Andrin Waldburger, Partner und Leiter Steuer- und Rechtsberatung PwC Schweiz

von Patrick Gunti


Herr Waldburger, PwC und die Weltbank haben die neuste globale Studie «Paying Taxes 2009 – The global picture» präsentiert. Wie lässt sich die Situation des Steuerstandortes Schweiz aktuell beschreiben?


In den vergangenen Jahren hat die Schweiz laufend in den Steuerstandort investiert, um mit innovativen Ideen ihre führende Position im internationalen Standortwettbewerb zu halten oder gar zu verbessern. Die Schweiz rangiert wie letztes Jahr im «Global Competitiveness Index 2008» des World Economic Forums auf Platz 2 und hat sich in der «World Competitiveness Analysis 2008» des IMD um zwei Plätze auf Platz 4, gleich hinter den USA, Singapur und Hong Kong verbessert. In der neu vorliegenden Paying-Taxes-Studie wurde die Schweiz mit 181 Ländern der Welt bezüglich der Indikatoren Gesamtsteuerrate, Zeitaufwand und Anzahl Zahlungen verglichen. Diese drei Messgrössen dienten der Berechnung der «Ease of paying taxes», also der Einfachheit Steuern zu zahlen. Basierend auf dieser Kennzahl rangiert die Schweiz global auf Platz 19, was unsere Wettbewerbsfähigkeit unterstreicht. Betrachten wir die für die Schweiz relevanteren OECD- bzw. Nachbarstaaten, dann zeigt sich, dass sie im Vergleich mit den EU-Staaten auf dem 6. und innerhalb der OECD auf dem 7. Platz liegt. Wird die Anzahl Zahlungen als Messgrösse relativiert, wäre die Schweiz auf dem Podest zu finden.


Die Gesamtsteuerbelastung «Total Tax Rate» TTR sank im letzten Jahr in der Schweiz um 0,2 auf 28,9 %, global hingegen war ein Rückgang von 2,8 % zu verzeichnen, womit die Schweiz in diesem globalen Ranking vom 24. auf den 30. Platz zurückgefallen ist. Welche Länder haben bei der Gesamtsteuerbelastung einen Schritt nach vorne gemacht und wo ist die Belastung am geringsten?


Bezüglich der Unternehmensbesteuerung haben 60 Länder ihre Gewinnsteuern teilweise substanziell gesenkt. Der Anteil der Gewinnsteuer beträgt durchschnittlich aber nur 37% der Gesamtsteuerbelastung. Viel wichtiger sind die Lohn- sowie einzelne Konsumsteuern und -abgaben. So sind die Sozialversicherungsbeiträge in der Schweiz im Rahmen der Gesamtsteuerbelastung viel wesentlicher als die Gewinn- und Kapitalsteuerbelastung.


Bahrain und Qatar haben es als Neuzugänge in der Studie auf Anhieb in die Top 30 geschafft. Überholt wurde die Schweiz von Mazedonien, Luxemburg, Samoa und Belize. Am wenigsten Steuern zahlt man auf der Hybrideninsel Vanuatu mit 8,4%, welches dicht gefolgt wird von den Malediven mit 9,1%, wobei sich die Schweiz nicht mit diesen Standorten unbedingt zu messen braucht.


Wie steht der Steuerstandort Schweiz bei der Gesamtsteuerbelastung im Vergleich aller OECD-Länder und den Nachbarländern da?


Im Vergleich mit den europäischen Staaten schneidet die Schweiz auf dem sehr guten 3. Platz, hinter Luxemburg und knapp hinter Irland aber noch vor Dänemark, ab. Innerhalb der OECD muss die Schweiz zusätzlich Island den Vortritt lassen und rangiert daher auf Platz 4.


Für die Studie wurden die häufigsten Steuersystemreformen im Bereich Unternehmensbesteuerung untersucht. Zu welchen Resultaten ist die Studie gelangt?


Die weitaus beliebteste Art der Steuerreform war die Reduktion des Gewinnsteuersatzes bei teilweise gleichzeitiger Vereinfachung des Steuerzahlprozesses. Einzelne Länder führten auch eine Reform ihrer Steuergesetzgebung durch oder eliminierten gewisse Steuern, nur wenige reduzierten die Sozialversicherungsabgaben.


«Die Behörden in der Schweiz betrachten den Steuerzahler in aller Regel als Kunden, was in andern Ländern nicht unbedingt der Fall zu sein scheint.»


Um die Steuerpflichten zu erfüllen, muss ein mittelständisches Unternehmen in der Schweiz ungefähr 1,5 Arbeitswochen aufwenden, was den zweitbesten Wert in Europa hinter Luxemburg darstellt. Gleichzeitig ist das System mit 24 unterschiedlichen Zahlungen an verschiedene Steuerbehörden sehr komplex. Als wie effizient kann das gesamte System bewertet werden?


In der Schweiz sind 24 unterschiedliche Zahlungen an verschiedene Steuerbehörden auf kantonaler wie nationaler Ebene zu leisten. Damit blieb die Schweiz konstant und liegt noch unter dem globalen Schnitt von 31 Zahlungen, jedoch beträchtlich über jenem der OECD-Länder, wo im Durchschnitt nur 15 Zahlungen notwendig sind. Trotzdem ist das Schweizerische Steuerrecht sehr effizient. Das hängt unter anderem auch mit der pragmatischen Anwendung der Steuergesetze durch die Behörden zusammen. Die Behörden in der Schweiz betrachten den Steuerzahler in aller Regel als Kunden, was in andern Ländern nicht unbedingt der Fall zu sein scheint.


In der Wertung mit der Anzahl zu tätigenden Zahlungen sind von den OECD-Ländern nur Mexiko, Island, die Slowakei und Polen schlechter klassiert. Mit welchen Massnahmen könnte die Schweiz ihren Wert verbessern?


Das Problem liegt nicht primär an der Anzahl der Zahlungen, die zu tätigen sind, als vielmehr im Föderalismus der verschiedenen Behörden, die die Steuern einziehen. In dieser Hinsicht wäre ein erheblicher Effizienzgewinn möglich, wenn die Anzahl Zahlstellen beträchtlich reduziert würde. Dies brächte neben einer Entlastung der Unternehmen auch einen geringeren Aufwand für die Verwaltung.


Ist diese Wertung, resp. die hohe Anzahl zu tätigenden Transaktionen im Computerzeitalter für Unternehmen wirklich noch abschreckend?


Sicher haben Sie recht in der Annahme, dass die Anzahl Zahlungen in der Schweiz einen tieferen Stellenwert hat als anderswo. Was bei uns durch einen Mausklick erledigt werden kann, dauert beispielsweise in Kamerun über 1000 Stunden für 41 Zahlungen. Die Anzahl der Steuerzahlungen soll daher auch mehr auf die Komplexität des Steuererhebungssystems aufmerksam machen. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist der Gesamtzeitaufwand für die Vorbereitung, die Deklaration und die Zahlung der Steuerschuld.


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Die Studie konstatiert, dass Reformen in anderen Ländern zum Teil schneller umgesetzt werden. Welche Nationen spielen hier eine Vorreiterrolle?


Im letzten Jahr wurde die umfassendste Reform in der Dominikanischen Republik umgesetzt. Neben der Senkung der Gewinnsteuern und der Abschaffung verschiedener Steuern (u.a. der Stempelsteuer) hat das Land die vollständige Online-Deklaration und -Zahlung eingeführt – eine Funktion, die in der Schweiz erst in einzelnen Kantonen zur Verfügung steht. Nach Regionen betrachtet, fanden die meisten Reformen in der Region Osteuropa und Zentralasien statt, wo neun Länder ihr Steuersystem reformiert, den Steuersatz reduziert oder Steuern abgeschafft haben.


Wie hat sich der Steuerwettbewerb generell entwickelt, und welche Massnahmen muss die Schweiz treffen, um ihren heutigen Status zu halten oder zu verbessern?


Der internationale Steuerwettbewerb ist härter geworden und hat sich teilweise akzentuiert. Einige Länder versuchen sich durch die Umsetzung von neuen Ideen in der Besteuerung von internationalen Unternehmen und vermögenden Personen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Bei Hochsteuerländern stellen wir einen Trend zur Sicherung des Steuersubstrates fest.


Die Schweiz profitiert stark vom interkantonalen Steuerwettbewerb. Bei uns können innovative Konzepte im Kleinen ausprobiert und wenn sie erfolgreich sind, auf der internationalen Bühne implementiert werden. Natürlich sind immer Verbesserungen möglich. Auf Bundesebene könnte die Bemessungsgrundlage bei der Gewinnsteuer verbreitert und dafür der Steuersatz generell gesenkt werden, was sich unter Umständen auch positiv auf die Beziehung zu unseren europäischen Nachbarn auswirken würde. Die Höhe des Steuersatzes hat einfach die höchste publizistische Wirkung. Einen spürbaren Entlastungseffekt für Unternehmen hätte im administrativen Bereich auch die Ausdehnung der Online-Deklaration auf andere Steuerarten, wie sie bei der Mehrwertsteuer schon Realität ist.


«Der internationale Steuerwettbewerb ist härter geworden und hat sich teilweise akzentuiert.»


Der Steuerstandort Schweiz steht nicht erst seit der Standpauke des deutschen Finanzministers Steinbrück in der Kritik. Der Steuerstreit mit der EU dauert an. Mit der Verabschiedung der Unternehmenssteuerreform II wurde ein erster Schritt zu wichtigen Veränderungen des steuerrechtlichen Umfelds getan. Welchen Einfluss haben diese verschiedenen Faktoren auf den Steuerstandort Schweiz?


Die Unternehmenssteuerreform II war sehr umfassend und primär auf die Bedürfnisse der Klein- und Mittelbetriebe (KMU) bzw. des Unternehmers und weniger auf die Unternehmung ausgerichtet. Die gesetzliche Verankerung der indirekten Teilliquidation und der Transponierung hat den Unternehmen mehr Rechtssicherheit gebracht und der ausufernden Praxis des Bundesgerichts und der ESTV im Anschluss an den Erben-Holding-Entscheid beendet.


Der zweite Teil der Steuerreform befasste sich unter anderem mit der Teilbesteuerung von Dividenden, welche eine grosse Erleichterung bezüglich der Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung bei Unternehmern und Unternehmen aber auch gewisse Risiken in der Umsetzung (AHV-massgebender Lohn, Einkommensaufrechnung usw.) mit sich bringt.


Die Reform hat die Tür für eine weitere Verbesserung des Steuersystems geöffnet. Viele Details hängen jedoch noch von den Ausführungsbestimmungen der Steuerbehörden sowie deren Umsetzung in den kantonalen Steuergesetzen ab. Zudem ist zu beachten, dass zentrale Elemente der Reform im Bereich des Kapitaleinlageprinzips oder die Erleichterung des Beteiligungsabzugs unverständlicherweise erst 2011 wirksam werden.


Die Arbeitsgruppe «Internationaler Steuerwettbewerb», die vom Bundesrat eingesetzt wurde, befasst sich bereits mit der 3. Reform der Unternehmensbesteuerung. Erwarten Sie darin Reformen, die den Steuerstreit mit der EU entschärfen können, und gleichzeitig das Steuerklima für die Unternehmen mildert?


Die EU kritisiert ja vor allem gewisse kantonale Steuerpraktiken. Bislang ist lediglich klar, dass Finanzminister Hans-Rudolf Merz weitere Reformschritte vorantreiben und Firmen von unnötigen Steuerlasten befreien möchte. In welche Richtung es dabei gehen kann, ist noch offen. In früheren Gesprächen signalisierte Merz die Möglichkeit einer generellen Senkung der Unternehmenssteuern sowie Anpassungen in den kantonalen Steuergesetzen. Dem stünde allenfalls eine Verbreiterung der Steuerbemessungsbasis gegenüber, um grössere Steuerausfälle zu vermeiden.


Abgesehen von einer dritten, diesmal umfassenden Unternehmenssteuerreform könnte die Schweiz ihre Attraktivität als ein zukunftsorientierter Unternehmensstandort mit kleinen aber signifikanten Schritten verbessern. Punktuelle Verbesserungen wären in den Bereichen der Besteuerung der Kapitalgewinne, der Limitierung der gesetzlichen Definition des Wertschriftenhändlers und nicht zuletzt mit der Abschaffung der Stempelsteuer möglich.


Traditionell haben wir in der Schweiz ein sehr mildes Steuerklima. Mit der Möglichkeit die Steuern weiter zu senken und der Wahrung der Freiheit und Flexibilität des Steuersystems hat die Schweiz immer noch sehr gute Trumpfkarten im Ärmel. Solange die Schweiz nicht entscheidende Vorteile ihrer Attraktivität aufgibt, sehe ich keinen Grund, weshalb die Schweiz keine Top-Adresse für internationale Unternehmen mehr sein sollte.


Herr Waldburger, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.





Zur Person:
Andrin Waldburger ist Partner, Leiter des Geschäftsbereiches Steuer- und Rechtsberatung sowie Mitglied der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats in der Schweiz. Waldburger trat 1987 in die Firma ein und ist seit Juli 1995 Partner. Während seiner Karriere bei PricewaterhouseCoopers hat er sich auf das Gebiet des Unternehmenssteuerrechts und auf wirtschaftsbezogene Rechtsfragen spezialisiert. Er hat langjährige Erfahrung im Steuerbereich bei nationalen und internationalen Umstrukturierungen, sowohl von schweizerischen als auch von ausländischen Unternehmen. Ausserdem im Bereich von Restrukturierungen, Umwandlungen der Wertschöpfungskette und im Transfer Pricing. Andrin Waldburgers Kundenbasis besteht aus in- und ausländischen Unternehmen, die hauptsächlich in der Pharma, Chemie und Konsumgüterindustrie tätig sind.


Zur PwC Schweiz (Boilerplate):
Mit dem vernetzten Know-how und der Erfahrung von mehr als 155’000 Mitarbeitenden in 153 Ländern bietet PricewaterhouseCoopers ein umfassendes Angebot von Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen für internationale und lokal führende Unternehmen sowie für den öffentlichen Sektor. Die Spezialisierung der Mitarbeitenden in der Schweiz auf verschiedene Branchen und Märkte gestattet die spezifische Anpassung der Beratung und Unterstützung an jeden individuellen Kundenwunsch; gerade auch für mittelständische Unternehmen. Die Dienstleistungen umfassen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung und Wirtschaftsberatung.

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