Streit über Gipfel-Ergebnisse – Juncker kritisiert Merkel

Streit über Gipfel-Ergebnisse – Juncker kritisiert Merkel

Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.

Brüssel – Nach Abschluss des EU-Gipfels ist offener Streit über die dürftigen Ergebnisse zum Umbau der Währungsunion entbrannt. Der scheidende Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker äusserte scharfe Kritik und wandte sich damit auch an die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bei dem Treffen der 27 Staatenlenker auf die Bremse trat. Der Luxemburger rügte, der Gipfel habe sich nicht auf eine Art Sonderhaushalt für die Eurozone und einen detaillierten Reform-Fahrplan geeinigt. «Erklärtermassen gingen die zielführenden Vorschläge … einigen Mitgliedstaaten wesentlich zu weit», bilanzierte Juncker.

Bei dem Spitzentreffen hatten sich die EU-«Chefs» auf einen Fahrplan für Reformen der gemeinsamen Wirtschaftspolitik verständigt, jedoch längerfristige Projekte auf kommendes Jahr vertagt. Der Vorstoss von Gipfelchef Herman Van Rompuy zu einem Extra-Haushalt für die Eurozone wurde auf deutschen Druck auf die lange Bank geschoben, weil zusätzliche Ausgaben befürchtet werden.

Nach dem Kompromiss zur Bankenaufsicht will die EU im nächsten Jahr einen Rahmen für Abwicklung von Krisenbanken schaffen. Das soll verhindern, dass der Steuerzahler für Fehler von hoch bezahlten Bankern geradestehen muss. Nächste Wegmarke der «Chefs» ist der EU-Gipfel im Juni 2013, auf dem weitere konkrete Beschlüsse zur Absicherung des gemeinsamen Währungsgebietes gefasst werden sollen. Veränderungen des EU-Vertrages, die von allen 27 Staaten einstimmig gebilligt werden müssten, oder gar ein EU-Konvent sind nach Worten Merkels aber frühestens nach den Europawahlen 2014 möglich.

Tonfall gegenüber Syriens Machthaber Assad verschärft
Angesichts der dramatischen Lage in Syrien verschärften die Staats- und Regierungschefs den Tonfall gegenüber Staatspräsident Baschar al-Assad. «Der Gipfel beauftragt die Aussenminister, alle Optionen zu prüfen, um der Opposition zu helfen und sie zu unterstützen und um einen grösseren Schutz der Zivilbevölkerung zu ermöglichen», heisst es in einem Beschluss. Die Gipfelrunde sei «entsetzt über sich zunehmend verschlechternde Lage in Syrien».

Juncker-Nachfolge nach wie vor nicht geklärt
Ungelöst hingegen blieb die Nachfolge Junckers an der Spitze der einflussreichen Eurogruppe. Als möglicher Nachfolger kam der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem ins Gespräch, der allerdings bisher kein offizieller Kandidat ist.

Unterschiedliche Einschätzungen
Unter den Gipfelteilnehmern ging die Einschätzung über den Stand im Kampf gegen die Schulden- und Wirtschaftskrise auseinander: Trotz erster Erfolge bleibt nach Einschätzung von Kanzlerin Merkel noch viel zu tun. «Es ist einiges geschafft, aber ich glaube es liegt nach wie vor noch eine schwere Zeit vor uns», sagte sie.

Dagegen sprach Ratspräsident Van Rompuy davon, dass «das Schlimmste vorüber» sei. Frankreichs Staatschef François Hollande ging sogar soweit und verkündete, die Euro-Krise sei vorerst beigelegt. «Niemand stellt sich heute die Frage, die seit Monaten in aller Köpfe war: Wird ein europäisches Land aus der Euro-Zone austreten? Diese Frage hat ihre Antwort gefunden.» Hollande lobte die Beschlüsse der Mammutkonferenz und der Finanzminister, die «es uns erlaubt [haben], ein Kapitel abzuschliessen und ein neues anzufangen».

Lob von Grossbritannien
Die Euro-kritischen Briten lobten die Vereinbarungen zur Verteidigung des Euroraums. «Die Länder der Eurozone stehen hinter ihrer Währung», sagte Premier David Cameron. Er selbst habe in der Vergangenheit immer wieder Zweifel gehabt – «aber niemand sollte an der Entschlossenheit der Eurozonen-Mitglieder zweifeln, dafür zu sorgen, dass ihre Währung gut funktioniert». (awp/mc/pg)

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