmensleitung Ringier Schweiz und Mitglied Konzernleitung Ringier AG


1992-1995
– Vorsitzender der Geschäftsleitung und Delegierter des Verwaltungsrats der INTERSPORT Holding AG


Zur Unternehmung
Die Axpo Gruppe mit der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK), der Centralschweizerischen Kraftwerke AG (CKW) sowie der Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG (EGL) ist ein führendes Schweizer Energieunternehmen mit lokaler Verankerung und internationaler Ausrichtung. Stromproduktion, Transportnetze, Handel, Verkauf und Dienstleistungen sind in der Unternehmensgruppe vereint. Die Axpo versorgt zusammen mit Partnern rund 3 Millionen Menschen in der Schweiz mit Strom. Axpo ist zu 100 Prozent im Besitz der Nordostschweizer Kantone.

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