Patrick De Maeseneire, CEO Barry Callebaut AG: Wir wollen gezielt in Innovation und geografische Expansion investieren

Von André Schäppi


Moneycab: Herr De Maeseneire, dieser Sommer war ja nicht gerade das, was man sich erträumt. Haben Sie trotzdem viel Eiscream gegessen?


Patrick De Maeseneire: Sehen Sie, das ist das Gute an unserem breit abgestützten Produkte- und Business-Mix. Dieses Jahr war der Sommer in Europa kühl, und wir haben weniger Schokolade an die Eiscremehersteller verkauft. Dafür gelustet es den Verbraucher bei kühlem Wetter auch im Sommer nach seiner gewohnten Tafel Schokolade oder einem Riegel oder einer Praline.


Analysten haben für dieses Jahr mit einem Umsatz von rund 3,9 Mrd. CHF (einem Rückgang gegenüber 04 von rund 3 Prozent) und einem Ebit von 265 Mio. CHF gerechnet. Mit aktuell CHF 4,1 Mrd. Umsatz und einem EBITA von plus 6,4% resp. einem EBIT von plus 16,2% liegt Barry Callebaut (BC) über den Erwartungen. Sind Sie damit zufrieden?



Zum siebten Mal in Folge seit unserem Börsengang im Jahr 1998 konnte Barry Callebaut sein operatives Ergebnis, vor Restrukturierungsaufwendungen und Abschreibungen, steigern. Wir sind in der Tat zufrieden mit den Resultaten für das vergangene Geschäftsjahr, und wir freuen uns, dass Barry Callebaut die Wertschöpfung für ihre Aktionäre deutlich steigern konnte.


«Unser Schwergewicht liegt auf organischem Wachstum und nicht auf Akquisitionen.»  Patrick De Maeseneire, CEO Barry Callebaut


Noch im Oktober hatten Sie erklärt, dass BC in den nächsten drei Jahren ein Umsatzwachstum von 3 bis 5 Prozent anstrebt, einen Ebita von 8 bis 12 Prozent und einen Konzerngewinn von 12 bis 15 Prozent. Werden diese Zahlen nun angepasst?


Die erwähnten Wachstumsraten entsprechen unseren Finanzzielen für die 3-Jahres-Periode von 2004/05 bis 2006/07. Wir liegen gut auf Kurs und bestätigen diese Finanzziele deshalb.


Derzeit läuft in der Türkei die Ernte für Haselnüsse. Mit einer verarbeiteten Menge von 13’000 Tonnen kein zu vernachlässigender Faktor für BC. Welche Preisentwicklung erwarten Sie für die nächsten Monate?


Im Gegensatz zu anderen Rohwaren wie Kakao gibt es für Haselnüsse keine Börse, sondern der Einkauf erfolgt direkt bei den Händlern, und man kann die Haselnusspreise nicht absichern (hedgen). Die rekordhohen Haselnusspreise stellen ein branchenweites Problem dar. Die Ernte in der Türkei, wo rund 70% der weltweiten Haselnussernte herkommen, läuft gut. Wir hatten keinen Frost im Frühjahr, d.h. die Ernte sollte reichlich ausfallen. Die Preise sind von ihren Höchstwerten bereits um etwa 20% herunter gekommen, aber sie sind immer noch rund dreimal teurer als vor zweieinhalb, drei Jahren. Wir glauben, dass es für das Einpendeln der Preise auf dem durchschnittlichen Niveau mindestens noch eine zweite gute Ernte braucht. Wir konnten zahlreiche Preisanpassungen vornehmen, und wir haben unsere Einkaufsaktivitäten direkt vor Ort in der Türkei personell verstärkt. Dennoch rechnen wir auch für das angelaufene Geschäftsjahr 2005/06 mit einem negativen Einfluss der Haselnusspreise auf unser operatives Ergebnis, wenn auch weniger deutlich als 2004/05, wo die Auswirkungen im Verbrauchergeschäft auf den EBITA ca. CHF 25 Millionen ausmachten.


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Das Segment Verbrauchergeschäft fokussiert stark auf Deutschland, das rund 70 Prozent des europäischen Geschäfts ausmacht. Nun sind die Marktbedingungen durch den harten Konkurrenzkampf nicht etwa einfacher geworden. Hat man auf die falsche Karte gesetzt, als man sich in Deutschland mit der Stollwerck engagiert hat, die den Konzern zudem mit hohen Restrukturierungskosten zusätzlich belastet hat?


Wir haben Stollwerck vorwiegend wegen ihres Handelsmarkengeschäfts gekauft, da die Mechanismen im Handelsmarkengeschäft sehr ähnlich funktionieren wie in dem uns bestens vertrauten Industriegeschäft. Bei der Übernahme von Stollwerck wussten wir – und haben wir auch klar kommuniziert -, dass das Unternehmen restrukturiert werden musste.
Wir haben unseren Verbraucherbereich auf drei Pfeiler ausgerichtet: erstens umfassende Handelsmarkenlösungen; zweitens eine kleine Anzahl lokaler Marken zur Markteinführung von Innovationen; und drittens Co-Manufacturing für internationale Konsumgüterhersteller, die zunehmend dahin tendieren, sich auf Marketing und Verkauf zu konzentrieren und die Produktion auszulagern.


Und wie sieht es mit der Integration von Stollwerck aus?


Das Restrukturierungsprogramm läuft auf zwei Ebenen: einerseits wollen wir die Kostenführerschaft erreichen, und andererseits wollen wir ein profitables Geschäfts-Portefeuille aufbauen. Im abgelaufenen Jahr haben wir hierzu die Produktion von Köln in unser spezialisiertes Werk in Norderstedt in der Nähe von Hamburg verlagert, wir haben die Anzahl Lagerartikel (SKUs) um rund 40% reduziert, wir haben unprofitable Handelsmarkenverträge aufgegeben, wir haben den Aussendienst auf unsere Marktdienstleistungen ausgerichtet, und wir haben das Marken-Portefeuille deutlich gestrafft.
Nach dem Squeeze-out der verbliebenen Minderheitsaktionäre von Stollwerck im April 2005 haben wir das Integrationstempo nochmals deutlich erhöht. Als einer der letzten Schritte in der Integration läuft nun die Überführung des europäischen Verbrauchergeschäfts auf die bestehende SAP-Plattform, die in den anderen europäischen Schokoladenunternehmen der Gruppe bereits erfolgreich eingesetzt wird.


Welche Möglichkeiten bestehen, um in diesem Segment in der nächsten Zeit eine Trendwende herbeizuführen?


Die oben aufgeführten Massnahmen, in Kombination mit der Konzentration auf Produkte mit höheren Margen und einer gezielten Internationationalisierung zur Reduktion der starken Abhängigkeit von Deutschland werden uns an unser Ziel heranführen.


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Wie entwickelt sich das Geschäft mit Brach?s in den USA und welche Ziele setzt man sich?


Brach?s verfügt über drei Produktkategorien, nämlich Zuckerwaren, Schokolade und sogenannte Frucht-Snacks. Die unter amerikanischen Verbrauchern herrschende Besorgnis in Bezug auf Fettleibigkeit, Diabetes und Kohlehydrate führte zu einem generellen Konsumrückgang bei Zuckerwaren. Entgegen diesem Trend konnte Brach?s einen leichten Anstieg der Verkaufsmenge in dieser Kategorie verzeichnen; das führen wir u.a. darauf zurück, dass Brach?s die zuckerfreie Sweet-Right-Linie für Zuckerwaren und Schokoladenprodukte sowie die Saison-Produkte gezielt ausgebaut hat. Der Bereich Schokolade wächst erfreulich. Der Bereich Frucht-Snacks erfuhr einen Umsatzrückgang aufgrund des äusserst wettbewerbsintensiven Marktumfeldes. Zur Stärkung des Produktportfolios verfolgt Brach?s einen dreifachen Ansatz: Das Unternehmen optimiert erstens die Produktlinie durch ein radikales SKU-Rationalisierungsprogramm. Es wertet zweitens bestehende Produkte auf punkto Qualität, Verpackung, Anpassungen an Geschmackspräferenzen der Verbraucher und durch wertsteigernde Angebote, und es konzentriert drittens die Innovationsanstrengungen auf neue Produkte, die Wettbewerbsvorteile bieten.&


Mit der aktuellen relativ hohen Nettoverschuldung von CHF 953,5 Mio. kann man davon ausgehen, dass BC in der nächsten Zeit keine grossen Sprünge bei Akquisitionen machen wird. Dazu wäre ja wohl eine Kapitalerhöhung nötig, die doch wohl eher unwahrscheinlich ist, oder?


Unser Schwergewicht liegt auf organischem Wachstum und nicht auf Akquisitionen. Um dieses organische Wachstum voranzutreiben, wollen wir gezielt in Innovation und geografische Expansion investieren. Das können wir aus eigenen Mitteln finanzieren.


Wird man in Zukunft die Marken wie Sarotti stärker positionieren müssen? Das würde ja im Trend liegen, da die meisten Anbieter von Konsumgütern ihre Ausgaben für Werbung ausbauen müssen, um Marktanteile zu halten.


Unsere Verbrauchermarken sind nur lokal präsent. Nachdem wir das Marken-Portefeuille nun gestrafft haben, geht es jetzt natürlich darum, sie am Markt stärker zu positionieren. Für unser Dachmarke Sarotti in Deutschland läuft seit September bis in den Frühling 2006 hinein eine TV-, Radio-, Print- und Plakatkampagne. Das schlägt sich in den Verkaufszahlen nieder: Sarotti legte im ersten Halbjahr 2005 gemäss AC Nielsen um 7% zu gegenüber der Vorjahrsperiode, während der deutsche Schokoladenmarkt in diesem Zeitraum insgesamt um 2% zurück ging.





Patrick G. De Maeseneire (1957) ist seit dem 1. Juni 2002 CEO der Barry Callebaut AG.

Er kam von der Adecco S.A., wo er seit 1998 tätig war, zunächst als General Manager für die Benelux-Länder und seit Juni 2001 als President of Professional Staffing & Managed Services in New York.
Davor war Patrick De Maeseneire in verschiedenen Positionen bei Wang Belgien, Apple Computers und Arthur Andersen tätig.

Patrick De Maeseneire studierte Ingenieurwissenschaften an der Universität Brüssel und Marketing Management an der Universität Gent sowie Business Management an der London Business School und an der Insead in Fontainebleau.


Barry Callebaut
Mit einem Jahresumsatz von über CHF 4 Mrd. für das Geschäftsjahr 2004/05 ist die in Zürich ansässige Barry Callebaut der weltweit grösste Hersteller von hochwertigen Kakao- und Schokoladenprodukten sowie Süsswaren ? von der Kakaobohne bis zum fertigen Produkt im Verkaufsregal. Barry Callebaut unterhält über 30 Produktionsstandorte in 23 Ländern und beschäftigt mehr als  8?000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Unternehmen steht im Dienst der gesamten Lebensmittelbranche ? von industriellen Nahrungsmittelherstellern über gewerbliche Anwender von Schokolade wie Chocolatiers, Confiseure oder Bäcker bis hin zu den internationalen Einzelhandelskonzernen. Barry Callebaut bietet auch umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Produktentwicklung, Verarbeitung, Schulung und Marketing an.


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