SNB: Zinsentscheid wird mit Spannung erwartet – Analysten uneinig

Andererseits dürfte sich die Wirtschaft angesichts der anhaltenden Finanz- und Kreditkrise in den kommenden Quartalen weiter abkühlen, was unveränderte und mittelfristig eher tiefere Zinsen erfordern würde. Marktbeobachter sind denn auch sehr gespannt, wie die SNB auf diese ungemütliche Situation reagieren wird – die Meinungen sind zweigeteilt.


Meinungsumschwung
Einige Analysten haben in den letzten Tagen jedenfalls die Meinung geändert. Während bis vor wenigen Wochen die grosse Mehrheit der Ökonomen und Analysten keine Änderung der Zinsen bzw. ein unverändertes Zinsband für den 3-Monats-CHF-Libor von 2,25 bis 3,25% erwartet hat, sind die Meinungen zwischen Status quo und Erhöhung des Zinsbandes um 25 Basispunkte nun etwa ausgeglichen. Für den Meinungsumschwung haben sicher die anfangs Juni veröffentlichten Daten der Konsumentenpreise im Mai gesorgt. Gegenüber April hat sich der Jahreswert auf 2,9% von 2,3% beschleunigt und damit den höchsten Stand seit Oktober 1993 erreicht. Die Inflation liegt damit schon den fünften Monat in Folge über dem SNB-Stabilitätsziel von 2%. Letztmals lag sie im Dezember mit 2,0% knapp im von der SNB angestrebten Rahmen.


Inflation wieder im Rampenlicht
«Die Inflation steht wieder im Rampenlicht», schreiben denn auch die Ökonomen der Credit Suisse, die letzte Woche ihre Inflationsprognose für dieses Jahr deutlich erhöht haben, in einem Kommentar. Dass sich die Inflationsgefahr angesichts der anhaltenden Ölpreishausse in den letzten Monaten klar verschärft hat, zeigt sich auch an den jüngsten Äusserungen der SNB-Spitze. So sagte Präsident Jean-Pierre Roth vor kurzem in einem Interview, die Inflation mache ihm Sorgen und sprach in diesem Zusammenhang von einer «überraschenden Entwicklung». Und auch Direktoriumsmitglied Thomas Jordan meinte neulich, die Notenbanken müssten die Preisstabilität äusserst aufmerksam verfolgen.


EZB in «erhöhter Alarmbereitschaft»
Die höhere Inflation ist allerdings nicht nur ein Schweizer, sondern ein weltweites Phänomen. So sieht sich auch die Europäischen Zentralbank (EZB) unter Zugzwang. Ihr Präsident, Jean-Claude Trichet, erklärte Anfang Monat, die EZB sei angesichts der Rekordinflation in «erhöhter Alarmbereitschaft». Trichet schloss dabei eine Erhöhung der Leitzinsen im Juli trotz Konjunkturabschwung nicht aus und trug damit ebenfalls zu Neueinschätzungen gewisser Analysten hierzulande bei.


Reposatz seit Ende April unverändert
Dass die Märkte sich langsam auf eine Zinserhöhung einstellen, zeigt auch die Entwicklung des Liborsatzes in den letzten Wochen. Noch Ende Mai lag er bei 2,77% und damit nur knapp über dem Mittelwert des Zielbandes von 2,75%; in den letzten Tagen ist er aber deutlich gestiegen und notiert nun mit rund 2,92% nur noch wenig entfernt von einem allfälligen neuen Libormittelwert von 3,00%, der sich bei einer Erhöhung des Zielbandes um 25 Basispunkte ergäbe. Der Reposatz, der von der SNB zur Steuerung des Libors verwendet wird, blieb dagegen seit Ende April unverändert bei 1,90%.


Libor-Entwicklung zeigt Richtung Zinserhöhung
Dies könnte laut Marktbeobachter ein Zeichen sein, dass die jüngste Entwicklung des Libors im Sinne der SNB ist, hätte sie doch sonst mit einem tieferen Reposatz oder Kommentaren ihrer Exponenten Gegensteuer gegeben. Ob mit dieser Entwicklung allerdings auch eine Erhöhung des Zielbandes um 25 Basispunkte einhergeht, muss sich weisen. So meinen etwa die Analysten der Citibank, dass die SNB zwar die Zinsen unverändert lassen, aber mit deutlichen Kommentaren zur zu hohen Inflation die Märkte auf eine Erhöhung der Zinsen im September vorbereiten könnte.


Zweitrundeneffekte vermeiden
Eine klare Meinung hin zu einer Zinserhöhung haben dagegen die Analysten der Credit Suisse oder von BAK Basel Economics. Angesichts des über Erwarten starken Inflationsanstiegs und des erhöhten Risikos für Zweitrundeneffekte (Lohns/Preis-Spirale) sei trotz konjunktureller Abkühlungstendenzen eine Erhöhung des Zielsatzes auf 3,0% zu erwarten, heisst es bei den Ökonomen der Grossbank und des Wirtschaftsforschungsinstitutes. Ähnlich sehen das aber auch die Ökonomen von Julius Bär oder der englischen Barclays Bank.


ZKB und Sarasin erwarten keine Zinserhöhung
Anderer Meinung sind deren Kollegen von der ZKB oder der Bank Sarasin. Die Vorlaufindikatoren würden nun schon seit einigen Monaten auf eine konjunkturelle Abschwächung hindeuten. Deshalb erwarte man trotz der hohen Inflationsrate keine Zinserhöhung, heisst es bei der Zürcher Bank. Die Basler argumentieren praktisch deckungsgleich. Auch die Analysten der UBS erwarten keine Änderung bei den Zinsen, meinen aber, dass die Entscheidung für oder gegen eine Zinserhöhung «sehr eng» werden dürfte und die SNB die Inflationsgefahren in jedem Fall deutlich betonen werde. (awp/mc/ps)

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