Andreas Gubler, Wirtschaftsanwalt und Dozent

Andreas Gubler, Wirtschaftsanwalt und Dozent

Dr. iur. Andreas Gubler, Wirtschaftsanwalt und Dozent. (Foto: Jolanda Lucchini)

von Jolanda Lucchini

Moneycab: Andreas  Gubler, in der Schweiz muss jährlich in 10‘000 Familienunternehmen die Nachfolge geregelt werden. Wo liegen die besonderen Probleme bei der Unternehmensnachfolge?

Andreas Gubler: Das ist je nach Unternehmensgrösse unterschiedlich. Kleinstunternehmen haben oft Mühe, überhaupt einen Nachfolger zu finden. Grössere Unternehmen erwecken dagegen meist ein Interesse bei potenziellen Nachfolgern. An diese müssen jedoch höhere Anforderungen gestellt werden als bei kleinen Unternehmen. Die Finanzierung ist mitunter ebenfalls schwierig. Soll das Unternehmen in der Familie bleiben, wird das Eigentum deshalb zuweilen unter den Nachkommen aufteilt.

Entsteht da nicht viel  Streitpotenzial?

Doch. Viele Unternehmer fürchten sich auch davor. Die Übergabe an einen Nachfolger ist deshalb die am weitesten verbreitete Lösung.

Und wenn das nicht möglich ist?

Dann sollten die Nachkommen ihr Verhältnis nicht nur vertraglich regeln, sondern in einer Familienstrategie auch die Grundsätze der gemeinsamen Führung von Familie und Unternehmen festhalten.

«An sich sollte man die am besten geeignete Person als Nachfolger wählen. Andererseits ist Blut eben doch dicker als Wasser.»
Andreas Gubler, Wirtschaftsanwalt und Dozent

Welche Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn sich ein Inhaber zur Übergabe an ein Familienmitglied entscheiden möchte?

Einmal ist es nicht ganz einfach, einen familieninternen Nachfolger objektiv zu beurteilen. An sich sollte man die am besten geeignete Person als Nachfolger wählen. Andererseits ist Blut eben doch dicker als Wasser. Zweitens muss eine Regelung gefunden werden, die für sämtliche Familienmitglieder akzeptabel ist. Um das Einverständnis aller zu gewinnen, sind tiefschürfende Gespräche notwendig. Dabei muss ein Ausgleich von finanziellen Interessen und Emotionen gefunden werden.

Was für Emotionen können da mitspielen?

Im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern geht es um eine Neuzuteilung der Rollen. Der Übergeber muss sich von seiner dominanten Position lösen. Damit haben viele Unternehmer Mühe. Reicht das vorhandene Vermögen nicht ohne weiteres aus, um die Altersvorsorge sicherzustellen, verstärken sich die vorhandenen Ängste. Emotional geladen ist auch die Frage der Gleichbehandlung der Nachkommen. Meist wird nur ein Kind als Unternehmensleiter eingesetzt und oft müssen die anderen auch finanzielle Abstriche machen, damit eine Nachfolgeregelung verwirklicht werden kann. Diese kann daher nur einvernehmlich verwirklicht werden, wenn sich die Beteiligten grosszügig zeigen.

Denkt man an bekanntere Schweizer Familienunternehmen, fallen einem nur wenige Frauen ein, die die Nachfolge angetreten haben. Ist es generell noch so, dass Väter ihre Söhne bevorzugen?

Aktuellen Untersuchungen zufolge werden Unternehmen tatsächlich nach wie vor sehr viel häufiger an Söhne übergeben als an Töchter.

Weshalb?

Es gibt verschiedene Gründe. Dazu gehören traditionelle Vorstellungen der Väter, familiäre Verpflichtungen, die höher gewertet werden als eine kompromisslose berufliche Karriere – und  mitunter auch fehlendes Selbstvertrauen bei den potenziellen Nachfolgerinnen. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Verhältnisse als Folge des sozialen Wandels künftig zu Gunsten der Frauen ändern werden.

Werden Familienunternehmen überhaupt noch oft innerhalb der Familie übertragen?

Bis vor zwanzig Jahren war die Weitergabe von einer Generation zur anderen die Regel. Der gesellschaftliche Wandel sowie der verschärfte Wettbewerb haben indessen dazu geführt, dass der Generationenwechsel heute nur noch bei rund 40 Prozent aller Familienunternehmen intern bewerkstelligt werden kann. Positiv an dieser Entwicklung ist, dass junge initiative Leute heute leichter selbst Unternehmerin oder Unternehmer werden können, indem sie ein Unternehmen kaufen.

Haben sie die dafür notwendigen Mittel?

Die Finanzierung stellt oft eine grosse Hürde dar. Junge Manager verfügen in der Regel noch kaum über Ersparnisse. Wollen sie ein Unternehmen erwerben, sind sie auf Bankfinanzierung oder eine Mitwirkung des Verkäufers angewiesen, oft auch auf beides. Banken finanzieren in der Regel maximal die Hälfte des Kaufpreises. Das Unternehmen muss aber gute Erfolgsaussichten besitzen, so dass der Bankkredit innerhalb weniger Jahre zurückbezahlt werden kann. Übergeber können sich gezwungen sehen, ebenfalls bis zur Hälfte des Kaufpreises oder noch mehr zu finanzieren. Sie bleiben damit im Risiko, obschon sie sich eigentlich vom Unternehmen lösen wollten. Die Rückzahlung von Krediten erfolgt in beiden Fällen aus den Gewinnen, die das Unternehmen in Zukunft erzielen kann.

«Der gesellschaftliche Wandel sowie der verschärfte Wettbewerb haben indessen dazu geführt, dass der Generationenwechsel heute nur noch bei rund 40 Prozent aller Familienunternehmen intern bewerkstelligt werden kann.»

Häufig liest man, dass die Patrons nicht bereit sind, ihr Unternehmen zeitgerecht zu übergeben. Stimmt das?

Das lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Ich kenne viele Unternehmer, die sich zeitgerecht um die Nachfolge gekümmert und vorbildlich übergeben haben. Jüngere Personen wollen heutzutage manchmal schon mit 40 oder 50 Jahren verkaufen, um noch einmal etwas Neues zu beginnen. Daneben gibt es aber auch Menschen, denen das Loslassen sehr schwer fällt. Einige von ihnen übergeben die Geschäftsleitung einem Jüngeren, während sie am Verwaltungsratspräsidium festhalten, andere bleiben bis weit über 70 Jahre hinaus operativ verantwortlich.

Was sind die Folgen?

Für das Unternehmen kann das nachteilig sein, vor allem, wenn es dem Inhaber nicht mehr gelingt, ambitionierte und hoch qualifizierte Kader anzustellen oder wenn er Investitionen vernachlässigt.

Wie lange im Voraus sollte ein Unternehmer die Nachfolge planen?

Ganz allgemein gilt, dass man für die Planung der Nachfolge genügend Zeit vorsehen sollte. Besonders viel Zeit braucht es, einen familieninternen Nachfolger aufzubauen. Dieser muss seine Ausbildung abschliessen und idealerweise bei Dritten berufliche Erfahrungen sammeln, bevor er ins elterliche Unternehmen eintritt. Dort wird er dann in der Regel mehrere Jahre mitarbeiten, bis er die Leitung übernehmen kann. Andere Lösungen wie beispielsweise ein Verkauf ans eigene Management oder an eine andere Unternehmung können dagegen vergleichsweise rasch realisiert werden.

Der Gesprächspartner:
Andreas Gubler ist Wirtschaftsanwalt und hat sich im Laufe seiner beruflichen Karriere auf die Begleitung von Unternehmern und ihren Familien bei der Regelung der Nachfolge spezialisiert. Das Thema der Unternehmensnachfolge ist zudem Gegenstand seines Unterrichts im Fachbereich Wirtschaft an der Berner Fachhochschule und seiner Publikation «Nachfolgeregelung in Familienunternehmen».

Das Buch:
Das Werk schliesst eine Lücke: Denn obwohl die Nachfolgethematik in den letzten Jahren grosses Interesse geniesst, gibt es nur wenige Bücher dazu. Die meisten beschäftigen sich zudem nur mit Teilaspekten. Hier werden nun sämtliche Facetten der Unternehmensnachfolge beleuchtet und systematisch eingeordnet.  Eingeführt wird die Leserschaft zunächst in die unterschiedlichen Typen, die Geschichte und das Wesen des Familienunternehmens. Weitere Kapitel stellen verständlich und praxisnah den Nachfolgeprozess, die Vorsorge für den Notfall, die familieninterne Regelung und die Nachfolge unter Einbezug von familienfremden Personen dar. Dabei geht der Autor auf die psychologischen, soziologischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Aspekte ein. Für Unternehmer und die Mitglieder ihrer Familien, potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger sowie beratende Fachleute stellt das Buch somit einen umfassenden Leitfaden dar.

Andreas Gubler, «Nachfolgeregelung in Familienunternehmen», NZZ Libro, Zürich, 344 Seiten, 58 Franken http://www.nzz-libro.ch/nachfolgeregelung-in-familienunternehmen.html

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