Kunstmuseum St.Gallen: Nedko Solakov – Emotions


«THE BAD NEWS: HE WAS DEAD. THE GOOD NEWS: THE FLOWER ON HIS GRAVE WILL LAST FOREVER».



Die Installation «Good News, Bad News» des 1957 in Cherven Briag / Bulgarien geborenen Künstlers Nedko Solakov wirkt auf den ersten Blick geheimnisvoll, erweist sich indes als bissiger Kommentar zum menschlichen Dasein. Das gilt auch für die kleinen witzigen Zeichnungen, die Solakov in zahlreichen Museen angebracht hat ? und zwar meist dort, wo man sie kaum erwartet, bei einem Fenster, an Heizkörpern, neben Feuerlöschgeräten ?  Auch sie erzählen von alltäglichen Begebenheiten, aber auch von institutionellen Bedingungen, und scheinen diese zugleich ins Absurde zu wenden. Solche Arbeiten sind nur ein Aspekt von Solakovs formal kaum zu bändigendem Schaffen, das im Grunde eine einzige Infragestellung des Verlangens nach Perfektion und Eindeutigkeit darstellt. Sein Anspruch zielt, quer durch die vielfältigen Ausformungen des Werks, auf eine Enzyklopädie des Absurden, Abseitigen, auf eine Geschichte der Abweichungen und gescheiterten Utopien.


Die Dinge, die wir mögen stiften uns unweigerlich an, uns selbst und unsere eigenen Geschichten zu reflektieren. [?] In diesem Sinne ist «Gefallen» eine egozentrische Empfindung, ein Zu-sich-Heranziehen der Welt oder eines Kunstwerkes. Man könnte dies natürlich auch in einer elaborierteren Sprache ausdrücken, doch an dieser Stelle genügt es mir, zu sagen, dass die Werke Nedko Solakovs mich dazu anstiften, «mich zu denken», meiner Ängste und meiner Lustempfindungen gewahr zu werden.
Georgi Gospodinov


Dabei erweist sich der Zusammenbruch des kommunistischen Systems Ende der 1980er Jahre als prägende Erfahrung und wird zum Auftakt für die Suche nach einer eigenen Sprache, um der zunehmenden Komplexität der Wirklichkeit begegnen zu können. In Zeichnungen, Texten, Videos, Fotografien, Performances, Installationen, Skulpturen und Wandarbeiten hinterfragt der Künstler scheinbare kollektive Wahrheiten, die Bedingungen des Kunstsystems und des Kunstmarktes, reflektiert das Scheitern als Metapher menschlicher Existenz und entdeckt in den politischen Weltläufen die Paradoxie als herrschende Struktur. Solakovs Fähigkeit, unterschiedlichste Themen in Form von Geschichten zu erzählen, die eine präzise Balance zwischen poetischer Lust an der Narration und deren ironischer Brechung halten, macht dieses Werk unverwechselbar, aber auch in hohem Masse unterhaltsam.




Spätestens seit der Teilnahme an der Biennale von Venedig (2007) und der documenta 12 (2007) gilt Solakov als eine der herausragenden Figuren der internationalen Gegenwartskunst. So war sein Schaffen in den vergangenen Jahren in zahlreichen Einzelausstellungen prominent zu sehen, u. a. im P.S.1 Contemporary Arts Center, New York (2001), im Casino Luxembourg, Forum d?art contemporain, im O.K. Centrum für Gegenwartskunst, Linz und im Rooseum Center for Contemporary Art, Malmö (2004) oder im BA-CA Kunstforum in Wien (2007). Bereits 1993 war sein Schaffen erstmals im Rahmen von Aperto an der 45. Biennale von Venedig zu sehen, gefolgt von weiteren Beteiligungen an internationalen Gruppenausstellungen wie 2001 an der 49. Biennale in Venedig, 2005 an der 5. Biennale von Istanbul oder 2008 an der 16. Biennale von Sydney. In der Schweiz war sein Schaffen in einzelnen Gruppenausstellungen wie Basics 2002 in der Kunsthalle Bern oder 2008 Shifting Identities im Kunsthaus Zürich zu sehen. Überbleibsel, so die deutsche Übersetzung,  war eine erste kabinettartige Einzelausstellung 2005 in einem Schweizer Museum ebendort betitelt: Leftovers ? a selection of my unsold pieces from the private galleries I work with.nbsp;


Die Ausstellung Emotions im Kunstmuseum St.Gallen ist Nedko Solakovs erste grosse Überblicksausstellung im deutschsprachigen Raum. Sie umfasst neben zentralen frühen Werken wie Top Secret (1989-90), vielteiligen Zeichnungsserien und raumgreifenden Installationen wie Good News, Bad News (1998-heute) auch Werke, die eigens für das gemeinsame Projekt produziert worden sind. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bonn und dem Institut Mathildenhöhe Darmstadt realisiert. (kmsg/mc/th)




Alles in diesem Werk ist zugleich in einer Aufwärts- und einer Abwärtsbewegung [?] Im Wissen, dass sich am Ende nicht alles zum Guten wenden wird und keines seiner Märchen einem «Happy End» zustrebt, zerschellt es dennoch nicht am Boden der tristen normativen Realität, sondern hält eine traumwandlerische Balance; eher staunend und überrascht als ängstlich und voller unstillbarer Neugier auf die wundersamen Geschichten, die das Leben bereithält.
Stephan Berg

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