Kunstmuseum Bern: Félix Vallotton und die Sonnenuntergänge


Sonnenuntergänge sind ein Archetypus in allen Kulturen. Schönheit paart sich mit Mächtigkeit, Intensität mit Farbrausch. Das Kunstmuseum Bern zeigt eine Übersicht mit 80 Bildern und Holzschnitten, die sich den Zielen des Symbolismus nähert.

Von Tanja Hess

Vor gut hundert Jahren stand in der künstlerischen Auseinandersetzung die Bewegung der Avantgarde an. Félix Vallotton, zusammen mit Ferdinand Hodler, suchten ihre individuellen Wege für den Ausdruck der Kunst, welche ebenfalls in der Abstraktion gründeten, doch von der Ausrichtung her der Avantgarde diametral gegenüberliegen.

Die Neucodierung
Das Interesse Vallottons lag in der formalen und inhaltlichen Neucodierung des Realismus. Dabei ist die Natur oder die Umwelt nur der wahrgenommene Anlass, das bildnerische Resultat bindet sich nicht mehr an die ursprüngliche Vorgabe.
Der Weg führt über die Konzentration der Mittel.

Vorbild des Jugendstils
Der radikale Umgang mit den bildnerischen Mitteln und die Konzentration auf das Wesentliche machen sowohl Félix Vallotton und auch Ferdinand Hodler zu Vorbildern des Jugendstils. Die Grundlegende inhaltliche Beigabe ist aber ganz im Unterschied zur floralen Ornamentik des Fin de Siècle die Neuformulierung von existentiellen und sozialkritischen Inhalten.

Neue Lösungen
Es sind die Kühnheiten der gestalterischen Lösungen, die den Betrachter einerseits erfreuen und die wiederum staunende und irritierte Blicke an sieh ziehen. Die Ausstellung geht der Frage der wichtigen Rolle dieses urromantischen Bildmotives in Vallottons Landschaftswerk nach.

«Couchers de soleil»
Nie stiess Vallotton weiter in die Abstraktion vor als in den zwischen 1900 und 1925 gemalten «Couchers de soleil», und die verblüffende Radikalität, mit der er das Geschaute oft auf wenige horizontale Streifen und ein paar grelle, hart kontrastierende Farbtöne reduzierte.

Landschaft als Ausgangspunkt
Inspirieren liess er sich zu diesem ungewöhnlichen Werkkomplex vor allem durch die berückende Meereslandschaft um Honfleur, die kleine Hafenstadt in der Normandie, in deren Nähe er seit 1909 regelmässig den Sommer verbrachte.Vor dem Bild selber lassen sich die Motive allerdings nur selten lokalisieren. Seinen Grund hat dies vor allem darin, dass Vallotton, im Gegensatz zu seinem zwölf Jahre älteren Landsmann Hodler, seine Landschaften nicht nach der Natur malte, sondern zu Hause, in seinem Atelier, wobei ihm kleine, direkt vor dem Motiv angefertigte Bleistiftskizzen als Erinnerungshilfe dienten. Da zwischen dem Augeneindruck und der Ausführung oft Tage, Wochen, ja Monate liegen konnten, fiel die Umsetzung ins Bild gezwungenermassen sehr frei aus, und genau dies war auch Vallottons Absicht. In diesen Bildern geht es weder um topographische Erkennbarkeit noch um eine bestimmte atmosphärische Stimmung: Wichtig ist vielmehr, was ein Landschaftsmotiv dank dem überlegten Einsatz von Form und Farbe im Betrachter an Gedanken und Gefühlen auszulösen vermag.

Die Innovation
Was Vallotton auf diesem Gebiet als Maler zu leisten vermochte, war nur möglich, weil ihn viele Jahre zuvor die intensive Beschäftigung mit dem Holzschnitt zu einem völlig neuen Umgang mit den gestalterischen Mitteln gezwungen hatte: Mit der Linie und der Fläche ebenso wie mit dem Helldunkel. Da hatte er gelernt, das Vielgestaltige und Flüchtige so zurechtzubiegen und zusammenzufassen, dass es sich zu einer höheren Einheit fügt, und schon da hatte er begonnen, Helligkeiten und Dunkelheiten so hart gegeneinander auszuspielen, dass eine fast quälende Spannung entsteht. Auffallend übrigens, wie häufig auch in seinem Holzschnittwerk das Motiv des Sonnenuntergangs auftritt, vielfach in Verbindung mit badenden Frauengestalten, wie später in seiner Malerei auch.


«Stiftung Kunst Heute» 
Präsentationen von Werkgruppen aus der Grafischen Sammlung
 
2003 übergab die Stiftung Kunst Heute ihr gesamtes Kunstgut dem Kunstmuseum Bern, darunter auch wichtige grafische Arbeiten, die die Bestände der Grafischen Sammlung im Bereich der Gegenwart wertvoll ergänzen und bereichern: Zeichnungen von Silvia Bächli, Miriam Cahn, Barbara Heé, Leiko Ikemura neben Collagen von Nicolas Fernandez oder Fotografien von Christoph Draeger, Urs Lüthi und Cécile Wick. Eine Auswahl davon wird im Herbst zu sehen sein, bevor die gesamte Sammlung in grösseren Räumlichkeiten umfassender gezeigt werden kann. (kmb/mc/th)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert