Meret Schneider: Milchpreissenkung trotz Mehrinvestitionen – wo bleibt die BOM?

Meret Schneider: Milchpreissenkung trotz Mehrinvestitionen – wo bleibt die BOM?
Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Auch nach meinem Amt als Nationalrätin bleibe ich meinem Engagement für faire Produzentenpreise für Bäuerinnen und Bauern und eine nachhaltige, tier- und menschengerechte Landwirtschaft selbstverständlich treu. So gehört auch das Monitoring der Preisentwicklungen auf dem Agrarmarkt weiter zu meinen Routinen und immer wieder lassen mich bestimmte Entwicklungen ratlos bis frustriert zurück – doch erst zu den guten Nachrichten.

So haben sich die Anforderungen an die Milchproduktion in den letzten Jahren mit der Einführung des sogenannten «Grünen Teppichs» stetig erhöht. Dieser Branchenstandart ist ein Instrument, um Schweizer Milch gegenüber ausländischer ausloben zu können und beinhaltet 10 Grundanforderungen. Unter anderem müssen Kühe zweimal täglich gemolken werden und zugefüttertes Sojaschrot muss nachweislich aus nachhaltiger Produktion stammen. Auch Anforderungen an Auslauf und Tierhaltung sind gestiegen – was mich auf den ersten Blick selbstverständlich freut und zuversichtlich stimmt. Ab Januar 2024 darf nur noch Milch gehandelt, produziert und verarbeitet werden, die dem Standard “Swiss Milk Green” entspricht, der Grüne Teppich wird also obligatorisch – Kühe, Umwelt und Meret applaudieren – doch nur, bis man das Kleingedruckte liest.

Der Applaus verstummt denn auch abrupt, wenn man sich die parallelen Entwicklungen vor Augen führt. Viele Bauern sahen und sehen sich mit Stallumbauten konfrontiert, die sich teilweise im sechsstelligen Bereich bewegen, andere haben bereits grosse Investitionen getätigt und wären darauf angewiesen, diese über einen fairen Milchpreis amortisieren zu können. Neben der Absurdität, dass der Bundesrat trotz höherer Anforderungen die Beiträge für BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltung) von 90 auf 75 CHF pro Grossvieheinheit und damit pro Kuh gekürzt hat (siehe eine meiner früheren Kolumnen), kommt nun der nächste Hammer. 

Statt einer erhofften Erhöhung des Richtpreises für A-Milch, also jene Milch, die zu hochwertigem Käse verarbeitet wird, wird der Richtpreis ab Januar 2024 um 2 Rappen pro Kg gesenkt. Begründet wird dies durch die Branchenorganisation Milch (BOM) mit den deutlich gesunkenen Milchpreisen in der Europäischen Union. Seit Dezember 2022 sind die Milchpreise in der EU gemäss Marktbeobachtung der EU-Kommission um 14,40 Rp. gesunken. Der höhere Preisunterschied habe, so die BOM, den Exporten von Schweizer Milchprodukten zugesetzt. Die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und der EU ist damit auf ein Rekordhoch gestiegen. Die Ausfuhr von Käse  und Milchgrundstoffen wurde für die zweite Verarbeitungsstufe so zu einer grossen Herausforderung, wie die BOM in einer Mitteilung schreibt.

Mit einer Senkung des A-Richtpreises kommt die BOM also der verarbeitenden Industrie entgegen, da somit die Produktion von Käse für den Export günstiger wird, während sich die Bauern angesichts der veränderten Kostenstruktur in der Milchproduktion mit einer doppelten Lohnkürzung konfrontiert sehen: höhere Anforderungen von Seiten Politik und geringere Preise von Seiten Branchenorganisation, die sich ihrem Zweck gemäss eigentlich für die Milchproduzentinnen und -produzenten einsetzen müsste.

Auch stellt sich angesichts der Exportargumentation die Frage, warum in einer Situation, in der bereits im Winter 2023 ein weiteres Kontingent Butter importiert werden musste, um einen Mangel um die Weihnachtszeit zu vermeiden und wir uns nicht mit einem Milchüberschuss konfrontiert sehen, mit einer Preissenkung der Export gefördert werden muss, statt mit stabilen A-Richtpreis für den Inlandsmarkt zu produzieren. Diese Politik spielt einzig der Verarbeitungsindustrie in die Hände und widerspricht jedem Bestreben, die standortgerechte Milchproduktion in der Berg- und Hügelregion zu erhalten. Denn wenn Preise sinken, verlagert sich die Milchproduktion ins Flachland, wo sie günstiger und weniger arbeitsintensiv ist – aber eben auch auf ackerfähigem Land den Anbau menschlicher Nahrung konkurriert.

Im Sinne eines Signals für den Erhalt der Milchproduktion in Berggebieten wäre ein stabiler oder gar leicht erhöhter Milchpreis essentiell gewesen und wenn von Seiten Verarbeitung ohnehin Druck gemacht wird, wer setzt sich für die Bäuerinnen und Bauern ein, wenn nicht deren eigene Branchenorganisation? Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden wir zu einem Land, das günstig und möglichst industriell im Flachland Milch produziert um im Ausland konkurrenzfähig zu bleiben und  – wie es aktuell bereits der Fall ist – einen massiven Strukturwandel erlebt, im Zuge dessen ein Kleinbauer nach dem anderen aufgeben muss. Um das zu verhindern, braucht es Solidarität unter den Milchbauern und Organisationen, die sich für deren tatsächliche Interessen einsetzen – nicht nur auf dem Papier. Ein Verein, der in mir viel Hoffnung weckt, diese Funktion künftig ausüben zu können, ist der Verein Faire Märkte Schweiz, der sich für genau solche Belange einsetzt. Ich bin mir sicher, wir werden noch viel davon hören.


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