Libor-Affäre: USA drängen EU zu umfassender Reform

Libor-Affäre: USA drängen EU zu umfassender Reform

Gary Gensler, Chef der US-Terminmarkt-Aufsicht.

Brüssel – Nach den mutmasslichen Manipulationen des Interbanken-Zinssatzes drängen die USA die EU zu einer umfassenden Reform des Libor-Systems. Der Zinssatz müsse anders festgestellt und möglichst von einer unabhängigen Institution ermittelt werden, forderte der Chef der US-Terminmarkt-Aufsicht Gary Gensler.

«Es ist Zeit für einen neuen oder einen veränderten Massstab – eine vernünftige Kennzahl, die auf tatsächlichen, beobachtbaren Markttransaktionen basiert, und für eine unabhängige Einrichtung, die diese Daten sammelt.» Dies sagte Gensler am Montag in einer Anhörung vor dem Europäischen Parlament, an der er per Videoübertragung teilnahm.

Für die Banken forderte Gensler eine strikte Trennung des Handelsgeschäfts von den Bereichen, die mit ihren Markteinschätzungen zur bisherigen Festlegung des Zinses beitragen. Es seien Brandmauern nötig, um einen Einfluss der an bestimmten Zinssätzen interessierten Mitarbeiter auf den Libor zu verhindern, betonte er.

Barclays bereits gebüsst
«Barclays hat Handelsräume in London, Tokio und New York. Und sie haben alle versucht, diejenigen zu beeinflussen, die die Daten zur Festlegung des Libor weitergereicht haben», sagte Gensler.

Der Zinssatz, auf dem Finanztransaktionen im Volumen von geschätzt 500 Bio EUR beruhen, wird bisher aus den Angaben von knapp zwei Dutzend Banken ermittelt, die nach ihren Markteinschätzungen und -beobachtungen gefragt werden. Genslers Behörde hat allein die britische Grossbank Barclays mit 200 Mio EUR für die Manipulationen bestraft. Auch anderen internationalen Grossbanken wird vorgeworfen, von 2005 bis 2009 den Libor mit falschen Angaben zu ihren Gunsten manipuliert zu haben. Untersuchungen laufen unter anderem gegen die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse.

Briten wollen Gegenvorschlag präsentieren
Der bei der EU-Kommission für die Finanzmärkte zuständige Michel Barnier signalisierte Unterstützung für Genslers Forderung nach einer unabhängigen Ermittlung. Ein solcher Schritt sei möglich, sagte der Franzose bei der Anhörung. «Das einzige, was nicht möglich ist, ist eine Selbstregulierung der Branche oder der Status Quo.»

Grossbritannien arbeitet offenbar bereits an Änderungen des Libor-Systems. Die Finanzmarktaufsicht will ihre Reformvorschläge am Freitag vorstellen. Grosse Investoren sehen aber kaum eine echte Alternative zum Libor. Dieser wird bislang nicht direkt von den Aufsichten kontrolliert, sondern vom britischen Bankenverband BBA. (awp/mc/pg)

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