Walter Kunz, Geschäftsführer Schweizerischer Reisebüro-Verband: «Das Internet hat bei den Reisebüros eine Qualitätssteigerung erwirkt»

Walter Kunz, Geschäftsführer Schweizerischer Reisebüro-Verband: «Das Internet hat bei den Reisebüros eine Qualitätssteigerung erwirkt»

von Patrick Gunti


Herr Kunz, die Schweizer Reisebüros haben 2006 zum dritten Mal in Folge deutlich verbesserte Ergebnisse vorgelegt, wie eine Umfrage des SRV und der Credit Suisse ergeben hat. Die Umsätze legten hochgerechnet um 10,8 % zu. Lags einzig und allein an der guten Konjunktur?


In erster Linie zeichnet sicherlich die gute Konjunktur dafür verantwortlich. Diese zieht verschiedene Aspekte und Facetten mit sich.  Es werden vermehrt anspruchsvollere und teurere Reisen gebucht und diese bucht man gerne im Reisebüro.


Wie ist die Entwicklung der Reisetätigkeit 2007 verlaufen? Gehen Sie von ähnlichen Zuwachsraten aus und wie sieht es mit der Entwicklung der Margen aus?


Wir dürfen auch für das Jahr 2007 mit einem weiteren Wachstum rechnen. Die Konjunkturdynamik wird sich allerdings gegenüber dem Vorjahr etwas verlangsamen.


In welchen Urlaubs-Regionen rechnen die Reisebüros für die kommenden Monate mit den höchsten Umsatzsteigerungen – welche Destinationen liegen im Trend?


Gemäss einer Umfrage bei unseren Mitgliedern sowie weiteren Anzeichen dürfte der asiatische Raum für die kommende Saison ganz klar vorne liegen.


Trotz der positiven Entwicklung ist auch 2006 die Zahl der Beschäftigten in der Branche zurückgegangen. Wo liegen die Gründe und wie wird sich die Beschäftigtenzahl weiter entwickeln?


Der Beschäftigungsgrad war 2006 nur marginal rückläufig. Ich denke, dass wir bereits in diesem- und kommenden Jahr wieder mit einem höheren  Beschäftigungsgrad rechnen dürfen. Vorausgesetzt, wir finden auch das entsprechend qualifizierte Personal auf dem Markt.


Sie haben es angesprochen – wenn die Reisebürobranche qualifiziertes Personal sucht, hat sie zunehmend Mühe. Bekommt die Branche nun zu spüren, dass sie in den letzten Jahren relativ wenig Nachwuchskräfte ausgebildet hat?


Der notwendige Personalabbau nach der Krise im 2001 – 9/11 und Swissair Grounding – hatte natürlich auch Auswirkungen auf die Lehrplätze. Dennoch bilden wir heute wieder Jahr für Jahr ca. 200 neue Lernende aus. Das heisst, es sind permanent 600 Lernende (über alle 3 Lehrjahre) in Ausbildung.


Probleme hat die Branche zunehmend im Bereich der Businessreisen. Trotz guter Konjunktur wird hier immer häufiger bei Airline-Billiganbietern gebucht. Wird sich dieser Trend fortsetzen?


Das kann ich so nicht bestätigen. Bei Geschäftsreisen ist der Anteil der «Lowcost-Carrier» immer noch marginal, da die gewünschte Flexibilität (umbuchen, stornieren etc.) nicht gewährleistet ist. Aber auch wenn dieser kontinuierlich zunehmen würde, bereitet dies den Geschäftsreisenspezialisten keine Schwierigkeiten. Diese stellen sich für ein entsprechendes Entgelt in den Dienst der jeweiligen Firma.


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27 % aller Reisen in der Schweiz werden bereits über das Internet gebucht. In welchen Reisesegmenten ist die Konkurrenz für die Reisebüros durch das Internet am stärksten?


Übers Internet buchen heisst nicht per se, dass die Buchung der Reisebranche verloren geht. Viele unserer Mitglieder nutzen diesen Kanal auch als alternativen Distributionsweg oder haben sich sogar als Internet-Reisebüro positioniert. Grundsätzlich sind es aber sicher einfache Produkte, welche über diesen Kanal gebucht werden. 


Vier von fünf Reisebüros erwarten in den kommenden Monaten einen Zuwachs bei den Internet-Umsätzen, ein Drittel der Reisebüros fühlt sich von Internet-Buchungen konkurrenziert. Welche Massnahmen wollen die Reisebüros ergreifen, oder haben sie bereits ergriffen, um der Online-Konkurrenz gestärkt begegnen zu können?


«Wer sich Veränderung allerdings nicht anpassen kann und sich nicht klar positioniert, hat keine Daseinsberchtigung» (Walter Kunz, Geschäftsführer Schweizerischer Reisebüro-Verband)


Dass für einen Teil des Geschäftes das Internet eine Konkurrenz sein kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Wer sich Veränderung allerdings nicht anpassen kann und sich nicht klar positioniert, hat keine Daseinsberchtigung.


Könnte sich der Markt so aufteilen, dass die Reisebüros die Luxusreisen und komplexeren Angebote wie Rundreisen übernehmen, während das Pauschalgeschäft verstärkt übers Internet läuft?


Tendenziell würde ich es so formulieren; Komplexere Angebote haben über das Internet keine Perspektiven. Für Pauschalreisen lohnt sich der Gang ins gute Reisebüro allemal, denn dort erhalten Sie wichtige Tipps und Informationen aus erster Hand die das Internet nicht bieten kann.


Welche Vorteile hat die von Ihnen beschriebene Entwicklung für die Reisebüros einerseits, für die Kunden andererseits?


Das Internet hat bei den Reisebüros eine Qualitätssteigerung erwirkt. Jedes Büro war sich bewusst, einen Mehrwert bieten zu müssen um die Kunden bei der Stange zu halten. Dies kommt schlussendlich dem Konsument zu Gute.


Herr Kunz, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.





Zur Person:
Der 45-jährige Walter Kunz ist seit 1999 Geschäftsführer des Schweizerischen Reisebüro-Verbandes in Zürich. Zuvor war er in verschiedenen Führungs-Funktionen bei grossen Touristik-Anbietern in der Schweiz tätig, so bei ITV (Imholz-TUI-Vögele) Reisen AG, Imholz Reisen AG, Airtour Suisse SA/CIS Club Intersport und Kuoni. Der vielgereiste Touristik- und Kommunikationsfachmann ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Baden.


Über den SRV:
Der Schweizerische Reisebüro-Verband (SRV) wurde 1928 gegründet und ist die Branchenorganisation der Reisebüros in der Schweiz. Als privatrechtlicher Verein finanziert er sich durch Mitgliederbeiträge, Erträge aus Dienstleistungen und Zuwendungen. Der Dachverband zählt rund 900 Aktivmitglieder wie qualifizierte Reisebüros, Reiseveranstalter und Incoming-Agenturen sowie 120 Passivmitglieder wie Fluggesellschaften, Fremdenverkehrsämter, Tourismusfachschulen, Autovermieter, EDV- und Consultingunternehmen sowie weitere der Touristikbranche nahe stehende Firmen. Die SRV-Aktivmitglieder repräsentieren etwa 80% des gesamten Umsatzes auf dem Reisesektor.

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